Atomwaffensperrvertrag
1. Juli 2008Drei Seiten Papier sind nicht genug, um die Welt zu retten. Um einen Beitrag dazu zu leisten aber allemal. Am Dienstag (1.7.08) feiert der Nuklearwaffen-Nichtverbreitungsvertrag (NVV) sein 40-jähriges Jubiläum. Seitdem das Abkommen – auch als Atomwaffensperrvertrag bekannt – am 1. Juli 1968 zur Unterschrift geöffnet wurde, sind ihm 191 Staaten beigetreten.
Mit seinen nur elf Artikeln ist der Vertrag in erster Linie eine Willenserklärung der Unterzeichner. Darin werden die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich als offizielle Atomwaffenmächte anerkannt. Der NVV verbietet die Verbreitung von Kernwaffen oder Hilfe zu ihrer Herstellung und fordert auch von den offiziellen Atommächten Anstrengungen, ihre Arsenale abzubauen. Gleichzeitig wird das Recht auf die friedliche Nutzung der Kernenergie nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich bekräftigt.
Anpassung an neue Herausforderungen
Mehr als alles andere war der Sperrvertrag während des Kalten Krieges eine Beschreibung des Status Quo. Das Grundsatzabkommen in einen detaillierten Forderungskatalog zu überführen, war unnötig. Heute reicht das reicht nicht mehr. Der Status Quo ist Geschichte; stattdessen gibt es eine Vielzahl neuer Sicherheitsprobleme auf der ganzen Welt. Doch den Sperrvertrag den neuen Gegebenheiten anzupassen, fällt schwer. So scheiterten konkrete und umfassende nukleare Abrüstungsverpflichtungen bei den NVV-"Überprüfungskonferenzen" in den Jahren 1995 und 2000 unter anderem am Widerstand der USA.
Auch andere Annahmen auf denen der NVV aufbaut, sind in Frage gestellt. Die zivile und militärische Nutzung der Atomenergie ist technisch heute kaum mehr voneinander zu unterscheiden: Wer das eine kann, schafft das andere. Weil der Vertrag die zivile Nutzung der Kernenergie unterstützt, sind Kontrollen, die die militärische Anwendung verhindern sollten, umso wichtiger, meint Sicherheitsexperte Michael Brzoska. Doch genau daran hapere es, sagt der Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg. Die Probleme der Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEA bei der Untersuchung der Nuklear-Aktivitäten im Iran oder in Nordkorea sind nur zwei Beispiele dafür.
"Illegale" Atomwaffenstaaten
Ebenso problematisch sei der Umgang mit den Atomwaffenstaaten, die nicht zum Sperrvertrag gehören, darunter Israel, Indien und Pakistan. Die beiden nicht immer friedlichen Nachbarn vom Subkontinent in das internationale Nichtverbreitungs-System zu bringen, ist schwer genug. Das US-Angebot an die Inder, bei der zivilen Atomnutzung zu kooperieren, "unterminiert nach Ansicht vieler Mitgliedstaaten [des Abkommens] den Atomwaffensperrvertrag zusätzlich", so Brzoska.
Andererseits könnten wohl nur umfassende regionale Sicherheitsabkommen für den Nahen Osten und den indischen Subkontinent "Indien, Pakistan und Israel davon überzeugen, dem Vertrag beizutreten".
Auch andere internationale Abkommen, die den Nichtverbreitungsvertrag ergänzen sollen, haben es schwer. Einige Abrüstungsinitiativen, wie der START-Vertrag zwischen den USA und Russland, sind regional und zeitlich begrenzt. Andere wie der Umfassende Atomteststopp-Vertrag sind nicht in Kraft, weil mehrere Atomstaaten ihn noch nicht ratifiziert oder unterschrieben haben.
Langsames Umdenken
"Es geht aber nicht wirklich darum, Dokumente zu verändern, sondern die Einstellungen in den Köpfen", sagt Bruce Kent, langjähriger Präsident und jetziger Vize der Campaign for Nuclear Disarmament (CND) in Großbritannien. Dass der Sperrvertrag wegen mangelnder Details für die heutige Situation nicht mehr relevant sei, lässt Kent nicht gelten. "Die Zehn Gebote passen auch auf eine Postkarte. Das macht sie nicht weniger eindeutig." Im diesem Sinne muss die Philosophie, die dem Sperrvertrag zugrunde liegt, für alle gelten. Andernfalls nimmt sie niemand ernst, so Kent, und er nennt ein Beispiel. Das iranische Atomprogramm sei eine ernste Herausforderung. Doch der denkbar schlechteste Weg damit umzugehen, sei, dem Land zu drohen und dabei auch die "nukleare Option" nicht auszuschließen, sagt Kent. "Das ist tatsächlich der beste Anreiz für den Iran, sich diese Waffen selber zu besorgen."
Dass Veteranen des Kalten Krieges wie der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger nun der Abschaffung von Atomwaffen das Wort reden, zeige, dass sich auch in den Köpfen etwas ändere, sagt Kent. Bis sich daraus irgendwann neue internationale Abrüstungsabkommen entwickeln, darauf wollen die Atomwaffengegner nicht warten. CND und andere Organisationen haben bereits 1997 ein Modell für eine internationale Atomwaffen-Konvention entworfen und 2007 aktualisiert. Das über 60-seitige Werk könnte einmal die Grundlage für ein echtes internationales Abkommen bilden, das den endgültigen Abschied von Atomwaffen einläutet, hoffen die Autoren.