Zu Besuch in Berlins afrikanischer Buchhandlung
8. Januar 2019Die Klassiker stehen oben rechts. Nelson Mandelas "Briefe aus dem Gefängnis", daneben eine Biografie des Nobelpreisträgers Denis Mukwege. Ihre Lieblingsecke sei aber eigentlich woanders, sagt Karla Kutzer und zeigt auf das Regal gegenüber. Dort stehen Bücher von Autorinnen, die in Deutschland noch immer unbekannt sind: Yemise Aribisala zum Beispiel, preisgekrönte Nachwuchsautorin aus Nigeria. "Unsere feministische Ecke", sagt Kutzner und lacht.
Mitte Dezember 2018 hat sie mit ihrer Geschäftspartnerin Stefanie Hirsbrunner die kleine Buchhandlung im Szeneviertel Friedrichshain offiziell eröffnet. Die erste für afrikanische Literatur in Berlin, wie die Gründerinnen versichern. Von draußen nicht mehr als ein unscheinbares kleines Ladenlokal, eingequetscht zwischen Restaurants, einem Kiosk und einer Arztpraxis. Drinnen auf knapp 20 Quadratmetern Bücher aus allen Ecken Afrikas.
"Wir wünschen uns, dass afrikanische Literatur endlich als das wahrgenommen wird, was sie ist: Weltliteratur", sagt Kutzner, "dass die Autorinnen und Autoren wahrgenommen werden, die überall auf der Welt leben und Geschichten schreiben - Geschichten, die wir nicht kennen, aber auch Geschichten, mit denen wir etwas gemeinsam haben." Rund 1000 Titel sind im Angebot, nicht nur aus Afrika. Auch Schriftsteller mit afrikanischen Wurzeln sind dabei, zum Beispiel Michelle Obama mit ihren Memoiren. Zudem gibt es Bücher zu Themen, die beide Besitzerinnen für Afrika-relevant halten: Rassismus, Integration oder Feminismus.
"Spannender Laden"
Draußen prasselt der Regen vom dunklen Berliner Winterhimmel, doch Olaf Pfeifer hat sich trotzdem durch das schlechte Wetter zur Buchhandlung gekämpft. "Ich suche ein Geschenk für meine Freundin" erzählt er und blickt auf die zwei Romane in seiner Hand. Über seiner Schulter baumelt ein Jutebeutel einer Berliner Großbuchhandlung, doch heute ist er bewusst hierher gekommen. "Der Laden war mir schon vorher aufgefallen als Kreuzung zwischen Buchhandlung und Literaturagentur. Das fand ich interessant."
Mit Afrika verbindet den 49-Jährigen nichts. Doch die Buchhandlung soll auch gerade Menschen ansprechen, die mit Afrika nur Kriege und Katastrophen verbinden - und helfen, diesen Blick zu verändern. "Unser Traum ist es, dass in Deutschland ein normaleres Bild unseres Nachbarkontinents entsteht, wie es anderswo schon der Fall ist", sagt Kutzner.
Das Ziel hatte sie - wie Co-Inhaberin Hirsbrunner - schon in ihrem früheren Berufsleben. Beide haben Politikwissenschaften studiert und anschließend in der Politik gearbeitet - mit Schwerpunkt Afrika. "Wir haben gemerkt, dass die Politik viele Wände aufstellt, die man leider nicht einreißen kann", sagt Kutzner. Unter den vielen Menschen, die sie in dieser Zeit kennen lernten, seien afrikanische Schriftsteller die spannendsten Stimmen gewesen. 2017 gründeten die beiden InterKontinental, eine Literaturagentur. 2018 veranstalten sie das erste afrikanische Literaturfestival Berlins mit gut 40 Schriftstellern und Dichtern aus Afrika.
Afrikanische Bücher sind schwer zu kriegen
Kontakte aus dieser Zeit sollen nun helfen. Bisher stehen auf den Regalen Bücher auf Deutsch, Englisch und Französisch. Doch nur ein Bruchteil der afrikanischen Literatur ist auf Deutsch übersetzt worden. Bücher aus den USA oder Frankreich zu bestellen, ist kein Problem. Schwierig wird es aber bei Autoren, die nicht von großen internationalen Verlagen publiziert werden. "Wir haben gerade Niq Mhlongo aus Südafrika zu Gast gehabt, der eine riesige Tasche mit seinen Büchern dabei hatte. Das ist ein einfacherer Vertriebsweg, als die Bücher über drei Umwege auf drei Schiffen nach Deutschland zu bringen." Bald sollen durch diese Methoden auch Bücher in afrikanischen Sprachen verfügbar sein.
Eine Kundin, die sich nur als Dominique vorstellt, möchte allerdings erstmal einen Büchergutschein für ihre Tochter kaufen. Sie hat im Lokalfernsehen einen Bericht über die Buchhandlung gesehen. "So ein Sortiment hatten wir in Berlin bisher nicht", erzählt sie, während ihr blick an den Bücherregalen entlang wandert. Ihr Vater kam einst aus Kamerun, doch Dominique bezeichnet sich selbst als ganz normales DDR-Kind. Ihr Sohn ist gleich mitgekommen. "Für mich ist es schön zu sehen, dass es hier so viele Bücher von afrikanischen und afrodeutschen Autoren gibt. Sonst sieht man die höchstens in Bibliotheken, aber hier in einem Buchladen - das ist schon ein Stück Genugtuung."