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Politik

Ziemlich beste Freunde

Bettina Marx11. Mai 2015

Am 12. Mai 1965 nahmen Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen auf. Damals konnte niemand ahnen, wie positiv sich das Verhältnis der beiden Staaten und ihrer Gesellschaften entwickeln würde.

Eine deutsche und eine israelische Nationalflagge (Foto: ddp images/AP Photo/ Jan Bau)
Bild: AP

Der erste deutsche Botschafter in Israel, Rolf Pauls, wurde im Jahr 1965 mit Demonstrationen empfangen und mit Tomaten beworfen. Heute sind die früheren israelischen Botschafter in Deutschland, Avi Primor und Shimon Stein, gern und häufig gesehene Gäste in deutschen Talkshows.

Die beiden Ex-Botschafter sind sich mit der großen Mehrheit der deutschen Politiker einig: Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel könnten kaum besser sein. "Dies liegt vor allem an den guten zwischenmenschlichen Beziehungen", unterstreicht Primor. Schon vor der Aufnahme der offiziellen Beziehungen und geradezu gegen die Absichten der Politik habe es persönliche Kontakte zwischen Deutschen und Israelis gegeben, die später zum Fundament der politischen Beziehungen geworden seien. In der Tat geht zum Beispiel die rege Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Forschung und Wissenschaft auf die Kontakte zwischen dem Weizmann-Institut in Rehovot und den Max-Planck-Gesellschaften in den fünfziger Jahren zurück. Inzwischen gibt es sogar ein gemeinsames Institut, das im Jahr 2012 gegründete Max Planck Weizmann Center für Archäologie und Anthropologie.

Israelis lieben Berlin, Berlin liebt die israelische Kultur

Eng sind die Beziehungen auch auf dem Gebiet des Kulturaustausches. In beiden Ländern besteht ein hohes Interesse an Kunst, Literatur, Film und Musik des jeweils anderen, es gibt regelmäßige Schriftstellertreffen, gemeinsame Filmtage, Ausstellungen und Vernissagen. In Berlin leben inzwischen zahlreiche israelische Künstler und Designer, die aus dem Kulturleben der Stadt nicht mehr wegzudenken sind. "Die deutsche Hauptstadt ist für Israelis ein Magnet geworden", sagt der ehemalige deutsche Botschafter in Israel, Rudolf Dressler. Nach Schätzungen sollen mehr als 20.000 Israelis in Berlin leben. Unter ihnen ist auch die 27-jährige Hadar Braun. Sie arbeitet als Freiwillige in der Wannsee-Villa, wo eine Dauerausstellung an die dort geplante und beschlossene Vernichtung der europäischen Juden erinnert. "Wenn ich sage, dass ich aus Israel komme, höre ich von den Deutschen: Tel Aviv ist die interessanteste Stadt der Welt. Und wenn ich in Israel sage, dass ich in Berlin lebe, heißt es, dass Berlin die tollste Stadt der Welt ist", berichtet sie. Ähnliche Erfahrungen hat auch Esther Buck gemacht. Die junge Frau war mit der Organisation "Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste" in Israel und hat dort Holocaust-Überlebende betreut. Ihre deutsche Herkunft war dabei kein Problem. "Meine Herkunft war eher uninteressant, weil ich nicht aus Berlin kam", sagt sie mit einem Lächeln.

So wie sie besuchen jedes Jahr Tausende deutsche Jugendliche und junge Erwachsene Israel - als Freiwillige, als Touristen oder als Austauschschüler. Seit 1969 gibt es einen immer intensiver werdenden Jugendaustausch zwischen Israel und Deutschland. Nach Angaben der deutschen Botschaft in Israel beteiligen sich daran jedes Jahr mehr als 9000 Jugendliche aus beiden Ländern. Proportional zur Bevölkerung steht er damit weit oben an der Spitze der Jugendaustauschprogramme.

"Deutschland ist unser letzter wahrer Freund"

Auf politischer Ebene ist die Zusammenarbeit zwischen Jerusalem und Berlin eng und vertrauensvoll. Die Regierungen beider Länder treffen sich jedes Jahr zu Konsultationen. "Wir sitzen einmal im Jahr um einen großen Tisch herum, planen Projekte, es wird gelacht, auch gestritten, so wie gute Freunde es eben tun", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Bundestag und fügte hinzu: "Die mutige politische Saat von Ben Gurion und später Konrad Adenauer ist aufgeblüht und sie trägt Früchte auch über unsere eigenen Grenzen hinaus, wenn wir zum Beispiel gemeinsam in den internationalen Foren gegen Antisemitismus und Rassismus streiten."

Deutsch-israelische Regierungskonsultationen finden jedes Jahr stattBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Steinmeiers Partei, die SPD, pflegt sei Jahrzehnten enge Kontakte mit ihrem israelischen Pendant in der sozialistischen Internationalen. Dort hat auch die junge Knesset-Abgeordnete Michal Biran von der israelischen Arbeitspartei deutsche Freunde gefunden. "Deutschland ist ein wahrer Freund Israels", sagte sie bei einem Besuch in Berlin. Vor 30 Jahren habe Israel noch überall in der westlichen Welt Freunde und Unterstützer gehabt. Heutzutage sei das Land weitgehend isoliert. Die Regierung und die sie tragenden Parteien pflegten aus ihrer Sicht vor allem den Kontakt mit Rechtsextremisten in Europa: "Die hassen die Araber sogar mehr als uns", so ihr Fazit. Nur Deutschland sei als verlässlicher Freund übrig geblieben: "Unsere Freundschaft mit Deutschland beruht auf gemeinsamen Werten von Gleichheit und Frieden."

Deutschland ist in Israel beliebter als Israel in Deutschland

Doch es gibt auch Misstöne, die immer wieder das gute Verhältnis zwischen beiden Ländern überschatten. Der außenpolitische Sprecher der CDU, Philipp Mißfelder, berichtete bei einer Veranstaltung seiner Fraktion in der letzten Woche von einem Zwischenfall bei einem Fußballspiel in Berlin, als die Polizei das Zeigen einer israelischen Fahne verboten habe. Dies sei symptomatisch für Tendenzen, gegen die sich die Gesellschaft wehren müsse, so Mißfelder.

Bundeskanzlerin Merkel genießt in Israel hohes Ansehen, Netanjahu hat es in Deutschland schwererBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Eine zunehmende Distanz der Deutschen zu Israel hat auch die Bertelsmann-Stiftung in einer Erhebung festgestellt. Sie ergab, dass zwar zwei Drittel der Israelis Deutschland gegenüber positiv eingestellt sind, umgekehrt aber die Ablehnung wächst. 62 Prozent der Deutschen haben ein negatives Bild der israelischen Regierung und 65 Prozent fordern sogar einen Schlussstrich unter die Vergangenheit. "Denen müssen wir widersprechen", sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, im Bundestag. "Nie zu vergessen ist keine Hypothek. Es ist das wichtigste Erbe, das wir weiterzugeben haben."