Eine Hitzewelle genügt und bei Käfern sinkt die Spermienzahl erheblich. Dabei mag man sich noch nicht allzu viel denken. Was aber, wenn es um weitreichendere Konsequenzen ginge – wie Ihre eigene Fertilität?
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Männer haben die Gefahr längst erkannt, dass sie ihre Reproduktionsorgane nicht unbedingt übermäßiger Hitze aussetzen sollten. Vor etwas mehr als zehn Jahren gab Starkoch Gordon Ramsey öffentlich zu, dass die ständige Nähe zu heißen Öfen bei ihm letztendlich zu einem Fruchtbarkeitsverlust und einer geringeren Spermienzahl geführt habe. "Meine Eier brannten buchstäblich", sagte er mit der für ihn typischen Eindeutigkeit.
Aber Küchen sind nicht die einzige Gefahrenzone. Auch langes Sitzen mit dem Laptop auf dem Schoß, regelmäßiges Saunieren oder heißlaufende Handys in engen Hosentaschen sind im wahrsten Sinne des Wortes brennende Probleme für den modernen Mann, wenn es um Fruchtbarkeit geht.
Dies implizieren jedenfalls neuere Forschungen, wonach die ansteigenden Temperaturen aufgrund des Klimawandels durchaus eine Bedrohung für bestimmte Arten sein können – aber auch für uns Homo sapiens?
Wärmere Welt, weniger Spermien
Im vergangenen Juli hat Alan Barreca, ein Umweltökonom an der University of California in Los Angeles, eine Studie veröffentlicht, die zeigte, dass sogenannte Temperaturschocks ("temperature shocks") in Zusammenhang mit dem Klimawandel die Geburtenraten senken – und das trotz erhöhter sexueller Aktivität in den Sommermonaten.
Diese Ergebnisse wurden aus insgesamt 80 Geburts- und Wetterdaten aus den USA abgeleitet und bestätigten eine höhere Anzahl von Babys, die im August und September, also neun Monate nach dem Winter, geboren wurden. Im Sommer dagegen wurden aufgrund höherer Temperaturen weniger Babys gezeugt.
Die Forscher warnten, dass die höhere Frequenz und Schwere der Hitzewellen den Rückgang der Fruchtbarkeit beschleunigen wird.
"Die Prognosen zum Klimawandel zeigen einen dramatischen Anstieg des heißen Wetters", so Barreca gegenüber der DW. "Diese Entwicklung wird unserer reproduktiven Gesundheit schaden."
Weitreichende Probleme
Diese menschliche Dimension des Problems ist jedoch nur Teil eines viel weitreichenderen Problems.
Eine Studie von Forschern der University of East Anglia, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, zeigt "klare Beweise" dafür, dass Hitzestress die "Spermienzahl und Überlebensfähigkeit" bei Insekten reduziert.
"Bei Warmblütern ist Hitze keine gute Sache hinsichtlich der männlichen Fruchtbarkeit", sagt Matthew Gage, Professor für Evolutionsökologie an der University of East Anglia und leitender Forscher der Studie.
Aber Menschen und andere Warmblüter können ihre inneren Fortpflanzungssysteme regulieren. Das heißt, ihre Spermien sind unter Hitzestress besser geschützt, so Gage.
Doch während Hitzewellen immer häufiger werden, haben sich bislang nur wenige mit "der Gruppe der Kaltblüter beschäftigt, wozu auch Insekten gehören. Sie machen die Mehrheit der Biodiversität auf der Erde aus", fügt Gage hinzu.
Die Forscher hatten Käfer, die in tropischen Gebieten beheimatet sind, einer noch größeren Hitze ausgesetzt. Ihre Vermutung bestätigte sich – und noch mehr: Denn die Belastung führte nicht nur zu einem Fruchtbarkeitsverlust, sondern auch zu Fortpflanzungsschäden, die generationenübergreifende Auswirkungen haben und etwa zum Artensterben beitragen könnten.
Diese Studie ist bis dato die erste, die einen Zusammenhang zwischen Hitzewellen und langanhaltenden genetischen Schäden, sowie der Möglichkeit, dass extreme Hitze zu dauerhaft sterile Männchen führen könnte, untersuchte.
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Eine Erklärung für den Artenrückgang
"Könnte das einer der Gründe sein, warum die Zahl ganzer Populationen unter dem Klimawandel zurückgeht und Arten sogar aussterben?", fragt Gage. "Offensichtlich schon. Denn wenn Sie nicht unbedingt ein überdurchschnittliches Fortpflanzungspensum haben, wird das Ihrer Art nicht helfen", sagt er.
Sperma mit dem Smartphone testen
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Eine Hitzewelle wird letztendlich vorübergehen, und eine Art kann sie überleben – aber, fügt Gage hinzu, "das kann das Problem des geschädigten Spermas nicht rückgängig machen".
Bei der Untersuchung von Insekten, die eine Hitzewelle erlebt hatten, "zeigten die Nachkommen eine verkürzte Lebensdauer und eine geringere Fortpflanzungsfähigkeit", so Gage. Dabei handele es sich um einen generationsübergreifenden Defekt.
Diese Verknüpfung ist von großer Bedeutung und potenziell verheerend für den Rückgang der Biodiversität. Dies könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen, denn alle lebenden Organismen sind letztendlich voneinander abhängig. Zum Beispiel würden auch unsere Nahrungsmittel ohne bestäubende Insekten weniger.
Bienen: Was bleibt uns ohne sie?
Eine Welt ohne Bienen? Unvorstellbar. Sie werden sich wundern, wie sehr wir von den fleißigen Insekten abhängig sind und wie leer unsere Supermarktregale ohne ihre Hilfe wären. Eine Bestandsaufnahme zum Weltbienentag.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach
Zuckersüße Kristalle
Was hier zu sehen ist, kommt uns allen vermutlich als erstes in den Sinn, wenn wir an Bienen denken: Honig. Hier wurden in 100-facher Vergrößerung und mithilfe von polarisiertem Licht die Zuckerkristalle sichtbar gemacht. Für ein Glas Honig müssen Bienen etwa 450.000 bis drei Millionen Blüten besuchen.
Bild: Imago/Chromorange
Gähnende Leere
Was vielen jedoch nicht so richtig bewusst ist: Der pure, klebrige Honig im Glas ist nur ein winzig kleiner Teil vom Produktionsspektrum der Bienen. Diese symbolische und werbewirksame Aktion eines Supermarkts sollte das kürzlich deutlich machen. Dabei wurden 60 Prozent der Artikel aussortiert. Sämtliche Produkte, die es ohne die fleißigen Insekten nicht geben würde. Es blieben leere Regale.
Bild: Penny/Rewe Group
Bienen Know-how
Und vor allem: Biene nicht gleich Biene. Eine Wildbiene stellt zum Beispiel keinen Honig her, ist aber eine besonders effiziente Bestäuberin - und insbesondere um sie geht es, wenn vom Bienensterben die Rede ist. Auch Hummeln zählen zu den Wildbienen-Arten. Honigbienen haben dagegen weniger Grund zu Sorge, da sie Nutztiere sind - und Bienenstöcke von Menschen gehalten werden.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach
(K)ein Apfel pro Tag
Und natürlich gibt es auch noch andere Bestäuber neben Bienen - Schmetterlinge, Fliegen oder Vögel zum Beispiel. Aber rund ein Drittel von unserem Obst und Gemüse sind von der Bestäubung durch Bienen abhängig. Dazu gehören beispielsweise Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Gurken. Und darauf würden wir alle nur ungern verzichten, oder?
Bild: picture-alliance/dpa/F.Rumpenhorst
Kleine Warenkunde
Aber zurück in den Supermarkt. Es ist offensichtlich, dass hier ohne Bienen nicht nur die Obst- und Gemüseregale leer bleiben. Darüber hinaus fehlen all die Lebensmittel, die den Zusatzstoff E 901 beinhalten, was der europäischen Zulassungsnummer von Bienenwachs entspricht. Von solchen Produkten gibt es eine ganze Menge.
Bild: Penny/Rewe Group
Multifunktional
Derzeit ist Bienenwachs aus der Lebensmittelindustrie nicht mehr wegzudenken. Es kommt zum Beispiel - wie hier - als Überzugs- und Trennmittel von Fruchtgummi zum Einsatz, damit die Gummibärchen nicht alle aneinanderkleben - ein Glück! Das gleiche gilt für eine ganze Reihe anderer Süß- und Backwaren.
Bild: DW/A. Maciol
Hübsch und haltbar
Und warum unsere Schokolade oft so schön aussieht? Nicht, weil wie hier Insekten darauf drapiert sind. Aber auch hier gilt der Dank den fleißigen Bienen oder E 901, das Schokolade hübsch glänzen lässt. Auch Obst und Gemüse ist oft als "gewachst" deklariert, damit es weniger Feuchtigkeit verliert und länger haltbar bleibt - und appetitlich(er) aussieht.
Apropos Schokolade: Ohne Bienen wird es die auch nicht mehr in Hülle und Fülle geben, denn auch hier leisten unsere Bienen bei der Bestäubung ganze Arbeit. Im Notfall bliebe nur die äußerst mühsame und viel ineffizientere Bestäubung per Hand. Das gleiche gilt übrigens für Nüsse.
Bild: picture-alliance/Prisma/C. Heeb
Koffeeinkick für alle
Nicht nur wir Menschen, auch Bienen stehen auf Koffein, das hat ein Experiment mit koffeeinfreiem und koffeeinhaltigem Zuckerwasser gezeigt. Dabei suchten die fleißigen Insekten selbst nach dem Versiegen der Quelle noch unentwegt nach einem Koffeeinkick. Gleichzeitig sorgen Bienen durch Bestäubung aber auch für unseren (hoffentlich) nie versiegenden Vorrat an Kaffeebohnen.
Bild: Deutscher Kaffeeverband e.V.
Verlorene Vielfalt
Wie viele Produkte dank der Bemühung der Bienen in unserem Einkaufswagen landen, lässt sich trotzdem nur schwer aufzeigen - da zu den eben genannten Artikeln zum Beispiel diverse Gewürze, Marinaden, Milchprodukte oder sogar Toilettenpapier mit Kamillenblütenduft hinzukommen. Wovon wir zum Teil womöglich weniger abhängig sind als von Obst und Gemüse....
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert
Ein Hoch auf unsere Bienen!
Dennoch wird deutlich, wie sehr wir von der harten Arbeit der Tiere profitieren und dass wir uns ohne die tatkräftige Unterstützung der Insekten ganz schön umstellen müssten. Nicht nur am Weltbienentag sollten wir ihnen deshalb Tribut zollen.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst
Wie helfen?
Zum Schutz der Bienen geht es nicht nur um eine möglichst zurückhaltende Nutzung von Pestiziden durch die Landwirtschaft. Auch Sie können etwas tun, um die Tiere zu schützen: Insektenhotels dienen Bienen als Nist- und Überwinterungsmöglichkeit, Blumen im Balkonkasten und Obstbäume auf der der Wiese sind eine sichere Nahrungsquelle.
Bild: DW/S. Pabst
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Brandheißes Thema
In 2017 ging eine Metastudie über abnehmende Spermienzahlen bei Männern sogar so weit, vor dem Aussterben der Menschheit zu warnen – jedenfalls dann, wenn der Trend eines 50- bis 60-prozentigen Spermienrückgangs bei Männern aus Nordamerika, Europa und Australien von 1973 bis 2011 anhält.
Die Studie zitierte "multiple Umwelt- und Lebensstileinflüsse", die die sinkende Spermienzahl erklären könnten. Dazu gehörten pränatale endokrine Störungen, die etwa durch die Belastung mit Chemikalien oder das mütterliche Rauchen während der Schwangerschaft verursacht wurden – während die Belastung mit Pestiziden als Hauptgrund im Erwachsenenleben genannt wurde.
Dennoch fehlen schlüssige Beweise, die eine sinkende Fruchtbarkeit mit einem spezifischen Umweltproblem in Verbindung bringen.
Neue Untersuchungen zum Zusammenhang von erhöhter männlicher Unfruchtbarkeit und Klimawandel könnten daher von besonderem Interesse sein. Oder noch klarer: Sollten diese Umstände tatsächlich zu einem größeren Verlust der biologischen Vielfalt beitragen, wären die Folgen für jegliches Leben verheerend.
Deshalb haben Gage und sein Team begonnen, den Zusammenhang zwischen Hitzestress und dem Verlust der männlichen Fruchtbarkeit – und generationsübergreifenden Gendefekten – bei einer Vielzahl anderer Insekten und Kaltblütler zu verfolgen, darunter Fische, die in sehr kaltem Wasser laichen.
"Das könnten ziemlich harte Zeit werden für bedrohte Arten, die ohnehin schon unter Stress durch alle möglichen anderen Dinge – wie Lebensraumverlust oder Chemikalien – leiden", bemerkt Gage.
Rote Liste: Einigen Arten geht es besser, anderen schlechter
Immer mehr Pflanzen und Tiere drohen auszusterben. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) behält sie im Auge und veröffentlicht seit über 50 Jahren die Rote Liste bedrohter Tierarten. Manchmal gibt es sogar positive Meldungen.
Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS/VW Pics
Pflanzen- und Tierwelt im Blick
Von der IUCN werden für die Rote Liste rund 97.000 Pflanzen- und Tierarten – von insgesamt etwa 1,7 Millionen bisher beschriebenen Arten – unter
die Lupe genommen. Fast 27.000 von ihnen gelten als bedroht. Das sind
10.000 mehr als noch vor knapp zehn Jahren. Doch beginnen wir lieber mit erfreulicheren Nachrichten, wie der von diesem Berggorilla.
Bild: Reisedoktor/Wikipedia
Ein Glück!
Der Bestand der Berggorillas hat sich deutlich vergrößert. Laut IUCN ist die Zahl der Tiere in den vergangenen zehn Jahren von etwa 680 auf mehr als 1000 gestiegen. Das liegt nicht zuletzt an den Maßnahmen gegen Wilderer, was wiederum zeigt: Schutzgebiete wirken.
Bild: picture-alliance/dpa/WWF
Wale können au(s)fatmen
Auch die Finnwale gelten nicht mehr als "gefährdet", sondern sind nun als "verletzlich" aufgeführt. Die Zahl habe sich seit den 1970ern auf rund 100.000 Exemplare ungefähr verdoppelt, so die IUCN. Auch die Situation der Grauwale, die bisher als "vom Aussterben bedroht" galten, habe sich verbessert. Auch hier zeigen Maßnahmen, wie die Verbote des kommerziellen Walfangs, Wirkung.
Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS/VW Pics
Gedämpfte Euphorie
Zugleich warnten die Experten aber auch vor Problemen durch Überfischung. So seien 13 Prozent der Zackenbarsch-Arten weltweit und neun Prozent der rund 450
Fischarten im ostafrikanischen Malawisee vom Aussterben bedroht. "Der Artenrückgang beeinflusst den Preis von Fisch weltweit erheblich und reduziert die Lebensmittelsicherheit für Millionen Menschen", so die IUCN.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/H. Schmidbauer
An der Schwelle zum Aussterben
Die Population der Mexikanischen Gopherschildkröte, der größten nordamerikanischen Schildkrötenart, ist nach neuesten Zahlen in den letzten 30 Jahren um über 64 Prozent zurückgegangen. Damit gilt sie nicht mehr als "verletzlich", sondern als "stark gefährdet". Ein Grund hierfür: Der Lebensraum der Schildkröte schrumpft.
Bild: picture alliance /Wildlife
Konsum über Konservation
Eine besorgniserregende Entwicklung sehen die IUCN-Experten auch beim Adlerholzbaum. Die vermehrte Nachfrage in China nach Bau- und Möbelholz führe zu Raubbau in Afrika. Inzwischen stehen alle Arten des Adlerholzbaumes auf der Roten Liste. Teile des Baumes werden auch in der Parfüm- und Duftindustrie gebraucht, was das Holz zu einem der teuersten der Welt macht.
Bild: picture-alliance/imageBROKER/K.-W. Friedrich
Gestank hilft nicht
Die gigantische Titanwurz ist für ihre große Blüte und für ihren Gestank berüchtigt. Sie wurde erstmals als "gefährdet" eingestuft. In den letzten 150 Jahren ist ihr Bestand um 50 Prozent zurückgegangen. Primär, weil ihr Lebensraum auf Sumatra und Indonesien aufgrund von Palmölplantagen schwindet. Damit steht sie symbolisch für viele Pflanzen und Tiere, die auf der Roten Liste der IUCN stehen.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Gollnow
Die Letzten ihrer Art
Einige weitere Beispiele für gefährdete Tiere sind der Große Panda, dessen Bestand weltweit auf 1000 bis 2000 Exemplare geschätzt wird, oder das Sumatra-Nashorn, mit einer Population von rund 200 Tieren. Insgesamt sind 25 Prozent der Säugetiere, die IUCN und ihre Partner untersucht haben, bedroht. Die Rote Liste wird seit 1963 veröffentlicht und fasst die Aufzeichnungen vieler Staaten zusammen.