Georg Philipp Telemann war der bekannteste Musiker seiner Zeit. Dennoch geriet er in Vergessenheit. Zu Unrecht. Einige seiner 3600 Werke werden nun im Telemann-Jubiläumsjahr wieder zu hören sein.
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Wer war Georg Philipp Telemann?
So viel steht fest: Er war der berühmteste Komponist seiner Zeit. Anlässlich seines 250. Todestages lohnt ein Blick auf sein opulentes Werk, das alle Stile und Gattungen seiner Zeit erfasst.
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Notenheld mit Geschäftssinn
Er vereinte beides: Quantität und Qualität. Georg Philipp Telemann hinterließ 3600 Werke und ist damit einer der produktivsten Komponisten aller Zeiten. Seine Sinfonien, Suiten, Kantaten und Opern reichen stilistisch vom Barock bis zur frühen Klassik - und setzten Maßstäbe. Gleichzeitig war er ein geschäftstüchtiger Musikunternehmer.
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Ein "Murmelthierführer"?
Telemann wuchs in Magdeburg in einer Pastorenfamilie auf. Als Autodidakt brachte sich das Wunderkind Geige, Blockflöte und Klavier bei. Mit zwölf komponierte er seine erste Oper. Seiner Mutter imponierte das nicht. Damit er kein "Gaukler" oder "Murmelthierführer" werden würde, beschlagnahmte sie die Instrumente und erzwang einen Schulwechsel - ohne ihn dauerhaft vom Pfad der Musik abzubringen.
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"Lern' was Anständiges..."
Auf Druck der Frau Mama studierte Telemann Jura in Leipzig. Auf dem Weg dorthin machte er Station in Halle und freundete sich mit Georg Friedrich Händel an. In Leipzig mischte er die Musikszene auf, gründete das Laienorchester "Collegium Musicum". Ab 1729 übernahm dieses kein Geringerer als Johann Sebastian Bach. Die Konzerte fanden im hier abgebildeten Café Zimmermann statt.
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Komponieren - und singen
1708 wurde Telemann Konzertmeister am Hof in Eisenach. Dort gründete er ein Orchester - und lernte schließlich Johann Sebastian Bach kennen. Er komponierte Konzerte, Kantaten, Kirchenmusik und Operetten, für die er selbst die Texte schrieb. Manchmal sang er sogar als Bariton mit. Heute ist der Konzertsaal im Schloss Wilhelmsthal nahe Kassel nach ihm benannt: Telemannsaal.
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Selbstsicherer Geschäftsmann
1712 wurde Telemann städtischer Musikdirektor und Kapellmeister der Katharinenkirche in Frankfurt am Main. Er veranstaltete eifrig Konzerte und schuf weitere Werke. Es folgte das verlockende Angebot, Kapellmeister aller sächsisch-thüringischen Höfe zu werden. Daraufhin bat er seine Dienstherren in Frankfurt um Gehaltserhöhung - und wurde zum bestbezahlten Musiker der Stadt.
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Hamburger Blütezeit
Wieder wechselte Telemann seinen Job: 1721 begann seine Hauptschaffenszeit in der Hansestadt. Hier wurde er "Director Musices", damals eines der angesehensten Ämter der Stadt. Er war Kantor für fünf lutherische Kirchen, Leiter der Oper und Verleger der ersten deutschen Musikzeitschrift. 46 Jahre arbeitete Telemann (1. v. l.) in Hamburg - dort ist ihm im Komponistenquartier ein Museum gewidmet.
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Internationaler Star
In Paris wurde Georg Philipp Telemann wie ein Landsmann behandelt. Zwei Jahre lebte und arbeitete er dort. Er war der erste Nicht-Franzose, der beim "Concert Spirituel" aufführte - eine Konzertreihe, die eigentlich für neue Musik aus Frankreich vorgesehen war. Telemann wurde europaweit berühmt - das zeigen die Bestellungen seiner Noten aus Frankreich, Italien, Dänemark, Spanien und Norwegen.
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Künstlerfreundschaft mit Georg Friedrich Händel
Beide studierten Jura, beide hatten jedoch nur Musik im Kopf. Häufig trafen sich die Komponisten. Telemann hält fest: "...in melodischen Sätzen (...) und deren Untersuchung, hatten Händel und ich, bey öfftern Besuchen auf beiden Seiten, wie auch schrifftlich, eine stete Beschäfftigung." In vielen Kompositionen flochten die beiden Meister Werke des jeweils anderen ein.
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Opern-Vielschreiber
50 Opern hat Telemann komponiert. Einige davon sind verschollen, viele werden jedoch heute wiederentdeckt, etwa "Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe", die 2014 an der Oper in Frankfurt am Main inszeniert wurde. In seinen Opern benutzte Telemann verschiedene Stilmittel wie singspielartige Arien oder tänzerische Motive.
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Zweite Leidenschaft: Botanik
"Ob diese [die Musik] zwar mein Acker und Pflug ist, und mir zum Hauptergetzen dienet, so habe ich ihr doch seither ein Par Jahren eine Gefehrtinn zugesellet, nemlich die Bluhmen-Liebe", schreibt Georg Philipp Telemann an einen Freund. Der Komponist liebte nicht nur Blumen, er unterhielt in seiner Hamburger Zeit auch einen Garten und sammelte heimische wie exotische Pflanzen.
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Opulentes Oeuvre
Georg Philipp Telemann komponierte bis zu seinem Tod mit 86 Jahren. Mit unstillbarem Fleiß und flüssiger Arbeitsweise schuf er Werke in allen möglichen Gattungen - geradezu wie am Fließband. Viele von ihnen sind verschollen. Erhalten ist vor allem Musik aus seiner Frankfurter und Hamburger Zeit.
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Bewundert, verachtet, wiederentdeckt
Kaum ein Künstler wurde im Laufe der Jahrhunderte so radikal unterschiedlich wahrgenommen. Zu Lebzeiten genoss Telemann großes Ansehen. Kurz nach seinem Tod galt er dann allgemein als Vielschreiber mit Hang zu billigen Effekten. Inzwischen hat man Telemann wiederentdeckt: In Magdeburg finden seit 1962 regelmäßig die Telemann-Festtage statt.
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Wie reagiert man, wenn der zwölfjährige Sohn heimlich mehrere Instrumente lernt und sogar eine Oper komponiert? Vermutlich würde man ihm schnellstmöglich einen Musiklehrer suchen. Die Mutter von Georg Philipp Telemann hingegen war entsetzt. Sie fürchtete, wie Telemann später notierte, dass er ein "Gaukler, Seiltänzer, Spielmann, Murmelthierführer" werde. Die Mutter beschlagnahmte alle Instrumente und schickte ihn auf eine andere Schule. Doch all das nützte nichts. Der junge Telemann, der zeitlebens nur zwei Wochen Klavierunterricht und wenige Gesangsstunden genossen haben soll, konnte es nicht lassen und brachte sich weiterhin selbst das Spiel auf allerlei Instrumenten bei: Violine, Gambe, Oboe, Orgel oder Bassposaune.
Georg Philipp Telemann, 1681 in Magdeburg geboren und 1767 in Hamburg gestorben, ist mit 3600 Werken einer der produktivsten Komponisten aller Zeiten. Allerdings wurde das nicht immer positiv angesehen. Zu Lebzeiten war er der berühmteste Komponist im deutschsprachigen Raum. Kurz nach seinem Tod galt er jedoch als oberflächlicher Vielschreiber. Anders als sein Freund Georg Friedrich Händel, mit dem er einen engen fachlichen Austausch pflegte, geriet er weitgehend in Vergessenheit.
Völlig zu Unrecht, wie Musikwissenschaftler heute urteilen. Nach und nach erschließt sich die Musikwelt wieder sein umfangreiches Werk. Nicht alles davon ist erhalten: Viele Kompositionen der Anfangsjahre sind verschollen. "Telemann war ein Großer seiner Zeit, ein weltgewandter, aufgeklärter Musiker von überbordender Schaffenskraft", sagt der Musikwissenschaftler und Dirigent Hermann Max.
Experimentierfreudiger Tausendsassa
Telemanns Werke und Ästhetik prägten maßgeblich den Barock und setzten auch für Kollegen wie Georg Friedrich Händel neue Impulse. Er legte sich nicht auf einen Stil fest, sondern nahm stetig neue Einflüsse, wie beispielsweise italienische oder französische, in seine Arbeiten auf. Bei einem Aufenthalt im polnischen Krakau soll er sich sogar von Kneipenmusik inspiriert haben lassen.
"Telemann schrieb viele Gebrauchsmusiken, durch ihn entstand eine vitale Kammermusikszene an allen Orten, an denen er wirkte, zuletzt in Hamburg", sagte die Blockflötistin und Dirigentin Dorothee Oberlinger, Telemann-Botschafterin für das Jubiläumsjahr, gegenüber der Nachrichtenagentur KNA. "Wir finden plötzlich eine französische Suite, eine italienische Arie und dann wieder ein deutsches Stück. Dann wieder bringt er ungewöhnliche Instrumente oder Kombinationen von Instrumenten ins solistische Rampenlicht, wie die Bratsche oder den Kontrabass."
Jenseits des musikalischen Tellerrands
Der Komponist liebte außerdem den Gesang, trat manchmal sogar selbst als Bariton in seinen Stücken auf. Typisch für seine Kompositionen sind gesangliche Melodien und einfallsreich eingesetzte Klangfarben. Das Telemann-Werke-Verzeichnis weist rund 1000 Instrumentalstücke aus, 1750 Kirchenkantaten, 16 Messen und 40 Passionen.
Einige Schmuckstücke dieses opulenten Werkes werden nun anlässlich seines 250. Todestag wieder gespielt. Zahlreiche Konzerte sind in den Städten geplant, in denen er gewirkt hat. So ist ein Netzwerk von zehn Telemann-Städten entstanden, die neben Veranstaltungen, Tagungen und Workshops auch online über den Komponisten informieren. Seine Geburtsstadt Magdeburg hat das Jahr 2017 zum Telemann-Jubiläumsjahr erklärt und bietet unter anderem Open-Air-Konzerte und Jazzimprovisationen im Geiste Georg Philipp Telemanns. Das passt gut zum Geehrten: Der Blick über den eigenen musikalischen Tellerrand war es, der Telemann stets antrieb.