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Zwangslizenzen für Impfstoffe: Pro & Contra

6. Februar 2021

Der Verteilungskampf um den Corona-Impfstoff ist in vollem Gang. Können Zwangslizenzen dazu beitragen, dass die weltweite Produktion steigt? Die DW hat Argumente dafür und dagegen zusammengetragen.

Palestina Nablus Coronavirus Impfung
Bild: Jaafar Ashtiyeh/AFP/Getty Images

CONTRA
 

  • Patente dienen Pharmafirmen als Ansporn für Forschung und Innovation. Durch die Einnahmen aus Lizenzen können die Konzerne ihre Ausgaben für Forschung wieder einspielen und sind vor der Konkurrenz billiger Generikaproduzenten geschützt.
     
  • Zwangslizenzen sind für Impfstoffe nicht geeignet, weil diese nur vorübergehend und für vorher definierte Mengen erlaubt sind und deshalb Massenimpfungen nicht abdecken würden. So sieht es das als "TRIPS-Abkommen" bekannte"Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums" von 1994 vor. Außerdem sind Rechtsstreits und Verhandlungen bei Zwangslizenzen zeitaufwändig und verhindern eine schnelle Produktion der Medikamente. 
     
  • Zwangslizenzen schrecken Pharmakonzerne von Investitionen ab und können zu Sanktionen führen. So zog der US-Konzern Abbott nach der Zwangslizenz für ein antiretrovirales AIDS-Medikament 2007 vorerst alle seine Zulassungsanträge in Thailand zurück. Dies hatte zur Folge, dass der antiretrovirale Cocktail Kaletra, der von der WHO als Standard-Medikament empfohlen war, im Land nicht verfügbar war.
     
  • Es gibt Alternativen zu Zwangslizenzen. Unternehmen können freiwillige oder vorübergehende Lizenzen vergeben oder Kooperationsverträge abschließen. So unterzeichnete AstraZeneca im Juni 2020 ein Abkommen mit dem weltgrößten Hersteller von Impfstoffen, dem "Serum Institute of India" (SII). Damit kann der indische Konzern eine Milliarde Impfdosen für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen lizenzfrei herstellen.


PRO

  • Die Welthandelsorganisation WTO sieht vor, dass in Ausnahmesituationen geistiges Eigentum und Patentrechte vorübergehend aufgehoben werden können. Das TRIPS-Abkommen legt in Artikel 31 fest, dass Mitgliedsstaaten bei einem nationalen Notstand Zwangslizenzen für die Produktion einer für sie bedeutsamen Erfindung erteilen können. Dies könnte auf den Mangel an Impfstoffen zutreffen. Denn laut der britischen Nichtregierungsorganisation Oxfam haben reiche Länder mit 13 Prozent der Weltbevölkerung  mehr als die Hälfte der bisher geplanten Impfstoffproduktion aufgekauft.
     
  • Brasilien und Thailand haben während der AIDS-Pandemie bereits Erfahrungen mit Zwangslizenzen gesammelt. Die Drohung Brasiliens, eine Zwangslizenz für die Produktion der antiretroviralen Medikamente Efavirenz (Merck) und Nelfinavir (Roche) zu verhängen, führte 2001 zu einer Preissenkung um 60 Prozent. 2007 kam erstmals eine Zwangslizenz gegen Merck zum Einsatz, nachdem erneute Verhandlungen über Preisnachlässe gescheitert waren. Thailand verhängte im Januar 2006 Zwangslizenzen gegen die Firmen Abbott, Hersteller von Kaletra, und Sanofi-Aventis, Hersteller von Plavix. Auch wenn Abbott anschließend Sanktionen verhängte, konnte Thailand die AIDS-Medikamente dadurch günstig herstellen.
     
  • Da die Forschung für die Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde, sollten auch die Ergebnisse öffentlich zugänglich sein. Das Recht auf Gewinne für Pharmaunternehmen darf nicht höher bewertet werden als das Recht  auf Gesundheit.
     
  • Zwangslizenzen bewirken mehr als Appelle. Die internationale Gemeinschaft hat den Appell der Weltgesundheitsorganisation WHO vom 19. Mai 2020, eine weltweite "Technologie-Plattform" für Covid-19-Produkte zu schaffen, damit Impfstoffe, Medikamente und geistige Eigentumsrechte als "globales öffentliches Gut" verfügbar gemacht werden können, weitgehend ignoriert. Auch die von der WHO ins Leben gerufene Initiative "Covid-19 Vaccines Global Access" (COVAX), die Ländern unabhängig von ihrer Kaufkraft Zugang zu Impfstoffen verschaffen soll, ist stark unterfinanziert. 
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