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Zugunglück nach Hangrutsch: Wie wird die Bahn klimafest?

28. Juli 2025

Die Bahn ist das sicherste Verkehrsmittel. Doch auch sie ist von Extremwetter betroffen, wie das Zugunglück in Süddeutschland zeigt. Klimaresilienz ist daher auch ein Thema bei der Modernisierung der Deutschen Bahn.

Die von Flutlichtstrahlern erhellte Unglücksstelle zeigt die umgekippten Waggons eines entgleisten Regionalzugs, Luftaufnahme
Bei Riedlingen in Südwestdeutschland ist eine Regionalbahn nach einem Erdrutsch entgleistBild: dpa/picture alliance

Den Einsatzkräften bot sich ein Bild der Zerstörung. Die grau-gelben Waggons eines Regionalzugs waren am Sonntagabend aus dem Gleis gesprungen und hatten sich verkeilt. Schon bald wird klar: Der Lokführer und ein Auszubildender im Cockpit sowie eine Reisende haben das Zugunglück nicht überlebt. Mehr als 40 der rund 100 Fahrgäste sind verletzt, einige von ihnen schwer.

Allmählich wächst auch die Gewissheit, warum der RE55 bei Riedlingen in Südwestdeutschland entgleist war: Starkregen hatte offenbar einen Abwasserschacht zum Überlaufen gebracht und in der Folge einen Hangrutsch direkt auf die Bahnstrecke ausgelöst. In diesem Gleisabschnitt sprang der Zug dann aus den Schienen.

Starkregen und andere extreme Wetterereignisse gab es schon immer. Doch durch den menschengemachten Klimawandel nimmt ihre Häufigkeit sowie ihre Intensität zu. Auch die Bahn als nachhaltiges Verkehrsmittel - vergleicht man Bahnfahren etwa mit Autofahren oder Fliegen - ist davon betroffen. Auch sie muss deshalb Klima-Adaptation betreiben, sich also klimafest machen.

Hochwasser und Starkregen gefährden Brücken und Gleise 

Das Unglück im Südwesten Deutschlands zeigt exemplarisch: Zu viel Wasser kann dem Zugbetrieb gefährlich werden. Insgesamt ist die Eisenbahn jedoch ein sehr sicheres Verkehrsmittel mit deutlich weniger tödlichen Unfällen als zum Beispiel das Auto. EU-weit lässt sich im langjährigen Vergleich vielmehr ein Rückgang von Todesopfern bei Zugunfällen feststellen.

Wenn Wassermassen eine Bahnstrecke beschädigen, wird das in der Regel erkannt, bevor der nächste Zug darüber fährt. So beispielsweise bei der Flutkatastrophe im westdeutschen Ahrtal und angrenzenden Regionen im Juli 2021, bei der 185 Menschen ums Leben kamen. Die Zugstrecken durch das Ahrtal sowie durch das benachbarte Mittelgebirge Eifel sind bis heute nicht wieder vollständig befahrbar.

Die neuen Brücken der Ahrtalstrecke sollen standhafter gegen Hochwasser sein als die 2021 weggeschwemmten BauwerkeBild: Marc John/Bonn.digital/picture alliance

Allein an der Ahr hatte das Hochwasser 15 Eisenbahnbrücken komplett zerstört, auch in der Eifel müssen mehrere Brücken neu gebaut werden. Die neuen Brücken sollen widerstandsfähiger gegen künftige Extremwetter sein: So kommen die Neubauten weitgehend ohne Mittelpfeiler aus, um dem Wasserdruck und auch Treibgut bei Überschwemmungen und Hochwasser weniger Angriffsfläche zu bieten.

Ein Großteil der Investitionskosten von rund 500 Millionen Euro fließt in die Elektrifizierung beider Strecken, auf denen bislang Diesel-Lokomotiven unterwegs waren. Stammt der Strom für die Elektrozüge aus erneuerbarer Energie, erzeugen sie deutlich weniger Treibhausgase als Dieselmotoren.

Weil bei Starkregen, wie in Süddeutschland gerade passiert, Hänge abrutschen und Unterführungen überflutet werden können, hat die Deutsche Bahn zudem mit der Entwicklung eines Starkregen-Konzepts begonnen.

Wenn Feuer den Bahnverkehr gefährlich macht

Der Frühsommer dieses Jahres war in weiten Teilen Deutschlands weniger von Regen als vielmehr von Hitze- und Dürreperioden geprägt. Waldbrände waren die Folge - ebenso Brände entlang der Bahn-Infrastruktur. So standen im Südosten und im Norden des Lands Büsche und Sträucher am Rande von Zugstrecken in Flammen, Verbindungen mussten gestrichen oder umgeleitet werden.

Um diesem Risiko vorzubeugen, schneiden Teams der Bahn die Vegetation in einem sechs Meter breiten Korridor entlang der Gleise regelmäßig zurück. Bis 2023 nutzte die Bahn hier auch das umstrittene Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat; inzwischen kommt das ökologisch weniger problematische Mittel Pelargonsäure zum Einsatz.

Seit dem vergangenen Jahr erprobt die Bahn zudem, ob sich das Brandrisiko minimieren lässt, wenn die Böschungen von speziellen Zügen bewässert werden. Diese Bewässerung soll vor allem bei feuergefährlichen Arbeiten, wie dem Schweißen von Schienen in Dürreperioden, zum Einsatz kommen.

Die dicht bewachsene Böschung war in Riedlingen offenbar nicht Teil des ProblemsBild: Thomas Warnack/dpa/picture alliance

Ein weiteres Risiko gibt es für den Zugverkehr an Tagen mit starkem Wind, wenn auch Bäume von außerhalb der Sechs-Meter-Zone auf die Gleise stürzen können. Sie werden vom sogenannten Digitalen Vegetationsmanagement (DVM) überwacht; einer Bahn-eigenen KI, die rechtzeitig vor potenziell gefährlichen Bäumen warnen soll. Gefüttert wird die KI mit Satellitenbildern sowie mit Videoaufnahmen bestimmter Strecken.

Hitze kann die Weichen auf den Gleisen versagen lassen

Um ihre Infrastruktur an den Klimawandel anzupassen, hat sich die Bahn vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung beraten lassen. Laut einer kurz vor dem Ahrtal-Hochwasser 2021 veröffentlichten Studie gibt es an Tagen mit Temperaturen über 30 Grad in jedem der 34 regionalen Bahn-Bezirke im Schnitt 4,1 mehr Störungsmeldungen als an Tagen unter 30 Grad. Bei über 32 Grad sind es demnach sogar 5,1 Störungsmeldungen mehr.

Dieser durch Hitze verbogene Gleisstrang bei Meinersen im Bundesland Niedersachsen wurde am 28. Juli 1969 dem Interzonenzug D-136 zum Verhängnis: Der Zug entgleiste, vier Menschen starbenBild: Wolfgang Weihs/dpa/picture alliance

Große Hitze barg früher besondere Gefahren fürs Bahnnetz, weil sich Schienen verbiegen konnten: So entgleiste am 28. Juli 1969 ein Interzonenzug vom westdeutschen Düsseldorf nach Leipzig in der damaligen DDR rund 40 Kilometer vor der innerdeutschen Grenze; vier Menschen starben. Damals wurden Schienen so gebaut und befestigt, dass sich ihr Stahl bei hohen Temperaturen in alle Richtungen ausdehnen konnte. 

Heutzutage werden die Schienen von Schwellen auf Distanz gehalten und an ihren Enden verschweißt. Daher können sie sich nur noch nach oben und unten ausdehnen. Etwa in Italien werden Schienen sogar an ihren Seiten mit weißer Farbe gestrichen, sodass sie weniger Wärme aus dem Sonnenlicht aufnehmen als gängige Schienen, die über die Jahre eine rostbraune Farbe entwickeln.

Zwar sind laut Bahn Temperaturen bis 60 Grad für die Schienen kein Problem; bewegliche Bauteile wie Weichen müssen hingegen gekühlt werden. Im Rahmen des Programms "Klimaresiliente Bahntechnik" sollen auch Bauteile in der Signaltechnik gegen immer längere Hitzeperioden widerstandsfähig gemacht werden.

Hitze wird auch zum Problem für die Züge selbst - in Form von überhitzten Lokomotiven oder überforderten Klimaanlagen. Bei der aktuell neuesten Schnellzug-Generation ICE 4 kommen in jedem Wagen zwei unabhängig von einander arbeitende Klimaanlagen zum Einsatz, um den Fahrgastraum zu klimatisieren. Sie sollen bei Außentemperaturen von -25 Grad ebenso gut laufen wie an Hitzetage von +45 Grad.

Klima-Resilienz nur eine von vielen Baustellen bei der Bahn

Insgesamt ist das Thema Klima-Resilienz jedoch nur eines von vielen Problemfeldern bei der Deutschen Bahn: Der Staatskonzern steckt in einer tiefen Krise, unter anderem weil seit Jahrzehnten nicht genug in den Erhalt des 33.000 Kilometer umfassenden Schienennetzes investiert wurde. 2024 waren 38 Prozent der Fernzüge unpünktlich - ein Umstand, der das Nachbarland Schweiz (99 Prozent pünktlich) sogar dazu bewogen hat, die Kooperation mit der DB zurückzufahren.

Die Riedbahn im Südwesten Deutschlands war 2024 der erste Abschnitt, der in monatelanger Vollsperrung generalsaniert wurdeBild: Andreas Arnold/dpa/picture alliance

Durch eine Generalsanierung will die Bahn wieder eine zeitgemäße Infrastruktur schaffen. Dabei sollen nacheinander wichtige Abschnitte von insgesamt 4000 Kilometern Streckenlänge komplett überholt werden. Finanziert wird das Großprojekt größtenteils durch massive staatliche Schulden. Vor wenigen Wochen musste die Bahn einräumen, dass ihre Generalsanierung frühestens 2036 beendet sein wird.

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