1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Konflikte

Zunehmende Anfeindungen gegen Russen

6. März 2022

Der Ukraine-Krieg hat auch Folgen für die russische Community in Deutschland, wie Recherchen des Südwestrundfunks zeigen. Demnach gab es erste Angriffe gegen russischsprachige Menschen. Mehrere Politiker sind besorgt.

Fridays for Future protestiert gegen Ukraine-Krieg – Freiburg
Ein Plakat gegen Putins Angriffskrieg bei einer Kundgebung in FreiburgBild: Philipp von Ditfurth/dpa/picture alliance

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ist es bundesweit zu ersten Straftaten gegenüber russischsprachigen Personen gekommen. Das ergab eine Umfrage des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" unter den Innenministerien der Bundesländer und mehreren Polizeipräsidien. Demnach kam es vereinzelt zu Angriffen auf mutmaßlich russischsprachige Menschen. Außerdem wurden mehrere Fälle von Sachbeschädigungen gegen russische Geschäfte registriert, bei denen Schaufenster beschmiert und beschädigt worden seien.

Nach Angaben der Behörden gab es zudem mehrere Fälle von Streitigkeiten und Beleidigungen, von denen auch ukrainische Bürger betroffen waren. Allein in Sachsen kam es nach Behördenangaben zu sechs Straftaten in diesem Kontext. Das rheinland-pfälzische Innenministerium sprach auf Anfrage der "Report"-Sendung, die der Südwestrundfunk verantwortet, von einer "emotional aufgeheizten Lage". Demnach teilten mehrere Innenministerien mit, dass sie weitere Straftaten erwarten. Die sächsische Polizei spricht von einer erhöhten Gefährdungslage für offizielle russische und ukrainische Einrichtungen.

Auch die russische Botschaft in Berlin hat sich öffentlich zu den Vorfällen geäußert. Auf ihrer Internetseite beklagt sie einen "starken Anstieg von Fällen gegenüber russischsprachigen Bürgern". Sie ruft Betroffene von Angriffen, Hetze oder Drohungen auf, sich zu melden. Die Botschaft hat nach eigenen Angaben binnen drei Tagen Hunderte Beschwerden von Landsleuten in Deutschland erhalten, die sich über Drohungen und Hassbriefe beklagt hätten. Es gehe dabei unter anderem um Beschädigung von Autos mit russischen Kennzeichen, teilte die Botschaft am Samstag mit. Auch seien Beschimpfungen, Hassbriefe, körperliche Übergriffe und Mobbing unter Schülern gemeldet worden.

Russische Botschaft kritisiert Diskriminierung

Botschafter Sergej Netschajew schickte laut Agentur Interfax eine Note an das Auswärtige Amt, in der er eine angebliche Diskriminierung russischer Landsleute in Deutschland kritisierte. Er forderte "starke Signale der deutschen Regierung" an die Behörden in Ländern, Städten und Kommunen, "um diese Diskriminierung zu beenden". Das Auswärtige Amt bestätigte, dass diese Note dem Ministerium bekannt sei.

Ein Sprecher verwies in dem Zusammenhang auf einen kürzlichen Twitter-Beitrag von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, in dem sie Anfeindungen gegen russische oder belarussische Bürger scharf kritisiert. Wer Menschen aus Belarus oder Russland in Deutschland anfeinde, greife auch "die Grundprinzipien unseres Zusammenlebens" an, hatte Baerbock dort erklärt.

Auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz äußerte sich kritisch zu derartigen Vorfällen. Deutsche aus Russland und in Deutschland lebende russische Staatsbürger seien "zurzeit ungerechtfertigten Anfeindungen ausgesetzt", schrieb Merz in einem offenen Brief an die betroffenen Gruppen. "Unser Feind ist weder das russische Volk, noch sind es die Menschen, die sich ihm verbunden fühlen", heißt es dort weiter. Die Verantwortung für den Krieg trage der russische Präsident Wladimir Putin.

Faeser warnt vor Russenfeindlichkeit

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte bereits am Freitag vor Anfeindungen gegen Menschen mit russischen Wurzeln gewarnt. "Der entsetzliche Angriffskrieg gegen die Ukraine ist Putins Krieg. Es ist nicht der Krieg der Menschen mit russischen Wurzeln, die in Deutschland leben", sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Wir wehren uns ganz entschieden dagegen, dass Menschen aufgrund ihrer russischen Herkunft oder Sprache angefeindet oder diskriminiert werden", erklärte Faeser. Die Proteste gegen den Krieg seien bisher sehr friedlich und breit getragen, erklärte Faeser. "Das soll so bleiben." Sicherheitsbehörden und Polizei seien sensibilisiert und wachsam. "Sie werden jeden Menschen in Deutschland und jede Einrichtung gleichermaßen schützen."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (Archivbild)Bild: Dursun Aydem/AA/picture alliance

CDU-Generalsekretär Mario Czaja wandte sich gegen eine "starke und zunehmende Russenfeindlichkeit in unserem eigenen Land". Seine Partei stehe auch an der Seite russischsprachiger Menschen in Deutschland. "Die Angriffe auf sie, Pöbeleien gegen sie sind nicht in Ordnung. Dagegen müssen wir gemeinsam vorgehen." Es wäre ein Erfolg der Politik von Wladimir Putin, wenn "eine solche Missgunst zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen aufkommt". Die Gegner seien nicht das russische Volk oder russisch sprechende Menschen in Deutschland, sondern "unser Gegner ist der Krieg Putins und ist Putin mit seinem Angriff auf ein freies demokratisches Land".

Kulturstaatsministerin Claudia Roth warnte vor überzogenen Reaktionen gegenüber der russischen Kultur nach dem Angriff auf die Ukraine. "Ich warne vor Tendenzen eines Boykotts russischer Kunst und Kultur oder einem Generalverdacht gegenüber russischen Künstlerinnen und Künstlern und auch allgemein gegenüber Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die aus Russland stammen", sagte die Grünen-Politikerin in Berlin. Kunst und Kultur seien universell.

kle/wa (dpa, epd, tagesschau.de)