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Zwangsarbeit der Uiguren wirft einen Schatten auf Modefirmen

3. Juni 2023

Menschenrechtler beschuldigen Skechers, Zara und andere Modemarken, über Zwischenzulieferer von der Zwangsarbeit der Uiguren in chinesischen Umerziehungslagern zu profitieren.

Ein Webarbeiter in einem Textilunternehmen in Xinjiang
Textilindustrie in XinjiangBild: VCG/imago images

Profitieren internationale Modeunternehmen von der Zwangsarbeit, die Angehörige der Volksgruppe der Uiguren in chinesischen Umerziehungslagern zu leisten haben? Diesen Vorwurf erheben nun mehrere Aktivistengruppen. Sie beschuldigen eine Reihe führender Modemarken, an Verbrechen gegen Angehörige der Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang beteiligt zu sein.

So reichten die Antikorruptionsorganisation Sherpa, das Kollektiv Ethics on Labels, das European Uyghur Institute und eine ehemals in einem solchen Lager inhaftierte Uigurin letzte Woche bei einem Pariser Gericht eine entsprechende Klage ein.

Die Kläger nennen darin eine ganze Reihe von Unternehmen: ein französisches Tochterunternehmen des japanischen Bekleidungsriesen Uniqlo, dessen Muttergesellschaft Fast Retailing sowie Inditex, den Eigentümer der Marke Zara; dazu auch das französische Modehaus SMCP und den US-amerikanischen Schuhhersteller Skechers.

Menschenrechtsorganisationen gehen von über einer Million Menschen aus, zumeist uigurische Muslime, die in China in "Umerziehungslagern" festgehalten und gegen ihren Willen zur Arbeit verpflichtet werden.

Durch ihre Zusammenarbeit mit Zulieferern, die ihre Produkte aus den aus Zwangsarbeit beruhenden Fabriken bezögen, seien die genannten Unternehmen an Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord, schwerer Unfreiheit und Menschenhandel beteiligt, so die Ankläger. Sie räumen allerdings ein, dass die Unternehmen keine vollständige Kontrolle über ihre Zulieferer hätten.

Mutmaßliches Internierungslager für Uiguren in XinjiangBild: GREG BAKER/AFP/Getty Images

Jedes fünfte Kleidungsstück ein Produkt von Zwangsarbeit?

"Multinationale Unternehmen, die Baumwolle aus der Region verwenden oder auf Subunternehmer zurückgreifen, die von chinesischen Regierungsprogrammen profitieren, können nicht ignorieren, dass ihre Produkte durch Zwangsarbeit der Uiguren hergestellt werden könnten", heißt es in der Beschwerde. "Durch die Vermarktung dieser Produkte profitiert die Modeindustrie von den schweren Verbrechen, die an dieser Bevölkerung verübt werden."

Ein Fünftel der weltweiten Baumwollproduktion stamme aus der uigurischen Region, heißt es in der Erklärung. Das bedeute, jedes fünfte Kleidungsstück aus Baumwolle könnte auf Grundlage von Zwangsarbeit produziert worden sein.

Die chinesische Regierung hat Behauptungen über Zwangsarbeit zurückgewiesen. Ihr zufolge handelt es sich bei den Lagern um Berufsbildungszentren, die eine Ausbreitung des Extremismus verhindern sollten.

US-Verbot für Produkte aus Xinjiang

Ein Sprecher von Fast Retailing in Tokio erklärte gegenüber der DW, das Unternehmen habe von der Beschwerde über Medienberichte erfahren.

"Wir sind nicht von den Behörden benachrichtigt worden. Aber wenn wir benachrichtigt werden, werden wir in vollem Umfang mit der Untersuchung kooperieren, um sicherzustellen, dass es in unseren Lieferketten keine Zwangsarbeit gibt", so der Unternehmenssprecher.

Bereits im April 2021 hatten die Menschenrechtsgruppen eine Klage gegen die genannten Unternehmen eingereicht. Die Pariser Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren jedoch mit der Begründung ein, sie sei für die Verfolgung dieser Art von Straftaten nicht zuständig.

Vorwurf: China setzt Unternehmen unter Druck

Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) fürchtet, die Kleidung bekannter Marken könnte in Zwangsarbeit hergestellte Komponenten enthalten. Zwar beteiligt sich HRW nicht an der nun in Paris eingereichten Klage. Dennoch beobachtet die Organisation die Behandlung von Minderheiten in China genau. "Unserer Ansicht nach sind die von der chinesischen Regierung auferlegten Einschränkungen so groß, dass die Unternehmen keine Sorgfaltsprüfungen durchführen können", sagt Sophie Richardson, Leiterin der chinesischen Menschenrechtsarbeit der Organisation. "Die Inspektoren der Unternehmen können nicht an diesen Standorten auftauchen und feststellen, ob die Arbeiter fair behandelt werden oder nicht."

Betroffene Unternehmen bezeichneten ihre Kritiker oft als geschäftsfeindlich, so Richardson. Das sei aber nicht der Fall. "Wir erwarten von allen Unternehmen, ihre Sorgfaltspflicht in Bezug auf Menschenrechte zu dokumentieren. Damit stellen sie sicher, keine Menschenrechtsverletzungen zu verursachen oder dazu beizutragen." Stellten sich die Unternehmen dieser Prüfung und ließen sich die Probleme beheben, dann könnten sie unbehelligt weiterarbeiten, so Richardson.

"Der fehlende Zugang zu diesen von der chinesischen Regierung streng kontrollierten Gebieten, ist allerdings ein Problem. Auf ausländische Unternehmen, die eine ernsthafte Prüfung durchführen wollen, üben die Behörden erheblichen Druck aus."

Profiteur von Zwangsarbeit? Das Modelabel "Zara"Bild: picture-alliance/Andreas Geber

Angst vor Ärger Chinas

Marken hätten eine "ethische und moralische Verpflichtung, die grundlegenden Menschenrechte zu wahren", sagt Roy Larke, Dozent für Marketing an der Universität von Waikoto in Neuseeland und Experte für Einzelhandel und Verbraucherverhalten. Ein großes Unternehmen wie Uniqlo sei sich der "wahrscheinlichen kommerziellen Konsequenzen bewusst, wenn es dieser Verpflichtung nicht nachkommt", so Larke weiter.

Uniqlo war bereits in anderer Hinsicht aufgefallen: Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hatte sich das Unternehmen nur sehr zögerlich aus Russland zurückgezogen. Erst im August setzte es seine Geschäfte aus. Und auch das nur, nachdem eine frühere Ankündigung, auf dem russischen Markt zu bleiben, in der Öffentlichkeit auf heftige Kritik gestoßen war.

Wichtiger als die moralische Haltung der Marke sei aber die Frage, inwiefern sich die Kunden einer Marke für diese Haltung interessierten - und zwar vor allem dann, wenn diese Marke qualitativ hochwertige Produkte zu einem vernünftigen Preis anbiete, so Larke. "Für Uniqlo und viele andere internationale Marken stellt sich zudem das Problem, wie sie mit der Kritik an der Lieferkette in China umgehen sollen, wenn China gleichzeitig ein wichtiger Markt für die Marke ist."

Derzeit hat Uniqlo 720 Geschäfte in Japan und 925 in China. Zugleich trägt China erheblich zum angepeilten weltweiten Jahresumsatz von fünf Billionen Yen (33,3 Milliarden Euro) bei. "Als global agierendes Unternehmen kann es sich nicht leisten, erwiesene Menschenrechtsverletzungen zu unterstützen. Ebenso wenig kann es sich aber leisten, die chinesische Regierung zu verärgern. Allerdings hat Uniqlo wie andere internationale Marken Uniqlo das Recht, als unschuldig zu gelten, bis das Gegenteil bewiesen ist", sagt Larke.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.