Was können wir gegen Übertourismus tun?
22. Mai 2025
Tourismus boomt auf der ganzen Welt. Mit rund 1,5 Milliarden Ankünften erreichte das globale Reiseaufkommen vergangenes Jahr den zweithöchsten Rekord nach 2019. Ob auf Gran Canaria, Mallorca, in Rom oder im österreichischen Hallstadt: An vielen beliebten Orten dieser Welt ist es mittlerweile eng geworden vor lauter Reisenden.
Diesen übermäßigen Andrang von Urlauberinnen und Urlaubern an einen Ort, oft zur selben Zeit und das in Massen, nennt man: Übertourismus – so die Definition im führenden deutschen Wörterbuch, dem Duden.
Die UN-Welttourismusorganisation UNWTO spricht von Übertourismus, wenn Einheimische oder Besuchende das Gefühl haben, dass sich "die Lebensqualität in der Region oder die Qualität des Erlebnisses durch den Tourismus in inakzeptabler Weise verschlechtert hat."
All das trifft etwa auf die sieben Kanarischen Inseln zu. Auf dem Archipel im Atlantik leben 2,2 Millionen Einheimische. An Besucherinnen und Besuchern kamen im vergangenen Jahr insgesamt 15,2 Millionen – und für dieses Jahr wird ein neuer Rekord erwartet.
Zwar trägt der Tourismus zu mehr als einem Drittel zur Wirtschaft der Inseln bei. Doch nach Angaben lokaler Verbände profitieren davon vor allem große Investoren. Da sich mit Kurzzeitvermietungen mehr Geld machen lässt, werde Wohnraum für die einheimische Bevölkerung knapp, die Mieten explodierten und die Umwelt leide.
Welche Folgen hat Übertourismus für die Umwelt?
Lärm, Vermüllung, Drohnen fliegen für Urlaubsaufnahmen durch die Luft, es entstehen Staus. Oft wird die Landschaft durch Trampelpfade verändert oder durch geplante Flächenversiegelung für Parkplätze. Und das beeinträchtigt nicht nur die Menschen vor Ort, sondern auch die Tier- und Pflanzenwelt.
Vor allem auf Inseln und in warmen Regionen bedroht Tourismus die Wasserressourcen. Denn Urlaubsgäste verbrauchen in der Regel mehr Wasser als Einheimische – am meisten übrigens diejenigen, die wohlhabend sind. Auch das Schmutzwasser ist oft ein Problem. So hat das vor der beliebten spanischen Baleareninsel Mallorca ins Meer eingeleitete Abwasser die Seegraswiesen stark schrumpfen lassen - und die sind wichtige Helfer gegen die Klimakrise.
Diese Probleme treten generell im Zusammenhang mit starkem Tourismus auf. Doch ein übermäßiger Ansturm an Menschen, also der Übertourismus, wirkt wie ein zusätzliches Brennglas. Infrastruktur und Ressourcen werden überansprucht.
Befeuert Übertourismus die Klimakrise?
Die Emissionen aus dem Tourismusverkehr sind zwischen 1995 und 2019 um 65 Prozent gestiegen. Insgesamt ist der Tourismus ist für acht bis zehn Prozent aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Hauptursache für den Emissionsanstieg ist der Flugverkehr. Flugreisen machen heute ein Viertel aller touristischen Reisen aus, sind aber für drei Viertel der dabei entstehenden Emissionen verantwortlich. Dazu kommen Emissionen, die durch den Transport vor Ort, durch Beherbergung oder Bewirtung und Freizeitaktivitäten entstehen.
Auch hier gilt: Die Emissionen entstehen unabhängig davon, ob Reiseziele vom Übertourismus geplagt sind oder nicht. Allerdings führt die grundsätzlich gestiegene Reisefreudigkeit eben häufig zum Übertourismus: Sind mehr Menschen unterwegs, wird es in besonders beliebten Zielen voller.
Dazu kommt, dass Kurztrips immer beliebter werden. Allein die Deutschen unternahmen im vergangenen Jahr rund 94 Millionen Kurztrips – im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um fast ein Viertel (24 Prozent). Diese Art zu reisen verursacht jedoch besonders viele Treibhausgas-Emissionen, denn den größten Anteil am CO2-Ausstoß eines Urlaubs machen An- und Abreise aus. Mehr Kurztrips gleich mehr An- und Abreisen - gleich mehr Emissionen.
Wie kommt es zu Übertourismus?
Laut der Schweizer Non-Profit-Organisation fairunterwegs haben vor allem Flugangebote entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung einer Destination. Demnach begünstigt ein nahgelegener Flughafen das Entstehen von Tourismus-Hotspots, vor allem, wenn Billig-Airlines Verbindungen dorthin anbieten. Vermutlich wäre etwa Mallorca nicht so beliebt, müsste man per Schiff anreisen.
Auch Kreuzfahrtschiffe stehen in der Kritik, das Problem weiter zu verschärfen: Tausende Menschen gehen für wenige Stunden an Land, belasten lokale Infrastruktur und Ressourcen, hinterlassen aber kaum Geld vor Ort, da sie in der Regel komplett an Bord versorgt werden.
Und dann gibt es noch das Phänomen des sogenannten Set-Jettings. Die Drehorte beliebter Fernsehserien lassen die Besucherzahlen häufig exorbitant steigen. Auf Maui und Sizilien, den Drehorten der Satire-Serie "The White Lotus" stieg die Gästezahl jeweils um 20 Prozent. Nach Bekanntwerden von Koh Samui in Thailand als Setting der jüngsten Staffel schossen die Suchanfragen zu der Insel bei Online-Reisebüros enorm in die Höhe.
Dubrovnik in Kroatien leidet unter einem "Game-of-Thrones-Tourismus". Und im österreichischen Hallstadt kämpft eine Bürgerinitiative gegen Übertourismus, der vermutlich durch die südkoreanische Netflix-Serie "Spring Waltz" entstand.
Lässt sich Übertourismus verhindern?
Einige Städte und Regionen, die unter Übertourismus leiden, versuchen, die Zahlen der Reisenden ganz oder zu bestimmten Zeiten einzuschränken.
In Venedig müssen Tagestouristen bis zu zehn Euro Eintritt zahlen. Lissabon bittet Betreiber von Kreuzfahrtschiffen für jeden Passagier, der von Bord geht, mit zwei Euro zur Kasse. Teneriffa beschränkt den Zugang zum Gipfel des Vulkans Pico del Teide auf 300 Besuchende pro Tag.
Wer in Paris seinen Hauptwohnsitz über Plattformen wie Airbnb vermieten will, muss das anmelden, erlaubt sind maximal 120 Tage pro Jahr. Und Thailand macht dieses Jahr bis Herbst die beliebten Inseln Similan Islands und Surin Islands dicht, damit sich die Natur erholen kann. Außerdem werden künftig Eintrittsgelder fällig.
Eine Patentlösung, die für alle zu beliebten Urlaubsorte gilt, gibt es nicht. Neben Zugangsbeschränkungen und höheren Übernachtungssteuern ist es sinnvoll, Besucherströme räumlich und zeitlich gezielt zu lenken.
Digitale Buchungssysteme vermeiden Warteschlangen vor Monumenten oder Museen. Manche Tourismus-Hotspots fördern touristische Attraktionen außerhalb des Stadtzentrums. Und wer sich in der Nebensaison attraktiver macht als in der Hauptsaison, schafft vielleicht eine gleichmäßigere Verteilung der Reisenden über das Jahr.
Sympathisch ist der Umgang von Kopenhagen mit seinen Touristinnen und Touristen: Wer mit dem Zug anreist, wird mit kostenlosen Leihfahrrädern, Yoga-Stunden, Führungen oder ermäßigten Eintrittspreisen belohnt. So profitieren Umwelt, Reisende und die lokale Wirtschaft gleichermaßen.