1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteIsrael

Zwei Jahre Krieg zwischen Israel und Hamas - eine Bilanz

6. Oktober 2025

Am 7.10.2023 traf der Terrorangriff der Hamas Israel bis ins Mark. Zwei Jahre lang führt Israel seitdem einen blutigen Krieg in Gaza und der Region - und veränderte damit dramatisch die politische Landkarte in Nahost.

Israel Tel Aviv 2025 | Proteste für Freilassung israelischer Geiseln und Ende des Gaza-Krieges - Porträt einer Frau, die ihr Gesicht mit einer israelischen Flagge und roten Tränen unter den Augen bemalt hat
Das Trauma des 7. Oktober 2023 sitzt tief in Israel - und bis heute ist das Land tief gespalten in der Frage, wie es mit dem Erbe dieses Tages umgehen sollBild: Ronen Zvulun/REUTERS

Es war einer der schwärzesten Tage in der Geschichte Israels, und er traf das Land völlig unvorbereitet: Am 7. Oktober 2023 überwanden zahlreiche radikalislamische Kämpfer der Hamas und anderer Terrormilizen aus Gaza die stark gesicherten Grenzanlagen, drangen weit nach Israel ein, töteten mehr als 1200 Menschen und verschleppten rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen. Das Trauma dieser Verwundbarkeit ist in Israel bis heute spürbar.

Ein Landstrich in Trümmern: Blick auf Gaza-Stadt im September 2025Bild: Hassan Jedi/Anadolu Agency/IMAGO

Es waren auch zwei der schwärzesten Jahre in der Geschichte der Palästinenser. Denn nur einen Tag später beschloss Israels Regierung, den Gazastreifen anzugreifen. Seitdem, berichtet das von der Hamas geführte Gesundheitsministerium in Gaza, sind dort mehr als 65.000 Menschen getötet und über 160.000 weitere verletzt worden - möglicherweise liegen die tatsächlichen Opferzahlen sogar noch höher

Über 90 Prozent der Wohnhäusersind laut UN zerstört oder beschädigt. In weiten Teilen des Gazastreifens herrscht eine akute Hungersnot, über 1,9 Millionen Menschen sind Binnenflüchtlinge- in einem Gebiet, das nur unwesentlich größer ist als die norddeutsche Stadt Bremen.

Israels Kriegsziele nur teilweise erreicht

Unter dem Eindruck des Massakers vom 7. Oktober 2023 hatte Israels Premier Benjamin Netanjahu zwei Kriegsziele ausgerufen: die Befreiung aller Geiseln und die vollständige Zerschlagung der Hamas. Zwei Jahre später sind trotz aller Anstrengungen beide Ziele nicht vollständig erreicht.

Von den 251 Geiseln sind bislang 148 lebend nach Israel zurückgekehrt – wobei lediglich acht von ihnen durch das israelische Militär befreit wurden. Die restlichen 140 wurden von der Hamas freigelassen – meist im Austausch gegen eine große Zahl in Israel inhaftierter Palästinenser.

Auch die Leichen mehrerer ums Leben gekommener Geiseln wurden mittlerweile zurückgegeben. Doch noch befinden sich laut Angaben der israelischen Regierung 47 Geiseln in den Händen der Hamas. Allerdings sollen nur noch rund 20 von ihnen am Leben sein. 

Israelische Demonstranten fordern einen Waffenstillstand und die Rückkehr aller verbliebenen Geiseln aus GazaBild: Mostafa Alkharouf/Anadolu/picture alliance

Und auch die Hamas existiert weiter. Zwar sind in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Kämpfer der in Israel, der EU und den USA als Terrororganisation gelisteten Gruppierung getötet worden – die jüdisch-amerikanische Lobbyorganisation J-Street sprach in einem jüngst veröffentlichten Bericht von bis zu 23.000.

Auch hat die israelische Armee eine ganze Reihe führender Köpfe eliminiert, so etwa Ismail Hanija oder Jihia al-Sinwar. Dennoch ist die Gruppe weiter aktiv. J-Street zufolge hat sie sich von einer paramilitärischen Organisation zu einer dezentralen Guerillatruppe gewandelt. 

Trumps Friedensplan - eine Chance für Gaza?

03:00

This browser does not support the video element.

Sollte der in der vergangenen Woche vorgestellte 20-Punkte-Plan von US-Präsident Donald Trump für Gaza tatsächlich umgesetzt werden, würde in Israels Kriegsbilanz noch einmal Bewegung kommen. Denn der Plan sieht vor, dass alle noch verbliebenen Geiseln freigelassen werden sollen.

Außerdem soll die Hamas entwaffnet werden; Kämpfer, die sich "zu einer friedlichen Ko-Existenz bekennen", würden laut Plan eine Amnestie erhalten. Faktisch wäre das das Ende der Hamas als bewaffnete Miliz. Ob jedoch ihre Ideologie überhaupt je vollständig zerschlagen werden könnte, bliebe weiter ungewiss.

Israels Feinde militärisch geschwächt

Der blutige Konflikt der vergangenen zwei Jahre blieb aber nicht auf Gaza beschränkt. Die im Libanon tätige Hisbollah und die Huthis im Jemen solidarisierten sich unmittelbar nach Beginn des Gaza-Krieges mit der Hamas – alle drei gelten als vom Iran finanziell und militärisch unterstützt.

Die Hisbollah hat Israel im Verlauf der Jahre 2024 und 2025 mehrfach angegriffen, insbesondere nachdem der Hamas-Anschlag am 7. Oktober 2023 den Konflikt verschärfte. Auch die Huthi-Miliz feuerte seitdem immer wieder mit Raketen und Drohnen auf Israel.

Israel ging, militärisch durchaus erfolgreich, gegen alle diese Organisationen vor. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah wurde bei einem Luftangriff in Beirut getötet, zahlreiche Kämpfer wurden Opfer einer Aufsehen erregenden ferngesteuerten Pager-Attacke. In Kombination mit weiteren Luftangriffen auf den Südlibanon wurde die Hisbollah deutlich geschwächt.

Durch israelische Luftangriffe zerstörter Wohnkomplex in Beirut. An einer Hauswand hängt noch das Plakat des getöteten Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah Bild: DW

Auch gegen den Iran flog die israelische Luftwaffe tagelang Angriffe, dabei wurde das Atomprogramm des Landes schwer beschädigt. Dass Hamas-Führer Ismail Hanija durch einen Luftangriff mitten in Teheran getötet werden konnte, war für das dortige Regime eine zusätzliche Schmach.

Durch den Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad Ende 2024 in Syrien verlor der Iran einen weiteren Verbündeten in der Region. Die bislang im sogenannten "Schiitischen Halbmond" vereinten Gegner Israels in Iran, Syrien, dem Libanon und Gaza wurden also empfindlich getroffen – und Israels militärische Vormachtstellung in der Region ist mittlerweile stärker denn je.

Israel und die Araber: eine Geschichte von Hass und Gewalt?

13:44

This browser does not support the video element.

Völkermord-Vorwurf und außenpolitische Isolation

Doch der politische Preis für diese strategischen Erfolge ist hoch. Insbesondere die Art der Kriegsführung führte international zu massiver Kritik an der israelischen Regierung.

In den vergangenen zwei Jahren hatte Israels Armee in Gaza auch Krankenhäuser und Schulen bombardiert, tausende Frauen und Kinder sowie zahlreiche Medienschaffende, Rettungskräfte sowie Mitarbeitende von Hilfsorganisationen getötet. Immer wieder wurden humanitäre Hilfslieferungen für die notleidende Zivilbevölkerung zurückgehalten – mit dem Hinweis, diese dürften nicht in die Hände der Hamas gelangen.

All das hat der israelischen Regierung den Vorwurf eines Genozids an den Palästinensern eingebracht. Mittlerweile sprechen die UN-Menschenrechtskommission, die weltgrößte Vereinigung von Genozid-Forschern sowie selbst einige israelische Menschenrechtsorganisationenwie B'Tselem und Physicians for Human Rights offen davon, dass Israel in Gaza Völkermord begehe – was die israelische Regierung vehement zurückweist.

Ungarn-Visite trotz Internationalem Haftbefehl: Im April 2025 reiste Benjamin Netanjahu zum Staatsbesuch zu Viktor Orban nach BudapestBild: Attila KISBENEDEK/AFP

Schon im Dezember 2023 verklagte Südafrika Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IStGh) wegen Verstoßes gegen die Völkermordkonvention. Im November 2024 erließ der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu und den damaligen Verteidigungsminister Joav Galant wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Beide Verfahren wurden von Israel und seinen Unterstützern scharf kritisiert – Ungarn hat daraufhin sogar angekündigt, den IStGh verlassen zu wollen.

Palästina-Anerkennung und drohende EU-Sanktionen

Die immer aussichtslosere Situation der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza sorgte auch für einen Schub für die Anerkennung Palästinas als eigenständigem Staat. Am 7. Oktober 2023 waren es weltweit noch 137 Staaten gewesen, die einen eigenen Palästinenserstaat anerkannt haben; zwei Jahre später sind es schon 20 mehr, darunter auch so bedeutende Länder wie Frankreich, Großbritannien, Spanien, Australien oder Kanada.

Sie alle wollen damit zum Ausdruck bringen, dass sie an einer Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten festhalten – dabei hat Israels Premier Benjamin Netanjahu dieser Idee schon eine klare Absage erteilt. Er verurteilt die Anerkennung als angebliche "Belohnung" für den Terror der Hamas – auch wenn alle neu anerkennenden Staaten ausgeschlossen hatten, dass die Hamas eine Rolle bei der Ausgestaltung Palästinas spielen könnte.

Als Reaktion auf den fortgesetzten Krieg in Gaza haben zahlreiche Länder ihre Waffenexporte nach Israel auf Eis gelegt. Eine ganze Reihe von Staaten, darunter Kolumbien, Südafrika oder Malaysia, haben Sanktionen gegen Israel verhängt.

Auch die EU berät seit langem darüber, das Land mit wirtschaftlichen Strafmaßnahmen zu belegen – eine immer größer werdende Zahl an Mitgliedstaaten ist etwa dafür, das EU-Assoziierungsabkommen mit Israel auszusetzen, visafreie Reisen für israelische Staatsbürger einzuschränken oder Importe aus den Siedlungen in der Westbank zu blockieren. Deutschland und einige andere EU-Staaten weigern sich bislang jedoch, diese Schritte mitzugehen.

Im Inneren zerrissenes Land

Und auch in Israel selbst gehen die Meinungen, wie das Land in Gaza weitermachen soll, weit auseinander. Besonders die rechtsextremen Minister Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrichwollen weiter hart militärisch gegen die Hamas vorgehen; beide liebäugeln zudem mit einer Annexion des Westjordanlandes durch Israel, was eine Zweistaatenlösung endgültig scheitern lassen würde. 

Unter den Protestierenden gegen den Krieg in Gaza sind zunehmend auch Angehörige israelischer Soldaten. Rund 900 IDF-Soldaten sind in den vergangenen 24 Monaten im Gaza-Krieg gefallen.Bild: Tania Kraemer/DW

Andere Gruppen in Israels Bevölkerung drängen hingegen seit Monaten vehement auf ein Ende der Kampfhandlungen – allen voran die Angehörigen der Geiseln und ihre Unterstützer. Wöchentlich demonstrieren sie für eine Verhandlungslösung – von ihrer Regierung fühlen sie sich im Stich gelassen.

Doch auch andere Gruppen protestierten immer wieder gegen den Krieg: arabische Israelis, Armee-Veteranen, Angehörige von Wehrdienstleistenden. Insgesamt, so eine Umfrage vom Juli 2025, sind mehr als 70 Prozent der Israelis für eine Waffenruhe. Doch die Gesellschaft ist tief gespalten und die Blöcke der Befürworter und der Gegner des militärischen Vorgehens in Gaza standen sich zuletzt immer unversöhnlicher gegenüber.

Hoffnungsschimmer Trump-Plan

In der vergangenen Woche brachte Donald Trumps Gaza-Plan endlich Bewegung in den Konflikt. Doch noch ist unklar, ob dieser auch tatsächlich umgesetzt wird.

Und selbst wenn die Initiative des US-Präsidenten es schaffen sollte, die Waffen nach 24 Monaten Krieg in Gaza dauerhaft schweigen zu lassen: Die Wunden, die am 7. Oktober 2023 und in den zwei Jahren danach auf beiden Seiten geschlagen wurden, werden bleiben – möglicherweise noch auf Jahre und Jahrzehnte hinaus.

Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen