Kulinarische Reise
15. Mai 2009Das Leben im niederländischen Städtchen Harderwijk war und ist geprägt vom Wasser. Viele Jahrhunderte lang haben Familien hier vom Fischfang gelebt. Hering, Seezunge und Scholle fingen die Fischer hauptsächlich. Doch mit dem Bau eines Abschlussdeiches im Jahr 1935 änderte sich das: Aus der wilden Zuiderzee wurde das Ijsselmeer, ein gigantisches Süsswasserbecken.
Die Fischer stellten sich auf diese Situation ein - und Harderwijk wurde zum Zentrum des Aalhandels. Denn Aale sind Süßwasserfische. "Wir sind die Aalhauptstadt der Niederlande, ach, was sage ich: die Aalhauptstadt von ganz Europa", sagt Fischhändler Dries van den Berg. Seine Spezialität ist Räucheraal.
Mit den Aalen verschwinden auch die Fischer
Doch wie so viele Fische ist auch der Aal durch Überfischung und Umweltverschmutzung vom Aussterben bedroht. Die Flotte der Harderwijker Aalfischer ist von 172 auf nur drei Schiffe geschrumpft. 1980 wurden pro Jahr 5000 Tonnen Ijsselmeeraal gefangen, jetzt sind es nur noch 250 Tonnen. Von den einst 30 Aalräuchereien der Stadt ist nur die von Dries van den Berg übrig geblieben: "Ich bin der letzte Mohikaner", sagt der 52-Jährige.
Geräuchert wird bei ihm nur mit Salz. Kräuter würden das Geschmackserlebnis nur beeinträchtigen, betont von Dries. Dieser traditionell geräucherte Ijsselmeerpaling sei das Leckerste und Feinste, was man sich vorstellen könne.
Mehr als nur ein Fisch
Für van den Berg ist der Aal auch einer der faszinierendsten Fische überhaupt. Der Wanderfisch legt nach seiner Geburt Tausende von Kilometern zurück – von der Sargossa-See, dem Laichplatz der Aale, bis nach Europa.
Aal zu züchten, ist bislang noch nicht gelungen. Forscher der Universtät Leiden untersuchen derzeit, woran das liegen könnte. Die Ergebnisse seien wichtig, denn der Aal müsse vor dem Aussterben gerettet werden, sagt van den Berg. "Es geht auch um ein Stück kulturhistorisches Erbe, das erhalten bleiben muss. Gerade für uns Harderwijker ist das wichtig."
Aufs Meer fahren wie in alten Zeiten
Auf historischen Fischerbooten mit charakteristischen braunroten Segeln aus schwerem Baumwollstoff, den Botters, können Touristen auf das Ijsselmeer hinausfahren. Heute dienten die Schiffe hauptsächlich dem Freizeitvergnügen, erklärt Skipper Ad Voppen, dessen Vater ein Ijsselmeerfischer auf einem dieser Schiffe war. "Vor 100 Jahren gab es noch mehr als 2000 Botters, nun sind es nur noch 100. Als Fischer kann man damit nicht mehr sein Brot verdienen. Aber jeder, der auf so einem alten Schiff fährt, hilft diesem Denkmal, sich buchstäblich über Wasser zu halten."
Eine Rettungsaktion, die man in vollen Zügen geniessen kann – mit etwas Glück bei viel Sonne, Wind, blauem Himmel und einer Portion geräuchertem Aal als Proviant.
Autor: Kerstin Schweighöfer
Redakteur: Richard A. Fuchs