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Was schützt Babys vor Masern?

Sophia Wagner
12. Mai 2019

Je mehr Eltern sich gegen das Impfen stellen, desto höher ist das Gesundheitsrisiko für Kinder, die noch zu jung für den Schutz sind. Wie kann man sein Kind trotzdem schützen?

Impfung gegen Masern, Saeugling bekommt eine Impfung gegen Masern
Bild: imago images/photothek

Als Jessicas Tochter neun Monate alt war, wurden die beiden während eines Besuchs beim Kinderarzt plötzlich aus dem allgemeinen Wartebereich in ein anderes Zimmer gebracht. Der Grund: Ein mit Masern infiziertes Kind war in die Praxis gekommen.

"Wir durften den Raum erst eine halbe Stunde später wieder verlassen, als alles gut durchgelüftet und desinfiziert war", erzählt Jessica. Ein Erlebnis, das die junge Mutter geprägt hat: "Alleine das Gefühl zu wissen, hier ist jemand mit Masern, und mein Kind hat noch keinen Schutz, ist schrecklich. Ich habe meine Tochter danach täglich abgesucht, aus Angst, sie hätte sich angesteckt."

Masern sind hochansteckend

Einen Angst, die nicht unbegründet ist. Schließlich sind Masern eine der ansteckendsten Krankheiten überhaupt. Die Übertragungsrate liegt bei 95 Prozent, auch ohne Kontakt mit Körperflüssigkeiten. Es reicht schon, sich im gleichen Raum mit einem Masern-Infizierten aufzuhalten.

Jessicas Tochter hat sich zum Glück nicht angesteckt, die Quarantäne im Nebenzimmer hat sie geschützt.  Heute ist die Kleine 18 Monate alt, schon lange geimpft und eigentlich alt genug für den Kindergarten. Aber Jessica will noch warten, denn sie bekommt bald ihr zweites Kind.

Bis das neue Baby alt genug fürs Impfen ist, möchte sie kein Risiko eingehen. "Das Baby könnte sich überall anstecken, das ist mir bewusst. Aber das Risiko, dass wir im Kindergarten mit Masern in Kontakt kommen, ist mir einfach zu groß."

Von Krabbelgruppen oder Kitas geht im Normalfall keine erhöhte Ansteckungsgefahr ausBild: picture-alliance/dpa

So wie Jessica geht es auch vielen Müttern und Vätern in anderen Ländern. Zum Beispiel in den USA, wo die Zahl der Masernfälle im diesem bereits stark zugenommen hat. 839 Fälle wurden 2019 bereits gemeldet, das sind jetzt schon doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2018.

In Bezirken mit aktiven Ausbrüchen trauen sich viele besorgte Eltern überhaupt nicht mehr mit ihren Kindern aus dem Haus. Vor allem wenn die noch zu jung für die erste Impfung sind. In den USA gibt es die erste Masern-Impfung erst ab dem zwölften Lebensmonat, in Deutschland ab dem elften.

Babys haben Nestschutz

Laut dem Berliner Kinder- und Jugendarzt Dr. Martin Terhardt sind ungeimpfte Babys den Masern im Normalfall aber keineswegs schutzlos ausgeliefert: "Sie haben den sogenannten Nestschutz. Diese erste Immunität besteht aus mütterlichen Antikörpern, die das Kind durch die Plazenta bekommt.“

Durch diesen Nestschutz sind Babys während der ersten Monate vor Infektionen geschützt. Spätestens ab dem 11. Monat ist der Nestschutz abgebaut, dann sollte man seine Kinder impfen lassen. 

Impfen - Schutz oder Risiko?

09:32

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Die schützende Leih-Immunität ist heute allerdings nicht mehr so effektiv. Schuld daran ist paradoxerweise die Masernimpfung. Sie löst im Körper eine schwächere Immunantwort als die tatsächliche Infektion aus. Geimpfte Mütter geben deshalb wesentlich weniger Antikörper an ihre Kinder weiter, als Mütter, die tatsächlich die Masern hatten.

Zusätzlich lässt der Nestschutz bei Babys von geimpften Müttern auch schneller nach. "Das ist ein großes Problem und auch der Grund dafür, warum wir zurzeit relativ viele Fälle haben, in denen auch kleine Kinder sich anstecken", sagt der Kinderarzt Terhardt.

Um dem entgegenzuwirken könnte man theoretisch den ersten Impfzeitpunkt vom 11. Monat auf den 9. Monat vorziehen, wie dies in Ausnahmesituationen bereits gemacht wird. Ab diesem Zeitpunkt ist der Wirkstoff in Deutschland zugelassen.

Neugeborene sind in den ersten Monaten durch die Antikörper der Mutter vor vielen Krankheiten geschütztBild: picture alliance/dpa/U. Anspach

Diese Möglichkeit findet Jessica für ihr zweites Kind durchaus interessant: "Ich würde das Baby gerne frühzeitig impfen lassen. Dann würde ich mir weniger Gedanken machen und könnte Kurse besuchen, bei denen auch ältere Geschwisterkinder dabei sind."

Allerdings erhöht sich bei einem früheren Impfzeitpunkt auch die Gefahr, dass eine eventuell unerkannte Immunschwäche besteht. Für solche Kinder wäre die Masern-Impfung gefährlich, denn es handelt sich dabei um einen Lebendimpfstoff mit abgeschwächten Viren. Statt einer Vorverlegung des Impftermins hält Terhardt deshalb eine hohe Impfabdeckung für den besten Schutz.

So kann man Kleinkinder schützen

Vor allem Frauen mit Kinderwunsch sollten ihren Impf-Status checken lassen. Denn nur wer geimpft ist oder selbst die Masern hatte, der hat auch Antikörper gegen die Krankheit. In der Schwangerschaft kann man nicht mehr geimpft werden.

"Wer keine Antikörper hat, kann sie auch nicht weitergeben. Die Kinder dieser Mütter haben keinen Nestschutz und können sich von Anfang an mit Masern anstecken“, erläutert Dr. Martin Terhardt.

Passend zu Jessicas Erlebnis mit ihrer kleinen Tochter hält der Kinderarzt vor allem Arztpraxen für den Ort, an dem die meisten Ansteckungen passieren: "Wer mit einem ungeimpften Kind zum Arzt muss, kann vorher anrufen und fragen, ob es separate Wartemöglichkeiten gibt.“

Wer Kinder plant sollte frühzeitig seinen Impfstatus checken, damit das Kind in den ersten Monaten geschützt istBild: Sven Bähren/Fotolia

Anders als von vielen Eltern befürchtet, sind Kindergärten und Krabbelgruppen keine Hochrisikogebiete in Sachen Masern. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Kleinkinder meistens nicht bei Gleichaltrigen anstecken, sondern vor allem bei Erwachsenen und Jugendlichen.

Während eines größeren Masern-Ausbruchs sollte man deshalb öffentliche Verkehrsmittel meiden. Das gilt vor allem für die U-Bahn, in der es nur wenig Luftzirkulation gibt. Denn die hohe Ansteckungsrate von 95 Prozent gilt nur für geschlossene Räume, an der frischen Luft ist das Ansteckungsrisiko deutlich geringer.

Momentan ist die Zahl der Masernfälle in Deutschland gering. Bis Mitte Mai gab es laut Robert Koch – Institut 392 Meldungen. Nur 25 dieser Fälle betrafen Kinder unter einem Jahr.

Jessica ist trotzdem für eine allgemeine Impfpflicht. Dabei geht es ihr nicht nur um ihrer eigenen Kinder: „Ich finde das richtig, nicht nur, um mich selbst zu schützen, sondern auch alle anderen Menschen um mich herum. Meine Tochter ist voll geimpft, wir sind es, und das Baby wird ebenso geimpft.“

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