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Zu wenig Strom wegen zu wenig Wasser in Türkei, Syrien, Irak

Stuart Braun
19. September 2024

Der Nahe Osten leidet unter immer mehr Dürren. Das beeinträchtigt auch die Stromproduktion. Gibt es Auswege? Und welche Rolle spielt der Klimawandel?

Ein Kind steht auf einem verdorrten Boden
Die Klimaerwärmung führt zu immer mehr Dürre. Das gefährdet die Landwirtschaft und Wasserkraft im Nahen Osten.Bild: Rami Alsayed/NurPhoto/picture alliance

Weltweit leiden immer mehr Menschen unter schweren Dürren und Wasserknappheit. Zu den Ursachen gehören der von Menschen verursachte Klimawandel und der  temporäre Wettereffekt El Niño.

Die zunehmende Wasserknappheit behindert auch die Stromerzeugung mit Wasserkraft. Dabei ist sie die derzeit größte Quelle für erneuerbare Energie. Rund 14 Prozent des globalen Strombedarfs wurde 2023 durch Wasserkraft erzeugt, bis 2050 sollten es laut Berechnungen der Internationalen Energiebehörde IEA doppelt so viel sein, um das 1,5 Grad Ziel einzuhalten. 

Bereits in der ersten Jahreshälfte 2023 war die weltweite Wasserkraftproduktion um historische 8,5 Prozent eingebrochen. Hauptverursacher war eine extreme Dürreperiode mit austrocknenden Flüssen und Staubecken in China, das weltweit den meisten Strom aus Wasserkraft erzeugt. 

Auch anderswo gibt es Probleme.

Euphrat und Tigris können Wasserkraftwerke kaum versorgen

Schon seit längerem leiden die Wasserkraftwerke im Nahen Osten unter zunehmender Trockenheit, sogar im einst besonders fruchtbaren Einzugsgebiet der Flüsse Euphrat und Tigris. Das Zweistromtal ist "eine der am schnellsten austrocknenden Regionen der Welt", sagt Benjamin Pohl, Leiter des Programms für Klimadiplomatie und Sicherheit beim deutschen Thinktank Adelphi.

Euphrat und Tigris entspringen in der Osttürkei und fließen durch Syrien und den Irak bevor sie in den persischen Golf münden. Das Flusssystem versorgte einst die "Wiege der menschlichen Zivilisation", so Pohl im DW Interview.

Staudamm Darbandikhan im Irak: Wenn Niederschläge fehlen, ist auch die Stromproduktion gedrosselt.Bild: Daniela Sala

Doch die anhaltende Dürre mit hoher Verdunstung und geringeren Niederschlägen macht die Wasserressourcen immer knapper. Darum haben die Anrainerstaaten wachsende Probleme, sowohl Landwirtschaft als auch die Kraftwerke mit Wasser zu versorgen. 

Bei drei Wasserkraftwerken, die vor etwa 30 Jahren an den Quellen von Euphrat und Tigris in der Türkei gebaut wurden, ging die Stromerzeugung seitdem um 25 Prozent zurück. Das zeigen Untersuchungen des Wasserexperten Dursun Yildiz, der die türkische Nichtregierungsorganisation Hydropolitics Association leitet.

"Der Rückgang bei der Stromerzeugung steht im engen Zusammenhang mit den Dürren in der Region", so Yildiz. Er geht davon aus, dass die abnehmenden Niederschläge und Schneefälle mit dem Klimawandel zusammenhängen. Bis Ende des Jahrhunderts werde dadurch im Euphrat 30 bis 40 Prozent der derzeitigen Wassermenge verloren gehen.

Die wachsende Wasserknappheit beeinträchtigt auch die Länder flussabwärts.

Irak: Probleme für die Stromversorgung im Land 

Staudämme im Iran verringern außerdem "die Zuflüsse in den Irak", erklärt Benjamin Pohl. 

Laut einer Studie von Sameer Algburi, Energie-Experte an der Al-Kitab-Universität im Nordirak, hatte sich die Strömung der beiden Flüsse schon im Jahr 2019 verlangsamt, weil Anrainerstaaten wie die Türkei Wasser für ihre eigene Bewässerung und Wasserkraft zurückhalten.

Eigentlich liegt hier in den mesopotamischen Marschen entlang des Euphrats eines der fruchtbarsten Gebiete der Erde. Früher weideten hier viele Tiere, doch jetzt fehlt das Wasser.Bild: Arshad Mohammed/AA/picture alliance

Algburi hat mit 12 verschiedenen Klimamodellen die Verlangsamung der Wasserströme über die Jahrzehnte berechnet. Er prognostiziert, dass der Klimawandel den Rückgang beschleunigen und bis 2050 zu Einbußen bei der Wasserkraft zwischen fünf und 18 Prozent führen wird.

Das mag wenig erscheinen im Vergleich mit dem schon erfolgten Rückgang von 25 Prozent in der Türkei. Doch der zusätzliche Verlust in der Stromproduktion werde "das irakische Energiesystem wahrscheinlich erheblich belasten", so Algburi gegenüber DW.

Das Land hat bereits jetzt Probleme, seinen Energiebedarf zu decken. Wasserkraft ist eine wichtige erneuerbare Energiequelle, die die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas verringert.

Extreme Dürrephasen im Einzugsgebiet von Euphrat und Tigris sind seit dem globalen Anstieg der Temperaturen erheblich häufiger geworden sind. Inzwischen treten sie im Schnitt alle zehn Jahre auf, früher nur etwa alle 250 Jahre. Das zeigt ein Bericht der World Weather Attribution (WWA), einer in London ansässigen Denkfabrik, die den Zusammenhang zwischen extremen Wetterereignissen und dem Klimawandel untersucht.

Da die Bevölkerung im Irak zunehmend unter extremer Hitze und Dürre leidet, kann erneuerbare und zuverlässige Wasserkraft ein wichtiges Mittel sein, um zum einen den Klimawandel zu bekämpfen als auch die Energiesicherheit in einer postfossilen Welt zu gewährleisten, sagt Algburi.

Er schlägt vor dafür effizientere Wasserkraft-Anlagen zu bauen, das Ressourcenmanagement durch Wasserrecycling zu verbessern und Mikrodämme zu errichten, um überschüssiges Regenwasser aufzufangen.

"Wasserrecycling und Mikrodämme sind wertvolle Instrumente, um lokaler Wasserknappheit entgegenzuwirken und die Widerstandsfähigkeit gegen Dürre zu verbessern." Außerdem seien "klimaresistente landwirtschaftliche Praktiken und regionale Zusammenarbeit" entscheidend, um die kostbaren Wasserressourcen bestmöglich zu nutzen.

Viele Wasserbecken die zur Bewässerung dienen sind nahe des Flusses Tigris im südlichen Irak ausgetrocknet. Bild: Ayman Henna/AFP

Wasserknappheit erfordert regionale Zusammenarbeit

Nach Berechnungen der World Weather Attribution war die Dürre im Euphrat-Tigris-Becken in den Jahren 2020 bis 2023 "die zweitschlimmste seit Beginn der Aufzeichnungen" und wurde "durch steigende Temperaturen verursacht".

Dies hat verheerende Auswirkungen auf einen großen Teil der Bevölkerung, der auf Regen in der Landwirtschaft angewiesen ist. 

"Einige Orte in Syrien und im Irak sind völlig trocken", sagt Noama Shareef, eine in Deutschland ansässige Expertin für Wassermanagement in der MENA-Region. Wegen der schlimmer werdenden Dürre mussten bereits viele Menschen ihre Dörfer verlassen. 

"Zukünftige Kriege werden um Wasser geführt", sagt Shareef über Konflikte um Wasserentnahmen und und dem Bau von Staudämmen, vor allem in der Türkei. "Das ist auch ein politisches Thema", fügt sie hinzu.

Benjamin Pohl von Adelphi ist davon überzeugt, dass Zusammenarbeit und ein verbessertes Wassermanagement im "gemeinsamen Interesse" aller Anrainerstaaten entlang der Flüsse Euphrat und Tigris liegen. Zusammenarbeit seit auch für sauberen Strom aus Wasserkraft zur Abmilderung der Klimakrise wesentlich.

Kriegsgeschädigte Länder wie der Irak und Syrien sind auf der Suche nach Investitionen, um sich besser an den Klimawandel anpassen zu können. Dabei sei eine gemeinsame Vereinbarung zur Aktualisierung veralteter Verträge über die Wasserzuteilung im Euphrat-Tigris-Becken von grundlegender Bedeutung, um die "Ressourcennutzung in der gesamten Region zu maximieren", so Pohl. Derzeit laufen jedoch noch keine Verhandlungen über einen neuen verbindlichen Vertrag.

Mehr regionale Zusammenarbeit angesichts der schwindenden Wasserressourcen hält auch die aus Syrien stammende Naama Sharif für dringlich. "Wir müssen uns an den Verhandlungstisch setzen."

Dieser Artikel erschien in Englisch und wurde von Gero Rueter adaptiert.

Redaktion: Tamsin Walker

Quellen:

https://spiral.imperial.ac.uk/handle/10044/1/107370

World Weather Attribution study

https://www.researchgate.net/publication/377630235_The_Effect_of_Climate_Change_on_Hydroelectric_Energy_Production_in_the_Upper_Euphrats_Basin_A_Review

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserkraftproduktion im oberen Euphratbecken: Eine Übersicht

Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.
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