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Zimmer: "EU ist nicht militaristisch"

Bernd Gräßler17. Februar 2014

Gabi Zimmer ist die frisch gekürte Spitzenkandidatin der Linken für die Europawahl. Sie hat auf dem Hamburger Parteitag einen Rundumschlag gegen die EU verhindert. Im DW-Interview erläutert Zimmer ihre Positionen.

Gabi Zimmer, Linken- Abgeordnete im Europaparlament - Foto: Michael Reichel (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Frau Zimmer, was fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie das Wort Europa hören?

Gabi Zimmer: Na, da denke ich zum Beispiel an die von Zeus entführte kleinasiatische Prinzessin, die den Namen Europa trägt und die erste europäische Migrantin war. Das macht mir nämlich deutlich, dass wir hier eine Verpflichtung haben, wirklich allen ein Leben in Recht und Würde zu bieten und das ist für mich auch ein Stück Aufgabe.

Wer beim Europa-Parteitag der Linken zuhörte, der hatte manchmal den Eindruck, dass für die meisten Delegierten Ihrer Partei Europa ein Schreckgespenst ist …

Ich versuche ja immer auch einen Unterschied zu machen zwischen EU und Europa. Aber ich halte vieles von der Kritik für berechtigt. Allerdings geht es mir zu weit, wenn damit das Thema EU erledigt ist. Ich bin dagegen zu sagen, die Europäische Union bringt uns nicht weiter, also mal zurück in die Nationalstaaten. Weil wir alles, was wir an Errungenschaften haben, an Rechten für die Frauen, an sozialen und ökologischen Standards nicht halten könnten, wenn wir so wie damals zu DDR-Zeiten eine Mauer um uns bauen und sagen, das behalten wir jetzt für uns. Wir sind europäisch alle miteinander verbandelt und verbunden, da geht nichts mehr zu trennen. Die besten Rechte, die wir in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben, die sollten künftig Standard für die Menschen in der gesamten EU und ganz Europa werden.

Für die anderen Bundestagsparteien ist die Europäische Union ein Friedensprojekt. Hier auf dem Parteitag der Linken drehte sich vieles um den Begriff militaristisch. Ist die EU eine militaristische Macht?

Nein. Sie hat eine militärisch ausgerichtete Außen- und Sicherheitspolitik. Da sind eine ganze Reihe militärischer Komponenten dabei. Sie hat einen gemeinsamen Rüstungsmarkt, sie fordert jedes Jahr einen höheren Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit ein, sie hat eine Battle Group und sie beteiligt sich zunehmend an Missionen in verschiedenen Teilen der Welt. Das ist Fakt. Vor diesem Hintergrund muss ich aber sagen, sie ist keine militaristische Union. Wir versuchen deutlich zu machen, dass die beste Antwort, die die Europäische Union auf die Zunahme von Konflikten weltweit geben kann, wäre, dass sowohl bei Konfliktlösung als auch Prävention die positiven Erfahrungen nach vorn gebracht werden, die die europäischen Staaten im Rahmen der OECD gesammelt haben. Ich möchte gern davon wegkommen, dass wir immer nur das Drohpotenzial aufstellen. Wir müssen genau hinschauen. Wir können zum Beispiel im Europaparlament Einfluss darauf nehmen, dass nicht der Kampf gegen den Terrorismus eingeführt wird als eine Komponente, in die dann auch Gelder aus dem Entwicklungsfond gehen, was aus meiner Sicht eine völlige Idiotie ist.

Zimmer: "EU ist nicht militaristisch"

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Wenn man genau hinschaut, zum Beispiel auf Zentralafrika: Ist es aus Ihrer persönlichen Sicht sinnvoll, eine europäische Militärmission dorthin zu schicken, um mögliche ethnische Säuberungen zu verhindern?

Also, ich war viele Jahre nach dem Völkermord in Ruanda. Ich habe dort eine Gerichtsverhandlung in einem Dorf beobachtet. Ich habe sehr gute Vorstellungen davon, was es heißt, wenn ein Völkermord abläuft, ohne dass die internationale Staatengemeinschaft dort präsent ist und sich hinterher nur alle die Augen reiben und entsetzt über die Abertausenden von Toten sind. Das Problem ist nur, dass solche Entwicklungen lange Zeit zuvor erkennbar sind und ich nicht den Eindruck habe, dass man versucht, im Vorfeld Dinge zu entschärfen, auch durch eine andere Entwicklungspolitik, durch eine fairere Handelspolitik. Wenn es aber zum Konflikt kommt, müssen vor allem die afrikanischen Staaten versuchen, ihre Probleme miteinander zu klären. Es gibt eine Afrikanische Union und Mechanismen dafür. Wenn das aber alles verschlafen wird und hinterher kommen die ehemaligen Kolonialherren wie die Franzosen in Mali als große Retter, dann hat mindestens zehn Jahre lang zuvor jemand erheblich gepennt. Und wir wissen ganz genau, selbst wenn sich Militär dazwischen stellt, gehen die Konflikte und das Morden weiter. Wenn sich unter UN-Führung, ohne Beteiligung ehemaliger Kolonialstaaten, Polizeitruppen eingesetzt werden: Bitteschön, dann muss man es tun.

Die 58-jährige studierte Sprachmittlerin Gabi Zimmer ist verheiratet, hat zwei Kinder. Sie sitzt seit 2004 im Europaparlament. Zuvor war die Thüringerin drei Jahre lang Parteivorsitzende der PDS. Sie wird dem "Reformflügel" der Partei zugerechnet.

Das Interview führte Bernd Gräßler.

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