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Zum Tod von Lemmy Kilmister

Silke Wünsch, Conny Paul29. Dezember 2015

An Heiligabend feierte er seinen 70. Geburtstag. Zwei Tage später erfuhr er, dass er Krebs hat. In der Nacht auf Dienstag starb die Ikone des Punk-Metal - im Kreise seiner Familie. Die Rockmusikwelt trauert.

USA Lemmy Kilmister in Hollywood (Foto: picture alliance/dpa/P. Buck)
Bild: picture alliance/dpa/P. Buck

Müde wirkte er, als er im November 2015, kurz nach den Anschlägen von Paris sein letztes Interview gab. Lemmy Kilmister rauchte und erzählte mit heiserer Stimme, dass Motörhead schon oft im Bataclan gespielt hätten. Mindestens zehnmal. Einen Tag nach dem Blutbad in dem Musikclub sollte Motörhead in Paris auftreten. Das Konzert wurde abgesagt. "Ich hätte trotzdem gespielt", setzte Lemmy Kilmister nach. "Jetzt erst recht, die Arschlöcher können mich mal." Die klugen, wässrigen Augen leuchteten, und das Grinsen kehrte in sein Gesicht zurück.

Lemmy war mager, wirkte fast zerbrechlich, daran änderten auch sein dunkel gefärbter Bart und die getönten Haare nichts, auf denen der obligatorische Cowboyhut saß. Lemmy war gerade mal 70 und hatte ein Leben geführt, das andere schon längst unter die Erde gebracht hätte. Whisky-Cola, Zigaretten, Drogen - und zuletzt eine Diabetes, die ihn in letzter Zeit mehrmals ausgeknockt hatte, sodass Tourneen und Konzerte ausfielen oder verschoben werden mussten. Die Nachricht, dass er auch noch an Krebs erkrankt war, muss ihn sehr erschüttert haben. Nur ein paar Tage später war er tot.

Was ihn zur Legende werden ließ

Nachdem Lemmy bei den Spacerockern von Hawkwind rausgeflogen war (er war für ein paar Tage wegen Drogenbesitzes im Knast), suchte er sich eine eigene Band. Die nannte sich "Bastard". Lemmys damaliger Manager meinte, dass die Band es mit diesem Namen nie weit bringen würde. So entschied man sich für "Motörhead". Das "ö" fand Lemmy so schön martialisch, so schön deutsch. Die Musik: harter Biker-Rock mit Punk. Das war anfangs nicht leicht. Keiner hatte wirklich an sie geglaubt - als Rockband nicht und als Punkband nicht. Motörhead mussten spielen und spielen, bis sie mit dem Song "Bomber" den Durchbruch schafften.

Die Rock'n Roll-Punker bei einem Konzert in HannoverBild: picture alliance/Geisler-Fotopress/C. Niehaus

Dass diese Band 40 Jahre lang existieren würde, das war immer unglaublich für Lemmy. "Fast wie ein Witz", sagte er. Auch witzig fand er, dass Motörhead so gerne als Urväter des Heavy Metal angesehen werden. "Wir waren nie eine Metalband", sagte Lemmy, "Wir sind eine Rock'n'Roll-Band." Und die bestand aus drei Musikern: Schlagzeug, Gitarre und Bass. Das reicht. Denn Lemmy Kilmister spielte den Bass nicht wie ein normaler Bassist. Er spielte den Bass wie eine verzerrte E-Gitarre und knallte dem Zuhörer tiefe und wummernde Powerchords entgegen. Außerdem sang er so, als hätte er einen Esslöffel voll Glassplitter geschluckt und das Ganze mit Schleifpapier runtergespült. Das machte den Sound von Motörhead einzigartig.

Vorbild für Metal-Bands

Die Wirkung auf Kollegen war riesig. Gerade aus der Metalszene schlug Motörhead größte Sympathie entgegen - viele ließen sich von dem schnellen Rock inspirieren. Der Song "Bomber" gilt gar als Grundstein für den "Thrash Metal", einer besonders schnellen Spielart des Heavy Metal. Damit nicht genug: Lars Ulrich, der Schlagzeuger von Metallica, gründete den ersten Motörhead-Fanclub in den USA.

Doch die Jungs hoben nicht ab, sondern lebten ihren Outlaw-Style mit jeder Faser. Das einzige Gesetz heißt "Sex & Drugs & Rock'n'Roll": Es wurde gefeiert, gesoffen, gegrölt - und genug Frauen gab es auch immer. Lemmy pflegte sein Image als Rock'n'Roll-Schurke, dem man nachts lieber nicht begegnen möchte. Eins seiner überlieferten Zitate lautet: "Wenn wir ins Nachbarhaus einziehen würden, würde euer Rasen absterben." (aus: Rock Rough Guide)

Lemmy sammelte Militaria. Und er hatte auch eine umfangreiche Sammlung von Nazi-Devotionalien. Er mochte den Style, nicht die politische Überzeugung dahinter. "Die Bösen haben einfach die besseren Uniformen. Ansonsten hat es keine Funktion mehr", erklärte Lemmy immer wieder.

Heißbegehrt, auch bei den weiblichen Fans: Motörhead rockten alle großen FestivalsBild: Rock am Ring

Wo Legenden sind, sind auch Gerüchte

Ian "Lemmy" Kilmister wurde am 24.12.1945 im englischen Staffordshire geboren. Der Vater verließ die Mutter früh. Lemmys früheste Kindheitserinnerung: "Ich steh im Laufstall, klammere mich an den Stäben fest und brülle. Ich muss wohl geprobt haben."

Immer wieder wurde Lemmy gefragt, welchen Bezug er zu seinem Geburtsdatum hat. Ein Metalmonster, der Antichrist des Rock'n'Roll, das singende Scheusal hatte ausgerechnet an Heiligabend Geburtstag. Da zuckt Lemmy die Schultern. "Es ist der Tag vor Weihnachten. Weihnachten beginnt am 25., und das ist der Tag, an dem Jesus' Geburtstag gefeiert wird."

Um Lemmy ranken sich viele Geschichten. Etwa, dass er damals in den 1960ern, als er Roadie von Jimi Hendrix war, für die tägliche Drogenbeschaffung zuständig war. Gar nicht mochte Lemmy die Vermutung, er trage auf der Bühne Windeln. Sehr hübsch aber ist die Anekdote mit dem Foo Fighters-Video. Die hatten Lemmy 2011 für ihren Clip zu "White Limo" engagiert. Der sitzt hinterm Steuer und fährt mit einer weißen Stretchlimousine durch die Stadt. Rauchend und Whiskey trinkend. Es heißt aber, dass Lemmy in Wirklichkeit gar nicht Auto fahren konnte.

Keine Legende ohne Sprüche

Lemmy war bekannt für deftige Sprüche wie diesen: "Ich glaube nicht an den Teufel, und ich glaube auch nicht an Gott. In unserer Welt da draußen existieren aber sehr viele menschliche Teufel." Dieser wurde immer wieder gern zitiert. Oder für diesen: "Ich bin immer noch wütend und sollte es auch sein. In der Welt passiert so viel Scheiße, und es wird immer schlimmer, nicht besser."

Vor 13 Jahren sagte er im Interview mit dem SZ-Magazin diese bemerkenswerten Sätze: "Rassismus ist das Übel unserer Welt. Nazi sein bedeutet, dass du verloren hast, bevor du anfängst. Du kannst nicht gewinnen. Du bist nur dumm."

Reaktionen auf seinen Tod im Netz

Ozzy Osbourne, früherer Black Sabbath Lead-Sänger, twitterte: "Ich habe einen meiner besten Freunde heute verloren: Lemmy. Ich bin sehr traurig und vermisse ihn. Er war ein Kämpfer und eine Legende. Ich werde ihn "auf der anderen Seite" wieder sehen." Gene Simmons, Frontmann der Band Kiss schrieb: "Lemmy: Ruhe in Frieden. Bring den Himmel zum Beben!" Auch die Jungs von Metallica zeigen sich tief bewegt: "Lemmy, du bist einer der Hauptgründe dafür, dass es unsere Band gibt. Wir danken dir für all deine Inspiration." Und Queen-Legende Brian May schreibt: "Ich sitze hier, antworte auf Tweets, bin völlig zerfahren. Ich frage mich, was ich vielleicht zum Tod unseres so einzigartigen Freundes Lemmy sagen könnte. Es tut einfach weh!"



UDR Music, die deutsche Plattenfirma von Motörhead, schrieb auf Facebook: "Es ist nicht einfach, dies zu sagen: Unser starker und heldenhafter Freund Lemmy ist heute nach einem kurzen Kampf gegen einen äußerst aggressiven Krebs von uns gegangen. Er hat am 26. Dezember zuhause von dieser Krankheit erfahren. Wir können einfach unseren Schock und unsere Traurigkeit nicht ausdrücken. Es gibt keine Worte dafür. In den nächsten Tagen werden wir mehr dazu sagen. Aber jetzt: Spielt Motörhead laut, spielt Lemmys Musik laut!"

Alkohol am Steuer? Kein Problem für Lemmy, hier im Foo Fighters-Video "White Limo"Bild: YouTube

Lemmy war mittlerweile von Whiskey auf Wodka umgestiegen. Den trank er gerne mit Orangensaft. Gegen seinen Diabetes nahm er Pillen, ansonsten hatte sich sein Lebensstil nicht verändert. Aber empfehlen wollte Lemmy seinen Lebensstil niemandem: "Da sterben zu viele Leute dran. Viele meiner Freunde auch. Ich habe einfach Glück gehabt bisher."

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