Kopten und Muslime
10. März 2011Seit einer Woche kampieren sie vor dem staatlichen Rundfunkgebäude in Kairo: einige Hundert Kopten aus der Stadt Atfih in Mittelägypten. Sie seien nach Auseinandersetzungen mit muslimischen Nachbarn aus ihrer Stadt vertrieben worden, klagen sie. Und sie wollen nicht eher weichen, bis sie nach Hause zurückkehren können. "Wir wollen gleiche Rechte", sagt Magdi Ghanem Fahim, Inhaber eines Haushaltswarengeschäfts, der an der Protestkundgebung teilnimmt. Die Kopten würden von der bestehenden Verfassung benachteiligt. "Das Land verwandelt sich langsam in ein islamisches Land. Das geht natürlich nicht", sagt Magdi. "Hier leben Kopten und Muslime zusammen. Man kann Ägypten nicht in ein islamisches Land verwandeln. Wir wollen eine vollkommen neue Verfassung haben."
Und so kampieren sie am Ufer des Nils. In den kalten Nächten hüllen sie sich in Wolldecken und schlafen auf Pappkartons. Tagsüber beten sie und demonstrieren für ihre Rechte. "Friedlich, friedlich", rufen sie dabei immer wieder. Sie wollen ihren Protest gewaltlos vortragen. Dabei halten sie hölzerne Kreuze und Marienbilder in die Luft.
Der Ruf nach Gleichberechtigung
Doch bei den Protesten der koptischen Minderheit geht es längst nicht immer friedlich zu. In den Randbezirken von Kairo kam es am Dienstag (08.03.2011) zu blutigen Auseinandersetzungen, als rund 1000 Christen gegen die Zerstörung einer Kirche demonstrierten. Dabei gab es nach Behördenangaben mindestens zehn Tote, darunter sechs Christen. Magdi spricht sogar von 13 Toten. Ein anderer Demonstrant bricht fast in Tränen aus. "Wir wollen unsere Rechte. Während der Revolution hieß es, es wird Gerechtigkeit für alle geben, für Weiße und Schwarze, für Muslime und Kopten. Wo bleibt die Gerechtigkeit, von der sie reden? Das sind alles Lügen. Unsere Stimme muss auf der ganzen Welt gehört werden. Wir sind Ägypter und lieben unser Land", so der Demonstrant.
Die sechzehnjährige Magda, die bei der Protestkundgebung als Ordnungskraft arbeitet, kennt nur ein Wort, um die Lage der Christen in Ägypten zu beschreiben. Unerwünscht sagt sie, wir fühlen uns in diesem Land nicht erwünscht. Und fügt hinzu: "Wir haben keine Rechte. Falls den Kopten jetzt etwas passieren sollte, an wen sollten sie sich wenden, wer gibt ihnen ihre Rechte zurück?"
Schlechte Chancen bei Jobsuche
Magda geht auf eine gemischte Schule in Kairo. Dort werde sie nicht diskriminiert, sagt sie. Aber wenn sie einen Beruf ergreifen will, dann, so befürchtet sie, habe sie als Christin schlechte Karten. "Wenn ich einen Job suche, und sie erfahren, dass ich Koptin bin, dann wird meine Anfrage sofort abgelehnt", sagt Magda. "So ist das bei uns, wenn die erfahren, dass wir Kopten sind, lehnen sie alles ab."
Die Kopten in Kairo sind aufgebracht und besorgt. Sie fürchten, dass sie um die Früchte der Revolution gebracht werden und dass ihre Rechte nicht in der neuen Verfassung niedergelegt werden. Aber zu den Demonstranten vor dem Fernsehgebäude sind auch Muslime gekommen. "Wir Christen und Moslems waren die ganze Zeit Brüder", versichern sie den Kopten, die hier gegen ihre Benachteiligung protestieren. Sogar ein Scheich der berühmten Azhar-Universität von Kairo nahm an der Protestkundgebung teil und mahnte Toleranz an. Kirchen müssten genauso geschützt werden wie Moscheen, sagte er.
Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Diana Hodali