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"USA könnten Vorbild sein"

Michael Knigge11. Februar 2013

Fatou Bensouda, Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, schildert im DW-Interview die oft schwierige internationale Zusammenarbeit - an der Regierung in Washington könnten sich andere ein Beispiel nehmen.

Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Deutsche Welle: Frau Bensouda, Sie haben - sechs Monate nach Ihrem Amtsantritt - vor Kurzem ihre ersten offiziellen Ermittlungen in Mali begonnen. Wo wird der Schwerpunkt liegen und inwieweit beeinflusst die französische Intervention Ihre Untersuchungen in der Sache?

Fatou Bensouda: Ich habe die Ermittlungen am 16. Januar [2013] aufgenommen. Wie Sie wissen, ist Mali nun der fünfte afrikanische Staat, mit dem sich der Internationale Strafgerichtshof befasst. Die Untersuchungen auf Antrag der malischen Regierung erstrecken sich auf das gesamte Staatsgebiet. Die französische Intervention hat nichts mit der Aufnahme der Ermittlungen zu tun.

Sie haben die anderen Fälle angesprochen, in denen sich das Gericht mit afrikanischen Staaten auseinandersetzt. Wo sehen Sie dort die größten Fortschritte?

Ich würde sagen, dass wir in allen Fällen Fortschritte machen. Die Fälle aus der Demokratischen Republik Kongo werden bereits verhandelt. Die beiden Darfur-Fälle - hier geht es um den Angriff auf den Stützpunkt der Friedenstruppe der Afrikanischen Union in Haskanita im Jahr 2007 - machen ebenfalls Fortschritte. Auch die Anklage gegen den ehemaligen Präsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, kommt voran. Wir haben hier einen Termin für eine weitere Anhörung. Im Hinblick auf Kenia gibt es ebenfalls Fortschritte, und wir können hoffentlich im April mit den Verhandlungen beginnen.

Die Schweiz hat mit breiter internationaler Unterstützung den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, den Strafgerichtshof um Nachforschungen zur Situation in Syrien zu ersuchen. Unterstützen Sie diese Bemühungen, und sehen Sie hier eine gute Grundlage für eine Anklage?

Ich sehe die Schweizer Initiative und die Tatsache, dass sie von 57 Staaten unterstützt wird - als Vertrauensvotum für unser Gericht und für unsere Glaubwürdigkeit. Das ist uns natürlich sehr willkommen, und ich weiß es zu schätzen, dass man derart großes Vertrauen in unser mögliches Eingreifen setzt. Aber wie Sie wissen, ist Syrien keine Vertragspartei des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes. Daher können wir in dem Land nur dann tätig werden, wenn wir tatsächlich einen entsprechenden Auftrag vom UN-Sicherheitsrat bekommen.

Im syrischen Bürgerkrieg gab es bislang geschätzt 60.000 Tote, und ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht. Glauben Sie, dass der Internationale Strafgerichtshof hier etwas tun könnte?

Alles deutet darauf hin, dass in der Tat Zivilisten getötet werden. Wenn die Sache unserem Gericht übergeben würde, müssten wir erst einmal eine vorläufige Analyse erstellen, um zu sehen, ob die Verbrechen in unsere Gerichtsbarkeit fallen.

Sehen Sie aus Ihrer eigenen Perspektive - ohne dass es eine solche Untersuchung gibt - eine Grundlage für mögliche Ermittlungen?

Um es klar zu sagen - vom Internationalen Strafgerichtshof gibt es derzeit keine Analyse der Lage in Syrien. Aber öffentliche Quellen legen nahe, dass es sehr viele Opfer gibt.

Einige Fachleute stellen infrage, ob der Internationale Strafgerichtshof aufgrund fehlender finanzieller Unterstützung überhaupt in der Lage ist, seine Aufgaben richtig zu erfüllen. Das Budget wurde in der Vergangenheit ein wenig angehoben und liegt derzeit bei 37 Millionen Dollar im Jahr. Aber die Zahl der Fälle nimmt weiter zu. Können Sie als Chefanklägerin Ihre Arbeit so erledigen, wie es den Anforderungen entspricht?

Spätestens mit den Ermittlungen in Mali geraten wir in eine Situation, in der wir mehr Mittel benötigen. Wenn wir uns um alle Fälle kümmern wollen, die noch anstehen, stoßen wir an unsere Grenzen. Vor einigen Jahren hatten wir nur ein paar Fälle. Aber es sind immer mehr geworden, und auch die Zahl der Mitarbeiter ist gestiegen. Wenn man es durchrechnet, erkennt man, dass die Vertragsparteien einen Blick darauf werfen müssen, mit welchen Ressourcen der Strafgerichtshof adäquat und qualifiziert arbeiten kann.

Eine Reihe von bedeutenden Staaten wie beispielsweise die USA, Russland oder China und Indien sind keine Mitglieder des Strafgerichtshofs. Einige stehen dem Gericht sogar recht kritisch gegenüber. Sind Sie damit nicht eher ein europäischer und südamerikanischer Klub mit wenig internationaler Unterstützung und geringer Reichweite?

Wenn man die Geschichte und die Entwicklung des Internationalen Strafgerichtshofs betrachtet, sieht man, dass wir in den vergangenen zehn Jahren eine Reihe großer Schritte unternommen haben. Inzwischen waren fast 30 Personen vor dem Gericht angeklagt, wir haben einen Fall abgeschlossen und mehrere Fälle werden derzeit behandelt. Wir sind an einer Reihe vorläufiger Untersuchungen in Afrika und außerhalb Afrikas beteiligt. Ich glaube daher nicht, dass das Gericht in seiner Tätigkeit eingeschränkt ist.

Die USA sind - seit Barack Obama Präsident ist - dem Strafgerichtshof etwas freundlicher gesinnt. Es gab sogar Hoffnungen, dass Obama nun, wo er sich keiner Wiederwahl mehr stellen muss, den Mitgliedsvertrag mit dem Internationalen Strafgerichtshof ratifizieren könnte. Welche Hoffnungen habe Sie hinsichtlich der Beziehungen zu den USA?

Ich möchte nicht über die zweite Amtszeit Obamas spekulieren - alles, was ich sagen kann, ist, dass die USA in der Vergangenheit schon sehr kooperativ waren. Wir haben ein sehr gutes Arbeitsverhältnis mit Washington. Wir arbeiten auch sehr eng zusammen und tauschen Informationen aus, beispielsweise mit dem Botschafter für Kriegsverbrechen, Stephen Rapp. Bei der jüngsten Versammlung der Vertragsparteien war Washington sogar mit Beobachterstatus dabei und hat so indirekt gezeigt, dass die USA die Arbeit des Strafgerichtshofs unterstützen. Ich denke also, dass es hier eine sehr positive Entwicklung gibt.

Könnte eine Ratifikation durch die USA auch ein Signal für andere Länder sein, ihr gespanntes Verhältnis zum Strafgerichtshof zu überdenken?

Ich denke, es wäre sehr ermutigend. Auch andere Staaten sollten dazu ermuntert werden, zumindest mit dem Gericht zusammenzuarbeiten und uns bei unseren Ermittlungen zu helfen. Die USA waren zum Beispiel sehr hilfreich hinsichtlich einiger von uns gesuchten Personen wie etwa Joseph Kony aus Uganda oder Sudans Präsident Omar al-Baschir. Sie werden sich auch daran erinnern, dass die USA im Falle des Sudan deutlich gesagt haben, dass es sich hier um Völkermord handelt. Es gibt also eine ganze Reihe von Angelegenheiten, bei denen uns die USA helfen. Das ist eine Ermutigung für das Gericht, und ich glaube, es könnte ein Vorbild für eine Reihe anderer Staaten sein, die das Römische Statut bisher nicht unterzeichnet haben.

Die Rechtsanwältin Fatou Bensouda aus Gambia ist Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Sie wurde am 15. Juni 2012 vereidigt.

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