Er spielte mit Romy Schneider und fraß sich an der Seite von Marcello Mastroianni im Skandalfilm "Das große Fressen" zu Tode. Nun ist Frankreichs Charakterdarsteller Michel Piccoli im Alter von 94 Jahren gestorben.
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Michel Piccoli ist tot
Er war einer der ganz Großen des französischen Films: der Schauspieler Michel Piccoli. Sein Charme als Liebhaber war umwerfend - aber er konnte auch ganz anders. Piccoli spielte auch gern abgründige Charakterrollen.
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Französische Schauspiel-Legende
In den letzten Jahren war es ruhig um Michel Piccoli geworden, der maßgeblich die Schauspielkunst seines Landes mitprägte. Seine Karriere währte über 70 Jahre, Piccoli galt als einer der bedeutendsten Charakterdarsteller Frankreichs. Jetzt starb er im Alter von 94 Jahren.
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Die Dinge des Lebens
Michel Piccoli dürfte den deutschen Zuschauern vor allem als Partner von Romy Schneider in Erinnerung sein. Mit ihr drehte Piccoli mehrere Filme und wurde in den '60/'70er Jahren zum kongenialen Filmpartner für Romy Schneider. "Die Dinge des Lebens" (1969) ist eines der eindringlichsten Werke der beiden.
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Die schöne Querulantin
Einer seiner schönsten Filme: Als Jacques Rivette Michel Piccoli und Emmanuelle Béart 1991 für seinen Film "Die schöne Querulantin" vor die Kamera holte, hatte Piccoli bereits das Rentenalter erreicht. Doch das Alter spielte für diesen Schauspieler schon lange keine Rolle mehr. In dem Film nach einer Novelle von Honoré de Balzac spielte Piccoli einen berühmten Maler.
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Das große Fressen
Mitte der 1970er Jahre löst "Das große Fressen" des Italieners Marco Ferreri einen Skandal aus. Michel Piccoli und seine drei männlichen Filmpartner, Philippe Noiret, Ugo Tognazzi und Marcello Mastroianni, zelebrieren ein ganz besonderes Ritual: Sie wollen sich zu Tode fressen. "Das große Fressen" war ein drastisch-surrealer Bilderbogen mit gesellschaftspolitischem Anspruch.
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Trio Infernal
Noch härter fiel der folgende Film Michel Piccolis aus. In "Trio Infernal" ist der Schauspieler wieder an der Seite von Romy Schneider zu sehen. Beide spielen ein Liebes- und Mörderpaar, dass im Frankreich der 1930er Jahre eine blutige Spur hinterlässt. Der Film zeigt das grausige Geschehen in extrem drastischen Bildern.
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Eine Komödie im Mai
Doch Michel Piccoli konnte auch sanfte, liebevolle Charaktere überzeugend darstellen. Ein Beispiel dafür war 1990 der Kinofilm von Regisseur Louis Malles "Eine Komödie im Mai". Piccoli spielt darin einen älteren Gutsbesitzer, der von seiner Familie gedrängt wird, sein Anwesen zu verkaufen.
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Habemus Papam
Welcher Schauspieler kann schon von sich sagen, dass er sogar den Papst verkörperte. Michel Piccoli schlüpfte 2011 in die Rolle des Oberhauptes der katholischen Kirche. Piccoli überraschte in der sanften Komödie des italienischen Regisseurs Nanni Moretti als amtsmüder, wenig arbeitswilliger Papst, dem sein Job über den Kopf gewachsen ist.
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Gern gesehener Festivalgast
Michel Piccoli war in den letzten Jahrzehnten bei zahlreichen auch internationalen Filmfestivals, nahm Preise entgegen und arbeitete in den Festival-Jurys mit. Auch bei der Berlinale war Piccoli mehrfach zu Gast, hier im Jahre 1981 an der Seite des damaligen Festival-Chefs Moritz de Hadeln.
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Beliebt und geehrt
Das französische, aber auch das europäische Kino hat Michel Piccoli viel zu verdanken. Im Jahre 2011 verlieh die Europäische Filmakademie dem Schauspieler den Ehrenpreis für sein Lebenswerk. Darüber freute sich der Franzose, hier eingerahmt von seinem deutschen Schauspielerkollegen Bruno Ganz und Regisseur Volker Schlöndorff, ganz besonders. Ganz starb bereits 2019, jetzt folgte ihm Piccoli.
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Die Liste seiner Filme ist so lang wie die Namen seiner Regisseure prominent: Michel Piccoli, am 27. Dezember 1925 in Paris als Sohn einer Pianistin und eines Violinisten geboren, spielte in mehr als 200 Werken und arbeitete dabei mit Regie-Legenden wie Alfred Hitchcock, Costa-Gavras, Jean-Luc Godard oder Luis Buñuel zusammen.
Eine wiederkehrende und enge Bindung entstand zu Claude Sautet, mit dem er 1970 für "Die Dinge des Lebens" zum ersten Mal drehte. Es folgten mehrere gemeinsame Filme wie "Das Mädchen und der Kommissar" oder das Drama "Vincent, François, Paul und die anderen".
Für Aufsehen sorgte 1973 "Das große Fressen", in dem Piccoli zusammen mit Marcello Mastroianni, Ugo Tognazzi und Philippe Noiret eine Gruppe von Männern im mittleren Alter spielte, die sich einem nicht endenden, übermäßigen Essen samt sexuellen Ausschweifungen hingaben. Das Gelage führte in den kollektiven Suizid, der Film galt damals als Skandal.
Michel Piccoli (links im Bild) in "Das große Fressen" Bild: picture-alliance/dpa/United Archives/IFTN
Schauspielerei als "Wunsch zu fliehen"
Schon während seiner Schulzeit hatte sich Piccoli für die Schauspielerei interessiert, später nahm er Unterricht an der Schauspielschule von René Simon. Die Sehnsucht nach dem Theater begründete er einmal mit dem "Wunsch zu fliehen". Seine Eltern bezeichnete er als leidenschaftslos. In den 1950er Jahren spielte er auf verschiedenen Pariser Theaterbühnen, ab 1957 trat er regelmäßig am Théâtre National Populaire auf. Es folgten einige kleinere Filmrollen, ehe Piccoli 1963 mit der Hauptrolle des von Selbstzweifeln geplagten Schriftstellers Paul Javal in "Die Verachtung" an der Seite von Brigitte Bardot seinen Durchbruch als Filmschauspieler feierte.
Sein Repertoire war riesig: Piccoli spielte jüngere Liebhaber und Mörder, verzagte Künstler und Anarchisten. "Ich lege mir eine Handlung nicht zu, ich schlüpfe hinter meine Charaktere", sagte er mal. "Um ein Schauspieler zu sein, muss man flexibel sein." Politisch stand er, gemeinsam mit seinen Freunden Yves Montand und Jean Paul Sartre, den Kommunisten nahe. Er engagierte sich für die politische Linke, setzte sich für Geschlechtergerechtigkeit und Flüchtlinge und gegen den Front National und Rassismus jeglicher Couleur ein.
Mehrfach preisgekrönt
Michel Piccoli erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1980 die Goldene Palme von Cannes für seine Rolle in Marco Bellocchios "Der Sprung ins Leere" und zwei Jahre später den Silbernen Bären der Berlinale für seine Verkörperung eines Kaufhausdirektors in "Eine merkwürdige Karriere". Nur einen César, das französische Pendant zum Oscar, gewann er nie, obwohl er mehrmals dafür nominiert war. In den 1980er Jahren kehrte Piccoli wieder häufiger ans Theater zurück, spielte aber bis zu seinem letzten Werk 2014 auch regelmäßig in Filmproduktionen, etwa neben John Malkovich, Emmanuelle Béart und Marianne Sägebrecht.
Michel Piccoli auf dem Roten Teppich in Cannes Bild: Imago/PicturePerfect/Visual/SLF
Piccoli war dreimal verheiratet, mit seiner letzten Frau, der Drehbuchautorin Ludivine Clerc, war er bis zu seinem Tod zusammen. Bereits am 12. Mai 2020 ist der französische Charakterdarsteller im Alter von 94 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. "Ein Teil der Geschichte des französischen Kinos hat uns verlassen", würdigte der ehemalige französische Präsident François Hollande Piccolis Werk.