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Zu lange unterschätzt

Frank Sieren28. Februar 2014

Unter Smartphone-Besitzern lautete die Glaubensfrage bisher stets: Apple oder Samsung? Doch es wird höchste Zeit, sich zwei chinesische Namen zu merken, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

Chinesische Models präsentieren Huawei Smartphones (Foto
Bild: Imago/XINHUA

Derzeit sind zwei chinesische Smartphone-Hersteller so intensiv im Gespräch wie noch nie zuvor. Das ließ sich in den vergangen Tagen gut in Barcelona beobachten. Dort treffen sich alle großen Handyhersteller zum Mobile World Congress, der wichtigsten Messe der Branche. Fast alle, muss man sagen. Apple meidet die Veranstaltung seit Jahren und stellt seine neuen Produkte lieber auf seinen hauseigenen "Keynotes" am Stammsitz in Palo Alto vor. Doch das bedeutet nicht, dass Samsung als der härteste Konkurrent Apples in Barcelona das Rampenlicht für sich alleine beanspruchen kann. Zwar schrieben die versammelten Tech-Journalisten pflichtbewusst über die Präsentation des S5, dem neuen Top-Modell der Südkoreaner. Mindestens genauso viel Aufmerksamkeit widmeten sie dieses Mal aber auch zwei Unternehmen aus China.

Zum einen ist da Huawei: Still und leise hat sich das Unternehmen aus Shenzhen im Süden Chinas in den vergangenen Jahren hinter Samsung und Apple auf den dritten Platz der weltgrößten Smartphone-Verkäufer geschoben. Und in Barcelona machten die Konzernmanager deutlich, dass auch sie gerne an der Spitze stehen möchten. Sie überraschten mit einer Produktoffensive und stellten gleich fünf neue Geräte vor, darunter neben neuen Tablet-Computern und Smartphones auch ein Smart-Armband, das den Träger stets über neue E-Mails informiert, seine Schlafphasen auswertet oder die täglich zurückgelegten Schritte zählt.

Tablet, Smart-Phone, Smart-Armband

Noch mehr Aufmerksamkeit als Huawei schenkte die Branche in Barcelona allerdings Lenovo. Kein Wunder: Das Pekinger Unternehmen liegt zwar momentan hinter LG noch auf Platz fünf der weltgrößten Smartphone-Hersteller. Doch vor einigen Wochen überraschte Lenovo mit einer Nachricht, die die Rangliste schon bald zu ihren Gunsten beeinflussen dürfte. Die Chinesen gaben bekannt, Motorola kaufen zu wollen. Das ließ die Konkurrenz aufhorchen. Natürlich nimmt die Branche diese Übernahme ernst, weil sie nicht den gleichen Fehler begehen will, wie die Kollegen aus der Computerindustrie vor zehn Jahren schon. Damals wurde Lenovo belächelt, weil es die PC-Sparte von IBM für 1,75 Milliarden US-Dollar kaufte. Fast niemand in der Branche traute den Chinesen zu, das Qualitätsniveau der Marke ThinkPad und den Weltmarktrang zu halten. Vor allem die beiden weltgrößten Hersteller Dell und HP unterschätzten die chinesischen Aufsteiger fahrlässig. Die Weltwirtschaftskrise von 2008 bis 2009 läutete die Wende ein. Während im Westen die Nachfrage einbrach, kurbelte die chinesische Regierung den Konsum an, indem sie auch Rabatt auf Elektronik gab. So konnte sich Lenovo nach und nach auf Platz eins der Weltrangliste schrauben. Und das nicht nur über Masse, sondern auch über Innovation. Die Notebooks sind ebenso innovativ wie die der westlichen Wettbewerber. Doch was bringt schon die Führung in einem Markt, der seinen Zenit überschritten hat? In China ziehen die Computerverkäufe zwar noch an, weltweit stagnieren sie aber bestenfalls.

"Lenovo und Huawei haben Weltmarktführer-Potential", meint Frank SierenBild: Frank Sieren

Vorteil Heimatmarkt

Das neue Wachstumsgeschäft sind längst Smartphones und Tablets. Sowohl Lenovo als auch Huawei haben eine gute Ausgangsposition, um den Weltmarkführern Samsung und Apple auf die Pelle zu rücken. Ihr größter Vorteil liegt auf der Hand: China, der Heimatmarkt der beiden Hersteller, ist gleichzeitig der größte Markt der Welt. Wer hier an der Spitze steht, hat es auch leichter, den gesamten Weltmarkt anzuführen. Von den rund eine Milliarde Smartphones, die im vergangenen Jahr weltweit verkauft wurden, ging mehr als jedes dritte Gerät in China über den Ladentisch. Noch ist Samsung auch hier Marktführer. Allerdings ist der Marktanteil der Südkoreaner zuletzt von 20 auf 18 Prozent geschrumpft. Lenovos Marktanteil dagegen ist von 11 auf 14 Prozent gestiegen. Dass dieser Trend sich fortsetzt und Lenovo sich in China an die Spitze setzen wird, ist schon ausgemachte Sache. Die Frage lautet nur noch: wann?

Nächstes großes Ziel ist dann der zweitwichtigste Markt der Welt: Amerika. Die 2,9 Milliarden US-Dollar, die Lenovo für den Kauf von Motorola ausgegeben hat, lohnen sich hier in jedem Fall. Denn die Chinesen bekommen ein eingespieltes, amerikanisches Vertriebssystem, mit dem sie nun ihre beiden Marken Lenovo und Motorola anbieten können. Es würde Jahre dauern, so etwas selbst aufzubauen.

Stoppen könnte die Pekinger auf ihrem Weg zum Weltmarktführer dann eigentlich nur noch eines: Ein handfester Skandal. Mit dem hatte zuletzt Huawei in den USA zu kämpfen. Vor zwei Jahren warnte niemand geringeres als der US-Kongress vor Huawei. Angeblich seien in der Technik der Chinesen Einfallstore für Hacker und Spione eingebaut, hieß es in einem Bericht. Diese Vorwürfe wurden nach einer Untersuchung durch Mitarbeiter des Weißen Hauses fallengelassen, doch das Misstrauen blieb bei vielen Nutzern hängen. Ohne diesen Skandal wäre auch Huawei noch näher an die beiden Marktführer herangerückt. Schneller als wir heute denken, werden zwei chinesische Unternehmen in China und dann in der Welt um die Vorherrschaft kämpfen.