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Zurückgeben statt Vergessen

André Moeller

Zahllose Menschen haben erheblichen Gewinn aus der nationalsozialistischen Rassen- und Vernichtungspolitik gezogen. Die Stiftung "Zurückgeben" fordert die Erben der damaligen Profiteure auf, Verantwortung zu zeigen.

Viele profitierten von nationalsozialistischen EnteignungenBild: AP

Vier Frauen wollten den ersten Schritt machen, als sie eine gemeinnützige Stiftung mit dem versöhnlichen Namen "Zurückgeben" ins Leben riefen. Unter ihnen ist die Erziehungswissenschaftlerin Hilde Schramm, Tochter des nationalsozialistischen Staatsarchitekten Albert Speer, der später Hitlers Rüstungsminister war. Außerdem gehören die Psychotherapeutinnen Irene Anhalt und Ursula Wachendorfer, sowie die Psychologie-Professorin Birgit Rommelspacher zu den Stiftungsmitgliedern der ersten Stunde.

Wer profitiert hat, soll zurückgeben

Die Idee der Stiftung ist denkbar einfach: Alle Menschen, die von Enteignungen ihrer jüdischen Mitbürger während der NS-Zeit profitiert haben oder als Erben noch davon profitieren, sollen zur Entschädigung einen freiwilligen Beitrag an die Stiftung leisten. Die wiederum gibt die ihr anvertrauten Gelder symbolisch zurück, indem sie damit Stipendien für künstlerische oder wissenschaftliche Projekte von Frauen jüdischen Glaubens finanziert.

Die Stiftung will einen Beitrag dazu leisten, dass sich "die Träger jüdischer Kultur auch in Deutschland wohlfühlen und hier arbeiten können und so die jüdische Kultur in Deutschland wieder erstarkt", erklärt Geschäftsführerin Karin Wieckhorst.

Schwere Einsicht

Die Stiftungsmitglieder wollen dabei niemanden unter Druck setzen oder "in die Pflicht" nehmen, zumal die Erbengeneration meist keine persönliche Schuld trage: "Es sollte uns aber bewusst sein, dass, wenn wir dieses Erbe annehmen, wir auch das Unrecht tradieren, das an ihm haftet", gibt Gründungsmitglied Rommelspacher zu bedenken.

Und Hilde Schramm meint: "Es fällt den Menschen wohl schwer, die Rassenpolitik mit dem eigenen Leben und Wohlstand in Verbindung zu bringen. Doch man kann nicht die Gegenwart von der Vergangenheit trennen." Es sei nun einmal so, dass auch die Erbengenerationen von Vertreibung und Vernichtung der Juden in Deutschland profitierten.

Der geeignete Weg des "Zurückgebens"

Dass Zurückgeben nicht immer einfach ist, wissen die Stifterinnen nur zu gut. Oft ist es für die Erben schwer einzuschätzen, ob sich unrechtmäßiges Eigentum im Nachlass befindet.

Ein weiteres Mal lässt sich der Gegenwert einer solchen Vorteilnahme nur schwer bestimmen: Zum Beispiel, wenn die Eltern oder Großeltern in die berufliche oder soziale Stellung eines vertriebenen jüdischen Kollegen aufgerückt sind. Trotzdem hat jede für sich den geeigneten Weg gefunden, sich von zu Unrecht erworbenen Werten zu trennen.

Erste Schritte zur Wiedergutmachung

Hilde Schramm beispielsweise wollte mit teils wertvollen romantischen Gemälden, die sie von ihren Eltern erbte, nichts zu tun haben. Sie ließ die Werke versteigern und investierte den Erlös in die Stiftung. Andere Stifterinnen verkauften Möbel, die der NS-Staat aus jüdischem Eigentum beschlagnahmt hatte, um sie Ausgebombten zur Verfügung zu stellen.

Einige spendeten auch einfach einen Geldbetrag, weil der Vater während der NS-Zeit eine Führungsposition in der Industrie besetzte. "Alle Spender sind sich darin einig, dass das Unrecht zwar nicht rückgängig gemacht werden kann", meint Karin Wieckhorst. "Sie sind sich aber auch einig, dass es das einzig Richtige ist, das unrechtmäßig Erworbene zurückzugeben."

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