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Klimawandel beeinflusst Fortpflanzungsfähigkeit

Stuart Braun hf
15. November 2018

Eine Hitzewelle genügt und bei Käfern sinkt die Spermienzahl erheblich. Dabei mag man sich noch nicht allzu viel denken. Was aber, wenn es um weitreichendere Konsequenzen ginge – wie Ihre eigene Fertilität?

Sperma
Bild: picture-alliance/dpa/LEHTIKUVA/M. Kainulainen

Männer haben die Gefahr längst erkannt, dass sie ihre Reproduktionsorgane nicht unbedingt übermäßiger Hitze aussetzen sollten. Vor etwas mehr als zehn Jahren gab Starkoch Gordon Ramsey öffentlich zu, dass die ständige Nähe zu heißen Öfen bei ihm letztendlich zu einem Fruchtbarkeitsverlust und einer geringeren Spermienzahl geführt habe. "Meine Eier brannten buchstäblich", sagte er mit der für ihn typischen Eindeutigkeit.

Aber Küchen sind nicht die einzige Gefahrenzone. Auch langes Sitzen mit dem Laptop auf dem Schoß, regelmäßiges Saunieren oder heißlaufende Handys in engen Hosentaschen sind im wahrsten Sinne des Wortes brennende Probleme für den modernen Mann, wenn es um Fruchtbarkeit geht.

Lesen Sie mehr: Bei westlichen Männern sinkt die Spermienzahl dramatisch

Dies implizieren jedenfalls neuere Forschungen, wonach die ansteigenden Temperaturen aufgrund des Klimawandels durchaus eine Bedrohung für bestimmte Arten sein können – aber auch für uns Homo sapiens?

Wärmere Welt, weniger Spermien

Heiß, heißer - weniger fruchtbar? Bild: picture-alliance/ROPI/Piaggesi/Fotogramma

Im vergangenen Juli hat Alan Barreca, ein Umweltökonom an der University of California in Los Angeles, eine Studie veröffentlicht, die zeigte, dass sogenannte Temperaturschocks ("temperature shocks") in Zusammenhang mit dem Klimawandel die Geburtenraten senken – und das trotz erhöhter sexueller Aktivität in den Sommermonaten.

Diese Ergebnisse wurden aus insgesamt 80 Geburts- und Wetterdaten aus den USA abgeleitet und bestätigten eine höhere Anzahl von Babys, die im August und September, also neun Monate nach dem Winter, geboren wurden. Im Sommer dagegen wurden aufgrund höherer Temperaturen weniger Babys gezeugt.

Die Forscher warnten, dass die höhere Frequenz und Schwere der Hitzewellen den Rückgang der Fruchtbarkeit beschleunigen wird.

"Die Prognosen zum Klimawandel zeigen einen dramatischen Anstieg des heißen Wetters", so Barreca gegenüber der DW. "Diese Entwicklung wird unserer reproduktiven Gesundheit schaden."

Weitreichende Probleme

Diese menschliche Dimension des Problems ist jedoch nur Teil eines viel weitreichenderen Problems.

Eine Studie von Forschern der University of East Anglia, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, zeigt "klare Beweise" dafür, dass Hitzestress die "Spermienzahl und Überlebensfähigkeit" bei Insekten reduziert.

Der Klimawandel beeinträchtigt die Fortpflanzung von InsektenBild: M. Gage/M. Taylor

"Bei Warmblütern ist Hitze keine gute Sache hinsichtlich der männlichen Fruchtbarkeit", sagt Matthew Gage, Professor für Evolutionsökologie an der University of East Anglia und leitender Forscher der Studie.

Aber Menschen und andere Warmblüter können ihre inneren Fortpflanzungssysteme regulieren. Das heißt, ihre Spermien sind unter Hitzestress besser geschützt, so Gage.

Doch während Hitzewellen immer häufiger werden, haben sich bislang nur wenige mit "der Gruppe der Kaltblüter beschäftigt, wozu auch Insekten gehören. Sie machen die Mehrheit der Biodiversität auf der Erde aus", fügt Gage hinzu.

Lesen Sie mehr: Die Vielfalt der Spermien

Die Forscher hatten Käfer, die in tropischen Gebieten beheimatet sind, einer noch größeren Hitze ausgesetzt. Ihre Vermutung bestätigte sich – und noch mehr: Denn die Belastung führte nicht nur zu einem Fruchtbarkeitsverlust, sondern auch zu Fortpflanzungsschäden, die generationenübergreifende Auswirkungen haben und etwa zum Artensterben beitragen könnten.

Diese Studie ist bis dato die erste, die einen Zusammenhang zwischen Hitzewellen und langanhaltenden genetischen Schäden, sowie der Möglichkeit, dass extreme Hitze zu dauerhaft sterile Männchen führen könnte, untersuchte.

Eine Erklärung für den Artenrückgang

"Könnte das einer der Gründe sein, warum die Zahl ganzer Populationen unter dem Klimawandel zurückgeht und Arten sogar aussterben?", fragt Gage. "Offensichtlich schon. Denn wenn Sie nicht unbedingt ein überdurchschnittliches Fortpflanzungspensum haben, wird das Ihrer Art nicht helfen", sagt er.

Sperma mit dem Smartphone testen

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Eine Hitzewelle wird letztendlich vorübergehen, und eine Art kann sie überleben – aber, fügt Gage hinzu, "das kann das Problem des geschädigten Spermas nicht rückgängig machen".

Bei der Untersuchung von Insekten, die eine Hitzewelle erlebt hatten, "zeigten die Nachkommen eine verkürzte Lebensdauer und eine geringere Fortpflanzungsfähigkeit", so Gage. Dabei handele es sich um einen generationsübergreifenden Defekt.

Diese Verknüpfung ist von großer Bedeutung und potenziell verheerend für den Rückgang der Biodiversität. Dies könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen, denn alle lebenden Organismen sind letztendlich voneinander abhängig. Zum Beispiel würden auch unsere Nahrungsmittel ohne bestäubende Insekten weniger.

Brandheißes Thema

In 2017 ging eine Metastudie über abnehmende Spermienzahlen bei Männern sogar so weit, vor dem Aussterben der Menschheit zu warnen – jedenfalls dann,  wenn der Trend eines 50- bis 60-prozentigen Spermienrückgangs bei Männern aus Nordamerika, Europa und Australien von 1973 bis 2011 anhält.

Die Studie zitierte "multiple Umwelt- und Lebensstileinflüsse", die die sinkende Spermienzahl erklären könnten. Dazu gehörten pränatale endokrine Störungen, die etwa durch die Belastung mit Chemikalien oder das mütterliche Rauchen während der Schwangerschaft verursacht wurden – während die Belastung mit Pestiziden als Hauptgrund im Erwachsenenleben genannt wurde.

Dennoch fehlen schlüssige Beweise, die eine sinkende Fruchtbarkeit mit einem spezifischen Umweltproblem in Verbindung bringen.

Neue Untersuchungen zum Zusammenhang von erhöhter männlicher Unfruchtbarkeit und Klimawandel könnten daher von besonderem Interesse sein. Oder noch klarer: Sollten diese Umstände tatsächlich zu einem größeren Verlust der biologischen Vielfalt beitragen, wären die Folgen für jegliches Leben verheerend.

Deshalb haben Gage und sein Team begonnen, den Zusammenhang zwischen Hitzestress und dem Verlust der männlichen Fruchtbarkeit – und generationsübergreifenden Gendefekten – bei einer Vielzahl anderer Insekten und Kaltblütler zu verfolgen, darunter Fische, die in sehr kaltem Wasser laichen.

"Das könnten ziemlich harte Zeit werden für bedrohte Arten, die ohnehin schon unter Stress durch alle möglichen anderen Dinge – wie Lebensraumverlust oder Chemikalien – leiden", bemerkt Gage.

Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.
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