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Politik

Irans Jugend geht auf die Straße - doch wofür?

4. Januar 2018

Der iranische Staat erklärt die Proteste für beendet, doch die Menschen gehen weiter auf die Straße. Frustration treibt sie an, aber die Aktionen haben keine Anführer und die Forderungen sind unklar.

Iran Protest in Stadt Kashan
Bild: UGC_pessarbad

Nach einer Woche heftiger regierungskritischer Proteste mobilisierte die iranische Staatsführung am Mittwoch ihre Anhänger. Während die Proteste der Kritiker von den staatlichen Medien verschwiegen wurden, übertrugen sie den Aufmarsch der Regierungsanhänger auf allen Kanälen. Die Kommentatoren beschrieben den Marsch als "Unterstützung des Volkes für Regierung und Klerus - und vor allem für den Religiösen Führer Ali Chamenei persönlich". Kurz darauf erklärte Major-General Mohammad Ali Jafari, Kommandeur der mächtigen Revolutionsgarden, die regierungskritischen Proteste für beendet.

Regierungsanhänger im Iran demonstrieren für die Regierung und den Obersten Führer ChameneiBild: Tasnim

Beendet waren die aber nur bis zum Einbruch der Dunkelheit. In der Nacht zum Donnerstag kam es wieder zu vereinzelten Protesten in den Provinzen, trotz eines massiven Polizeiaufgebots. Anonyme Nutzer in sozialen Netzwerken schickten davon Videos an Journalisten. Die Echtheit dieser Videos kann nicht verifiziert werden.

Eierpreise sinken! Ist alles wieder gut?

"Was die Demonstranten wollen? Keine Ahnung!", sagt Mohmoud aus Teheran im Telefongespräch mit der Deutschen Welle. "Ich unterstütze sie nicht. Aber ihre Leistung ist bemerkenswert. Die Eierpreise sind gesunken. Ist das nicht mehr als die reformorientierte Opposition in den letzten 20 Jahren erreicht hat?" Der 31-jährige Mahmoud flüchtet sich in Zynismus. Er promoviert in Physik. Nach dem Studium will er das Land verlassen. Die Hoffnung, dass sich etwas zum Besseren wendet, hat er längst verloren. Mahmoud war Unterstützer der "Grünen Bewegung" von 2009. Bei den damaligen Protesten gegen die umstrittenen Präsidentschaftswahlen wurde er mehrmals geschlagen und einmal auch verhaftet. "Wir wussten damals, was wir wollten. Wir unterstützen unseren Kandidaten Mir Hossein Mussawi. Wir wollten, dass unsere Stimme zählt. Daraus wurde eine Bewegung. Die Leute, die in den vergangenen Tagen auf die Straße gegangen sind, protestieren einfach gegen alles. Aber sie wissen nicht, wofür."

Die Proteste hatten vergangene Woche in Maschad im Nordosten des Landes begonnen. Auslöser der Proteste waren die Eierpreise. Die waren um rund 70 Prozent in die Höhe geschnellt. Gleichzeitig wurden die Pläne der Regierung für die Erhöhung der Benzinpreise um 50 Prozent bekannt. Die Proteste hatten sich zunächst gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung gerichtet, wurden aber zunehmend systemkritisch.

Schnell eskalierte die Situation. Etwa in der kleinen Stadt Tuyserkan im Westiran: Dort wurde auf Demonstranten geschossen, nachdem ein Verwaltungsgebäude angegriffen und in Brand gesetzt worden sein soll. "Wir haben die Verwaltungsgebäude nicht angegriffen", teilt die Demonstrantin Morteza am 31. Dezember auf der App Telegram mit. Am selben Tag blockieren die iranischen Behörden den landesweit beliebtesten Messengerdienst. Telegram, mit Sitz in Dubai, hat laut Statistiken der UNO-zugehörigen International Telecommunication Union 40 Millionen Nutzer im Monat

"Vermeidet Gewalt und blinde Rebellion"

Die Proteste wurden immer gewaltsamer. Welche Seite mit der Gewalt angefangen hat, ist nicht klar. Profitieren werden die Demonstranten davon nicht. Oppositionelle und Menschenrechtsaktivisten wie Taghi Rahnai, der 15 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbrachte, warnen vor Gewalt und blinder Rebellion. Damit würden die Demonstranten den Sicherheitskräften einen Vorwand liefern für harte Reaktionen.

Laut offiziellen Angaben wurden in den letzten sieben Tagen mindesten 22 Menschen getötet. Landesweit wurden mehr als 1000 Demonstranten festgenommen. Das Durchschnittsalter der verhafteten Demonstranten liegt bei unter 25 Jahre, teilte das Innenministerium mit. Im Gegensatz zu den Protesten von 2009 haben die aktuellen Proteste kein erkennbares Ziel, keine Anführer und werden nicht von einer Organisationen oder Bewegungen wie etwa der Frauen- oder Studentenbewegung getragen.

"Wir reden von sehr jungen Menschen aus zum Teil benachteiligten Gebieten des Landes", sagt der Politologe Sadegh Zibakalam von der Universität Teheran im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Sie sind vor allem enttäuscht. Viele von ihnen haben vor sieben Monaten bei den Präsidentschaftswahlen für Hassan Rohani gestimmt. Er hat ihnen viel versprochen, aber konnte - warum auch immer - nicht liefern. Unerfüllte Enttäuschungen schlagen nun wie ein Pendel zurück."

"Eine wütende Generation, die an nichts mehr glaubt "

Rohani hatte seinen Wähler versprochen, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Er erwartete, dass mit der Aufhebung der internationalen Sanktionen nach dem Atomdeal die Wirtschaft in Schwung kommen würde. Doch die Erholung lässt weiter auf sich warten.

Armut, Arbeits- und Perspektivlosigkeit schürt die Wut der jungen BevölkerungBild: Mehr

Die Arbeitslosigkeit ist seit 2016 mit offiziell zwölf Prozent sehr hoch. Die Quote bei jungen Menschen unter 25 Jahren liegt bei 26 Prozent. Der Iran ist eine junge Nation. Das Durchschnittsalter liegt bei 31 Jahren. Die Zeitung "Iran", die der offiziellen Nachrichtenagentur IRNA untersteht, schrieb am Mittwoch, dass Städte mit hoher Arbeitslosigkeit am stärksten von den Protesten betroffen seien.

"Der Staat steht einer wütenden Generation gegenüber, die an nichts mehr glaubt. Sie haben kein Vertrauen - weder in die Regierung, noch die religiösen Institutionen und schon gar nicht in die reformorientierte Opposition", sagt der Politologe Zibakalam. "Diese jungen Menschen haben keine Geduld mehr. Wir müssen ihre Probleme ernst nehmen. Ihre Unzufriedenheit ist eine große Herausforderung, die wir nicht einfach unterdrücken dürfen."

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