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EuGH bestätigt deutsche Regelung

Barbara Wesel 11. November 2014

Deutschland darf arbeitslosen Zuwanderern aus anderen EU Ländern auch künftig Sozialleistungen verwehren. Damit bestätigt der Europäische Gerichtshof deutsches Recht.

Der europäische Gerichtshof entscheidet in grundsätzlichen RechtsfragenBild: picture-alliance/Horst Galusch

Selten wirbeln Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg so viel Staub auf, wie der Fall Dano. Die Klage der arbeitslosen jungen Rumänin auf Zahlung von Sozialleistungen in Deutschland wurde zum Symbol für den Streit um mutmaßliche Gefahren für die Sozialkassen durch eine massenhafte Armutseinwanderung in die reicheren EU-Länder. Der Fall von Elisabeta Dano und ihrem Sohn Florin ist dafür exemplarisch: Sie lebt seit 2010 bei ihrer Schwester in Leipzig und hat weder in Rumänien noch in Deutschland je gearbeitet. Die Sozialbehörden zahlten ihr Kindergeld und vorübergehend einen Vorschuss auf Unterhalt. Dann beantragte sie Leistungen nach Hartz IV - ohne Erfolg. Sie klagte gegen die Behörden und das Sozialgericht Leipzig legte die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung in Luxemburg vor.

Klare Entscheidung

Der heutige Richterspruch von dort ist jetzt eindeutig: Die europäischen Regelungen erlauben es den Aufnahmeländern, arbeitslosen Zuwanderern unter bestimmten Voraussetzungen keine Sozialleistungen zu zahlen. Bei einer Aufenthaltsdauer zwischen drei Monaten und fünf Jahren, wie im Fall Dano, müssten nicht erwerbstätige Personen über ausreichend eigene Mittel zum Leben verfügen. Ist das nicht der Fall, dürfen die Länder die Zahlung verweigern, wenn jemand eingereist ist, nur um in den Genuss der Sozialhilfe des Aufnahmelandes zu kommen. Allerdings fügen die obersten Richter hinzu, dass jeder Einzelfall geprüft werden müsse. Das Urteil soll nicht dazu dienen, Zuwanderern ohne Arbeit pauschal die Sozialleistungen zu verwehren.

Hintergrund dieses Falles sind Interessenkonflikte und Fragen der Rechtsauslegung zwischen Europäischer Kommission und EU-Mitgliedsländern, in diesem Fall Deutschland. Brisant wurde das Problem, seitdem Anfang des Jahres die Freizügigkeit auch für Bürger aus Rumänien und Bulgarien in Kraft trat. Zugleich hatte die Kommission im Verfahren Dano Stellung genommen: Sie plädierte dafür, dass Deutschland den Zugang zu Hartz IV Leistungen erleichtern solle, was von CSU- Politikern empört kommentiert wurde. Im Februar setzte dann die Bundesregierung eine Arbeitsgruppe ein, die sich mit weiteren Regeln zur Verhinderung von sogenanntem Sozialmissbrauch befassen soll. Zur Debatte steht dabei auch - angeregt von der CSU - die Frage, wie man manchen Zuwanderern dern Anspruch auf Kindergeld verwehren könne. Jetzt hat der EuGH der deutschen Politik zumindest einen Leitfaden an die Hand gegeben, mit dem die weitere Diskussion geführt werden kann.

Positive Reaktionen

"Ich bin happy, das ist ein gutes Urteil", sagt der CDU-Sozialpolitiker im Europaparlament Thomas Mann. Das Gericht habe eine klare Botschaft mit Signalwirkung geschickt, und für ihn besonders wichtig sei, dass man jetzt den Populisten bei der AfD Paroli bieten könne. Sie könnten nicht weiter ihre billige Polemik verbreiten, dass es in Europa keine Regeln gebe und keinen Schutz gegen Sozialmissbrauch. Auch seine sozialdemokratische Kollegin Jutta Steinruck begrüßt den Richterspruch. "Er bestätigt die gängige deutsche Rechtspraxis und schafft vor allem Rechtssicherheit für die Kommunen." Hintergrund ist, dass bislang deutsche Gerichte in ähnlichen Fällen durchaus unterschiedlich urteilten. In Nordrhein-Westfalen etwa wurde einigen Klägern Recht gegeben, so dass die Gemeinden zahlen mussten. Darüber hinaus betont die Abgeordnete aber auch, dass man zwar Schlupflöcher gegen den Missbrauch der Freizügigkeit stopfen müsse, die Zuwanderung aber insgesamt für Deutschland ein großer Gewinn sei. Auch dürfe man keine Zwei- oder Dreiklassengesellschaft bei den Sozialleistungen schaffen, diese Balance müsse die Politik schaffen.

Bettelnde Rumänin in Dortmund. Die Kommunen klagen über zunehmende Armutszuwanderung.Bild: imago/epd

Gespensterdiskussion

Für politisch aufgeheizte Rhetorik hält Prof. Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg einen großen Teil dieser Debatte: "Es gibt kein Sozialschmarotzertum in Deutschland." Man habe gerade 195 Fälle gefunden, wo der Tatverdacht auf Leistungsmissbrauch bestehe. Abgesehen davon bedeute das heutige Urteil im Wesentlichen, dass für Deutschland alles so bleibe wie es ist. Zwar sei im Laufe des Jahres die Zahl von Sozialhilfeempfängern unter Bulgaren und Rumänen um rund 66 Prozent gestiegen, prozentual aber liegen sie damit immer noch unter der Quote von Deutschen oder anderen Ausländern, die Hartz IV Leistungen erhalten, sagt Prof. Brücker. Außerdem weist er darauf hin, dass die deutsche Renten- und Krankenversicherung im Saldo mehr Geld aus den Leistungen rumänischer und bulgarischer Arbeitnehmer erhalte, als die Sozialkassen an sie auszahlen müssten. Grundsätzlich, so hat sein Institut heraus gefunden, sind insbesondere Rumänen entgegen den gängigen Vorurteilen besonders gut am deutschen Arbeitsmarkt integriert.

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