Gegenseitige Abhängigkeit
21. Oktober 2006Russland sei offen für eine Energie-Partnerschaft mit der Europäischen Union, versicherte Präsident Wladimir Putin den 25 EU-Staats- und Regierungschefs am Freitag (20.10.) in Lahti. Langfristige Garantien für Öl- und Gaslieferungen aus Russland lehnte er jedoch ab.
Europa muss nach innen und außen mehr Gemeinsamkeit in Energie-Fragen zeigen, wenn es seine Interessen besser vertreten will. Das war der Tenor in Lahti. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sogar von einer Energie-Außenpolitik: "In dem Zusammenhang haben wir noch einmal betont, dass wir einen einheitlichen europäischen Energie-Markt brauchen, um dann auch einheitlich Energie-Außenpolitik durch die Europäische Union vertreten zu können."
Europa hängt am russischen Tropf
Das gilt vor allem im Umgang mit Russland, von dessen Energie-Lieferungen die Europäer in hohem Maße abhängig sind. Beide, die EU und Russland, sind unzufrieden über mangelnde Investitions-Möglichkeiten auf dem jeweils anderen Markt. Aus eigenen Erfahrungen mit Präsident Putin zog Merkel aber hoffnungsvolle Schlüsse: "Ich habe ja selber schon oft mit ihm gesprochen. Er hat ein Interesse daran, das ich richtig finde, dass Russland auch Zugang zu europäischen Märkten bekommt. Und ich glaube, dass er dann auch ein Verständnis dafür entwickeln wird, dass das dann auch von uns für den russischen Markt gefordert wird."
Die Europäer wollen versuchen, die Beziehungen zu Russland auf eine neue, umfassende Vertragsgrundlage zu stellen, und das nicht nur in Energie-Fragen. Aber sie wollen die Abhängigkeit von russischen Gas- und Öl-Lieferungen auch verringern. Einmal durch neue Energie-Lieferanten, zum Beispiel in Zentralasien. Aber auch durch eigene Maßnahmen. Ziel ist zum Beispiel, die Energie-Effizienz von Kraftwerken, Gebäuden, Autos oder Haushaltsgeräten deutlich zu steigern, etwa durch steuerliche Anreize.
Putin begrüßt gegenseitige Abhängigkeit
Präsident Putin selbst sagte nach dem Essen mit seinen EU-Kollegen, die gegenseitige Abhängigkeit sei gar nichts Schlechtes, sondern im Gegenteil gut für beide Seiten: "Es ist klar, dass die EU und Russland auf diesem Gebiet natürliche Partner sind. Und unsere gegenseitige Abhängigkeit trägt doch nur zur Energie-Sicherheit auf dem europäischen Kontinent bei und schafft gute Voraussetzungen, damit wir uns auch auf anderen Gebieten näherkommen."
Ein weiteres wichtiges Thema in Lahti: europäische Innovationsfähigkeit, um im weltweiten Wettbewerb mithalten zu können. Die Kommission hat hier einige Vorschläge gemacht, die offenbar gut angekommen sind, so Kommissionspräsident José Manuel Barroso: "Wir haben die Bestätigung und Unterstützung für einige unserer Vorschläge bekommen. Es geht um die Notwendigkeit, eine Strategie für den Schutz des geistigen Eigentums zu entwickeln, eine Lösung für das seit langem bestehende Problem eines europäischen Patent-Schutzes zu finden und die Normierung und Standardisierung in Europa voranzutreiben."
Eher zurückhaltend haben die Staats- und Regierungschefs Barrosos Idee eines europäischen Technologie-Instituts ähnlich dem amerikanischen MIT aufgenommen. Das soll kein neues Institut, sondern ein Netzwerk bestehender Forschungszentren sein. Aber zu viele Fragen sind hier noch ungeklärt.
Menschenrechtslage in Darfur
Es war vor allem der britische Premier Tony Blair, der dafür gesorgt hat, dass noch ein ganz anderes Thema auf die Tagesordnung kam, nämlich die Menschenrechtsverstöße in der sudanesischen Provinz Darfur, wo die bisherige Friedensmission der Afrikanischen Union völlig unzureichend ist. Der finnische Ministerpräsident und Gastgeber Matti Vanhanen: "Wir sind alle tief besorgt über die Sicherheits-, die humanitäre und die Menschenrechtslage in Darfur. Wir arbeiten hart daran, die sudanesische Regierung zu überzeugen, dass eine UN-Mission die einzige gangbare und realistische Option ist, um Frieden in Darfur zu schaffen."
Nachlesbare Resolutionen sollte dieser informelle Gipfel nicht bringen, eher sollte er ein Diskussionsforum bieten und die Grundlage legen für weiteres Vorgehen, vor allem im Verhältnis zu Russland.