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Keine Euphorie über Einigung im Zollstreit mit den USA

28. Juli 2025

Die EU und die USA entschärfen ihren monatelangen Handelsstreit mit einer Einigung, die den Vereinigten Staaten offensichtlich deutlich mehr Vorteile bringt. Die Begeisterung darüber hält sich in Grenzen.

US-Präsident Trump spricht mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, beide sitzen in Sesseln, umgeben von Mitarbeitern und Presseleuten
Verhandlungspartner: US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionschefin Ursula von der LeyenBild: Brendan Smialowski/AFP/Getty Images

Es ist der laut US-Präsident Donald Trump "größte aller Deals" im Zollstreit mit der Europäischen Union. Nach kurzen Verhandlungen mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Schottland stand fest, dass die EU pauschale Zölle von 15 Prozent auf die meisten Exporte in die USA zahlen muss.

Die EU sichert außerdem nach Angaben von Trump zu, Energie im Wert von 750 Milliarden US-Dollar zu kaufen und zusätzlich 600 Milliarden US-Dollar in die USA zu investieren. Auch mehr Rüstungsgeschäfte soll es geben.

Bundeskanzler Friedrich Merz betonte, die "Einigkeit der Europäischen Union und die harte Arbeit der Verhandler haben sich ausgezahlt." Der Kanzler dankte von der Leyen und Handelskommissar Maros Sefcovic. "In den nun anstehenden Verhandlungen über die Details der Einigung hat die Europäische Kommission meine volle Unterstützung." Es gelte weiter daran zu arbeiten, die Handelsbeziehungen mit den USA zu stärken.

Die EU und die USA haben ihren monatelangen Handelsstreit mit einer Einigung beigelegtBild: Brendan Smialowski/AFP/Getty Images

Merz fügte hinzu, Europa habe seine Kerninteressen wahren können, auch wenn er sich durchaus weitere Erleichterungen im transatlantischen Handel gewünscht hätte. "Von stabilen und planbaren Handelsbeziehungen mit Marktzugang für beide Seiten profitieren alle - diesseits wie jenseits des Atlantiks, Unternehmen wie Verbraucher."

Deutsche Industrie zurückhaltend

Die deutsche Industrie reagierte deutlich zurückhaltender. "Das Übereinkommen ist ein unzureichender Kompromiss und sendet ein fatales Signal an die eng verflochtene Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks", teilte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin mit. Die EU nehme schmerzhafte Zölle in Kauf. 

Der ausgehandelte Basiszollsatz zwischen den USA und der EU gilt laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auch für Autos, Halbleiter und Pharmaprodukte. Die Einigung schaffe zudem einen Rahmen für die zukünftige Senkung der Zölle auf weitere Produkte.

Europa habe seine Kerninteressen wahren können, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (Archivfoto)Bild: Ralf Hirschberger/AFP

Warnung von der Automobilindustrie

"Das einzig Positive an dieser Einigung ist, dass eine weitere Eskalationsspirale zunächst abgewendet werden konnte", hieß es vom BDI. Entscheidend sei jetzt, dass das Übereinkommen verbindlich werde. Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks bräuchten Planungssicherheit für Lieferketten und Investitionen.

Die Automobilindustrie in Deutschland begrüßte die Einigung, warnte aber zugleich vor Belastungen der Unternehmen. Es sei "grundsätzlich gut", dass "eine weitere Eskalation des Handelsstreits" abgewendet worden sei, erklärte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. "Es ist aber auch klar: Der Zollsatz der USA in Höhe von 15 Prozent auch für automobile Produkte wird die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie jährlich Milliarden kosten und belastet sie inmitten der Transformation."

VDA-Präsidentin Hildegard Müller (Archivfoto)Bild: Christoph Schmidt/dpa/picture alliance

Vizekanzler Klingbeil: Europas Interessen verteidigt

Trump hatte die Einigung als "riesigen Deal mit vielen Ländern" bezeichnet. Der US-Präsident will mit den Zolleinnahmen unter anderem sein teures Wahlversprechen großer Steuersenkungen zumindest teilweise gegenfinanzieren. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) sagte, dass eine Verhandlungslösung erreicht worden sei, sei "erstmal gut". Das Verhandlungsergebnis und die Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsplätze in Deutschland würden nun in der Bundesregierung ausgewertet, sagte der Vizekanzler. Es sei wichtig, dass Europa seine Interessen verteidigt habe.

Vizekanzler Lars KlingbeilBild: Liesa Johannssen/REUTERS

Klingbeil betonte aber auch: "Grundsätzlich bleibt meine Überzeugung: Zölle schaden der Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks. Wir brauchen niedrige Zölle und offene Märkte. Wir setzen weiter auf gute Handelsbeziehungen. Dafür werden wir neben den USA auch neue weltweite Partnerschaften aufbauen."

Von der Leyen: Bestmöglicher Deal

Trump hatte den weltweiten Zollkonflikt mit seinen Extrazöllen begonnen, die von Land zu Land variieren. Die Abgaben, die Importeure zahlen müssen, sind trotz abgeschlossener Deals höher als noch vor dem Beginn der zweiten Amtszeit von Trump. Auf die Einfuhr von Autos beispielsweise kamen Zusatzzölle in Höhe von 25 Prozent auf insgesamt 27,5 Prozent hinzu.

Die jetzt vereinbarte Reduzierung auf 15 Prozent ist laut von der Leyen der bestmögliche Deal. "Wir sollten nicht vergessen, wo wir herkommen", sagte sie. 15 Prozent seien nicht zu unterschätzen, aber auch das Beste, was möglich gewesen sei.

Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, zeigt sich mit den Ergebnissen unzufrieden. Er bezeichnete die Einigung als "kein Meisterstück der Verhandlungskunst" und sprach von einem unausgewogenen Abkommen. Die Zugeständnisse an die Vereinigten Staaten seien schwer hinzunehmen, so der SPD-Politiker. "15 Prozent Zoll auf alle EU-Importe in die USA bedeuten beispielweise eine Vervierfachung der bestehenden durchschnittlichen Zollsätze. Im Gegenzug setzen wir alle US-Importe auf null Prozent", erklärte der EU-Handelspolitiker. Dieses Missverhältnis schwäche die wirtschaftliche Entwicklung der Europäischen Union.

Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EuropaparlamentBild: DW

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, erklärte, "dieser Handelsdeal ist ein schwarzer Tag für die europäische Energie- und Klimapolitik". Die Zusage zum Kauf von Energie aus den USA würde dazu führen, dass Europa "in Öl und Gas" ertrinken würde. Damit würde sich die EU endgültig von ihren Klimazielen verabschieden, fügte der Grünen-Politiker hinzu.

Auch die Linke kritisierte den Deal scharf: "Während Tump mit diesem Deal weiterhin Milliarden Dollar mehr einnehmen wird, gefährdet die EU-Kommission mit ihrem Einknicken tausende Jobs in Europa", sagte Linken-Politiker Martin Schirdewan. Der Deal sei ein "Armutszeugnis für die Europäische Kommission und eine Ohrfeige für alle Einwohnerinnern und Einwohner der EU".

pg/pgr (dpa, afp, rtr)

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