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Zu Besuch auf Robben Island

Ludger Schadomsky30. Juni 2013

18 Jahre saß Nelson Mandela auf Robben Island ein. Nun besucht US-Präsident Obama die Gefängnisinsel. Bevor der Secret Service die Insel abriegelte, hatte Luder Schadomsky die Gelegenheit zu einem Besuch.

Gefängnis auf Robben Island Südafrika (Foto: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:SafrikaIMG_8414.JPG)
Bild: BY-SA/Rüdiger Wölk

"Wir dienen mit Stolz" steht über dem Tor, durch das die Touristen aus dem Schnellboot aus Kapstadt das mit Stacheldraht umsäumte Gefängnisareal betreten. Wer hier heute wem dient, ist nicht zu ergründen - in den 1970er und 1980er Jahren waren es teilweise sadistische Gefängniswärter, die einem weißen, rassistischen Minderheitsregime zu Dienst waren. "Hier ist Dein brauner Zucker für den Maisbrei. Du weißt ja, der weiße Zucker ist für uns Weiße reserviert", beschreibt Mandela in seiner Biographie "Langer Weg zur Freiheit" die alltäglichen Unterdrückungsrituale.

05.30: Aufstehen und Zelle aufräumen. 06:00: Frühstück aus Maisbrei und Maiskaffee. 07:00 bis 11:00: Arbeit im Steinbruch.14:30: Abendessen: jeden zweiten Tag altes Fleisch.15:00 - 06:00 Zelleneinschluss: Lernen und Schlafen.

Musik und Theater gegen den Wahnsinn

"Wie ist es für Sie, heute wieder hier zu sein, an diesem Ort der Erniedrigung?", fragt eine Teilnehmerin unseren Touristenführer, Itumeleng Makwela. Er war 1982 als Guerillakämpfer der ANC-Armee "Speer der Nation" verhaftet wurden. Zunächst wurde er in einem politischen Gefängnis in Pretoria gefoltert und später nach Robben Island gebracht. Dort saß er sieben Jahre ein. Heute arbeitet er als Touristenführer. "Nein", antwortet Makwela auf die Frage, "dies war kein trauriger Platz. Wir haben Robben Island zu unserem Heim gemacht". Grinsend erzählt er von der Jazzband und dem Gefangenenchor – in beiden mischte er kräftig mit. Zu Weihnachten gab es Auftritte vor den Mithäftlingen. "Sie hätten mal unsere Zulu-Tänze sehen sollen", scherzt er.

Auf dem Gefängnishof weist Makwela auf die staubigen Gartenbeete - damals liebevoll gepflegt von Mandela und seinen Mitgefangenen. In den späteren Jahren bekamen sie einige Privilegien, durften Theater spielen oder Tennis. "Wir haben die Tennisbälle aufgeschlitzt und Geheimbotschaften hineingeschoben. Die Bälle haben wir dann wie zufällig über die Mauer in die andere Sektion geschlagen - so konnten wir untereinander kommunizieren", erklärt der ehemalige Freiheitskämpfer.

Der ehemalige Guerillakämpfer Makwela arbeitet jetzt als Touristenführer auf Robben IslandBild: DW/L. Schadomsky

Der Höhepunkt der Touristentour ist der Zellentrakt B und Mandelas ehemalige Zelle mit der inzwischen weltberühmten Nummer 5. Sie ist vier Quadratmeter groß, die Ausstattung: Ein tiefer und ein flacher Teller, ein Löffel, ein kleiner Schrank, eine 2 cm dicke Schlafmatte, eine Wolldecke: Mandelas Heim für 18 Jahre.

Pilgerstätte nicht länger nur für Weiße

Schon auf der Fähre auf dem Weg von Kapstadt ist die große Zahl schwarzer Besucher aufgefallen. Jahrelang war das Museum Robben Island eine Anlaufstelle für mehrheitlich weiße, oft europäische Touristen. Nun kommen auch Besucher aus dem Rest der Welt und schwarze Südafrikaner, um dem schwer kranken Mandela ihre Ehre zu erweisen. Eine Besucherin aus Benin klebt trotz Sprachschwierigkeiten an den Lippen des Tourguides, filmt mit dem Mobiltelefon jeden Winkel des Gefängnisses. Sie ist zu einem Workshop in Südafrika, doch angesichts des Gesundheitszustandes des verehrten "Elder Statesman" Mandela hat sie sich eines der begehrten Tickets auf die Insel gesichert. "Beeindruckt" sei sie, und ihre Begleiterin nickt zustimmend.

Mandela-Kritik? Unerhört!

Währenddessen hält sich ein Besucher auffällig am Rand der Gruppe. Ndikho Mtshizelwa, ein Akademiker von der Universität Südafrika (UNISA) in Pretoria, der auf Drängen seiner Frau Robben Island besucht, kann dem Trubel wenig abgewinnen. "Wissen Sie, ich habe eine etwas andere Sichtweise auf Mandela", erklärt er. Was die politische Befreiung angeht, gebühre ihm alle Ehre. Doch was die wirtschaftliche Befreiung angehe, habe der erste schwarze Präsident versagt. "Die Befreiung schwarzer Südafrikaner aus der Armut, die aus der Apartheid resultiert, hätte seine oberste Priorität sein sollen." Der Besucher bittet deshalb um Verständnis, dass er Mandelas Beitrag zum neuen Südafrika "nicht feiern" möchte.

Es gibt dieser Tage wenige Südafrikaner, die sich kritisch zu der Freiheitsikone äußern. Dabei haben diverse Biographen über die Jahre Details veröffentlicht, die Mandela nicht nur in einem positiven Licht erscheinen lassen.

Ndikho Mtshizelwa kritisiert, Mandela habe sich nicht genügend um die Wirtschaft gekümmertBild: DW/L. Schadomsky

Die Rundfahrt geht später vorbei am Inselfriedhof und dem berüchtigten Steinbruch, in dem die Gefangenen unter glühend heißer Sonne viele Stunden am Tag arbeiten mussten. Nelson Mandela verbat sich nach seiner Freilassung 1990 bei Presseterminen Blitzlichtgewitter: Seine Augen waren von der Reflektion der afrikanischen Sonne im Kalkbruch schwer geschädigt.

Madiba-Magic

Im etwas lieblosen Souvenirshop der Insel steht auf der Eistheke ein gerahmtes Foto mit Aufnahmen von Mandela und einem schnauzbärtigen Weißen - Christo Brand. Im Laufe seiner Gefangenschaft freundete sich Mandela mit dem damals erst 18jährigen, stramm konservativen Wärter an und blieb ihm nach seiner Freilassung 1990 freundschaftlich verbunden. Es sind diese Anekdoten, die Mandelas Ruf als einer der größten Versöhner der Geschichte begründen.

Keine Friedensdividende für die alten Kämpfer

Am Ende der Tour ergibt sich noch ein Schwätzchen mit Tourguide Itumeleng Makwela. Hat er seine Opfer für den Struggle, für den Unabhängigkeitskampf, jemals bereut? "Wir haben ein Problem hier: Die, für die wir gekämpft haben, und die heute reich und mächtig sind, kümmern sich einen Dreck um uns. Warum kümmern die sich nicht um uns? Sie sind doch nur wegen uns so weit gekommen, wegen der Opfer, die wir gebracht haben." Makwela meint die Politiker seiner eigenen Partei, des ANC.

Mandela (l.) mit seinem Freund, dem ehemaligen Wärter Christo BrandBild: DW/L. Schadomsky

Auf dem Rückweg zum Hafen passiert der Bus ein Schild: "Die Mediclinic unterstützt Robben Island". Die Mediclinic ist jene Klinik, in welcher der berühmteste Gefangene Robben Islands seit Wochen behandelt wird: Nelson Mandela, der Insasse mit der Nummer 466/64.

Eine letzte Botschaft "an die Medien"

Am Fähranleger hat Mandela-Kritiker Ndikho Mtshizelwa dann noch eine letzte Botschaft für den Reporter. "Sehen Sie", sagt er und rückt bedächtig seinen Hut zurecht. "Mandela hat von Versöhnung gesprochen. Stellen Sie sich vor, ich stehle Ihnen jetzt Ihre Ausrüstung - so wie die Weißen uns unsere Minen gestohlen haben. Und dann komme ich zu Ihnen und sage: Nun wollen wir uns aber versöhnen - aber die Tasche bekommen Sie nicht zurück."

Am Himmel kreisen wieder die Hubschrauber der US Marines. Der erste schwarze Präsident der US-Geschichte ist zu Besuch. Er ist vor allem gekommen, um über Handelsbeziehungen zu sprechen - auch über Rohstoffe.

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