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Politik

Schuster kritisiert Darstellung des Judentums

19. August 2018

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, bemängelt die Darstellung des Judentums in deutschen Schulbüchern. Schuster fühlt sich mitunter eher an Propagandaschriften aus der Nazi-Zeit erinnert.

Symbolbild Klassenraum Schule
Bild: Colourbox

"Es gibt dort zuweilen Bilder, die von antisemitischen Stereotypen geprägt sind und damit eher an den "Stürmer" erinnern, als dass sie eine sachliche Darstellung bieten würden", sagte Josef Schuster der Deutschen Presse-Agentur. Der "Stürmer" war ein antisemitisches Hetzblatt in der NS-Zeit und wurde von dem später hingerichteten NS-Kriegsverbrecher Julius Streicher geleitet.

"Es gibt sehr viele Lehrbücher, die das Thema Judentum nur sehr rudimentär aufzeichnen", kritisierte Schuster. Judentum beschränke sich nicht auf die Zeit zwischen 1933 und 1945. "Es gab jüdisches Leben in Deutschland viele Jahrhunderte davor, und es gibt es glücklicherweise heute wieder."

Der Zentralratspräsident forderte auch, dass Lehrkräfte an Schulen mit einer hohen Zahl von Schülern aus Migrantenfamilien besonders für den Umgang mit Antisemitismus geschult werden sollten. "Gerade in den Haupt- und Mittelschulen haben wir (...) einen wachsenden Anteil von Jugendlichen, deren Familien aus Ländern stammen, in denen Israelfeindschaft, in denen Antisemitismus zum Alltag gehören", sagte Schuster. "Lehrkräfte müssen geschult werden, wie sie mit antisemitischen Äußerungen solcher Schüler dann umzugehen haben."

Regelmäßige Besuche in Gedenkstätten

Schuster sprach sich zudem dafür aus, das regelmäßig Schüler eine KZ-Gedenkstätte besuchen sollten. "Ein solcher Besuch darf aber nicht als Wandertag oder als reine Pflichtveranstaltung gesehen werden", betonte der Zentralratspräsident. "Er muss von Lehrern angemessen vor- und nachbereitet werden." Man solle Schülern auch den Raum geben, über ihre eigenen Erfahrungen und persönlichen Eindrücke zu sprechen, sagte Schuster.

Der Präsident des Zentralrates der Juden Josef SchusterBild: Imago/epd/H. Lyding

Der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Helmut Holter, sprach sich gegen verpflichtende Besuche von Schülern in Gedenkstätten aus. "Zwang ist aus meiner Sicht das falsche pädagogische Mittel", sagte Holter der dpa in Erfurt. Der Linken-Politiker, der zugleich Bildungsminister in Thüringen ist, setzt stattdessen auf Freiwilligkeit: "Keine Pflichtbesuche, aber die Hürden für Exkursionen so niedrig wie möglich halten."

16 Bundesländer, 16 verschiedene Ansätze

Bisher ist der Besuch einer NS-Gedenkstätte nur in Bayern verpflichtend. Schüler an Gymnasien und Realschulen müssen dort laut Lehrplan an einer solchen Exkursion teilnehmen. In einigen anderen Bundesländern sind Schüler zwar verpflichtet, einen oder mehrere Gedenkorte zu besuchen. Es muss sich dabei aber nicht um Orte aus der NS-Zeit handeln. Viele Schulen unternehmen die Fahrten allerdings freiwillig, in manchen Lehrplänen werden sie auch empfohlen. Für Berliner Schüler ist der Besuch außerschulischer Lernorte verbindlich im Lehrplan vorgeschrieben. "Die Auseinandersetzung mit einem authentischen historischen Ort ist ein wichtiger Schritt, um Zugang zur Geschichte zu finden", sagt Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Das müssen aber keine NS-Gedenkstätten sein: Möglich sind auch Museen, Gedenkstätten oder Denkmale zu anderen Themen. Fahrten zu Gedenkstätten werden vielerorts finanziell unterstützt, etwa in Mecklenburg-Vorpommern. Pro Schulklasse gibt es laut Richtlinie bis zu 500 Euro. Auch für Fahrten zu ehemaligen Konzentrationslagern der Nationalsozialisten in Polen gibt es dort Zuschüsse.

Gedenkstein im Konzentrationslager Bergen-BelsenBild: Stiftung niedersächsische Gedenkstätten/J. Denzel

In Nordrhein-Westfalen stehen im Haushalt für Besuche von Schülergruppen in KZ-Gedenkstätten und anderen Erinnerungsstätten 300.000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Die Bundesschülerkonferenz plädiert dafür, dass jeder Schüler einmal in seiner Schullaufbahn eine Gedenkstätte nationalsozialistischer Verbrechen besuchen sollte. Die deutsche Geschichte, gerade des 20. Jahrhunderts, lehre wichtige Werte und zeige enorme Gefahren, teilte die Konferenz mit.

Hannes Leiteritz, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, sieht in den Exkursionen auch einen enormen gesellschaftlichen Nutzen: "Extremismus ist nie gut, und unsere Geschichte zeigt eindrücklich, wozu Extremismus führt und wie grausam Menschen zu Menschen sein können." Gedenkstätten für die Opfer der Nazi-Herrschaft gibt es in allen Bundesländern, aber nicht alle sind ehemalige Konzentrationslager. Die bekanntesten KZ-Gedenkstätten liegen in Brandenburg (Sachsenhausen und Ravensbrück), Thüringen (Buchenwald und Mittelbau-Dora), Hamburg (Neuengamme), Niedersachsen (Bergen-Belsen) und Bayern (Dachau und Flossenbürg).

cgn/sti (dpa)

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