Zuwanderung russischer Juden weiter in der Diskussion
19. Januar 2005Nach der bisherigen Regelung aus dem Jahr 1991 dürfen Personen, die jüdischen Glaubens sind oder von mindestens einem jüdischen Elternteil abstammen, ohne weitere Vorbedingung zuwandern. Rund 200.000 Juden aus der früheren Sowjetunion nutzten bisher den erleichterten Zugang nach Deutschland. Von einem Erfolg spricht die Bundesregierung, weil die osteuropäischen Zuwanderer viele jüdischen Gemeinden in Deutschland am Leben erhielten. Probleme macht aber die Integration mancher Einwanderer wegen mangelnder Sprachkenntnisse und geringer Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Integration als Voraussetzung
Die zuständigen Innenminister der Bundesländer wünschen sich deshalb neue Regelungen. So sollen Antragsteller abgelehnt werden können, wenn in Deutschland eine dauerhafte Abhängigkeit von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld zu erwarten ist. Zuwanderer, deren Ehepartner und Kinder über zwölf Jahre, sollen Grundkenntnisse in Deutsch nachweisen. Außerdem sollen die Zuwanderungswilligen schon von ihrem Herkunftsland aus eine jüdische Gemeinde in Deutschland finden, die sie aufnehmen will. Denn bisher schließt sich nur jeder zweite Zuwanderer einer jüdischen Gemeinde in Deutschland an. Deren Stärkung aber, so meint der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, sei das eigentliche Ziel der bisherigen großzügigen Regelung.
Kritik von jüdischen Organisationen
Die von den zuständigen Länder-Innenministern vertraulich vereinbarte Verschärfung der Bedingungen stößt jedoch auf Kritik. Zuallererst beim Zentralrat der Juden und der Union Progressiver Juden. Beide halten die Hürden für zu hoch. Auch aus den Regierungsparteien kommen Bedenken. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, erinnerte gegenüber der Deutschen Welle daran, dass für Juden wegen des Antisemitismus in Russland und der historischen Verantwortung Deutschlands besondere Zuwanderungsregeln gelten. Eine Neuregelung in diesem Bereich könne nur im Konsens mit den jüdischen Organisationen getroffen werden, sagte Beck. "Mir liegen Schreiben von drei jüdischen Organisationen vor, die alle gegen die Überlegungen der Länderinnenminister Sturm laufen. Wir brauchen hier noch einmal eine gründliche Debatte", sagte Beck.
Länder entscheiden mit Bundesinnenminister
Anders als ihr grüner Kollege Beck meint die SPD-Innenpolitikerin Cornelie Sonntag-Wolgast, dass auch für die jüdischen Zuwanderer künftig Kriterien bei den Deutschkenntnissen, den Chancen auf einen Arbeitsplatz und Integration gelten sollten. Allerdings will auch die SPD-Politikerin, die dem Innenausschuss des Bundestages vorsitzt, nichts ohne die jüdischen Organisationen verändern. Ähnlich äußerte sich bisher Bundesinnenminister Otto Schily.
Die Entscheidung über die neuen Anforderungen für jüdische Zuwanderer liegt nach dem neuen Zuwanderungsgesetz bei den Bundesländern im Einvernehmen mit dem Bundesinnenminister. Die Innenminister der Länder hüllen sich bisher weitgehend in Schweigen über ihre vertrauliche Absprache. Beschlossen haben sie allerdings, so heißt es, dass wenigstens für jene Zuwanderer, die bis Ende 2004 bereits eine Zusage aus Deutschland haben, noch die alte Regelung gilt.