Zwei Jahre Premier Tusk: Angezählt, aber lange nicht k.o.
12. Dezember 2025
Das liberale Europa schaute hoffnungsvoll und begeistert zu, als der polnische Regierungschef Donald Tusk am 13. Dezember 2023 sein Amt antrat. Der proeuropäische Politiker bewies vor aller Welt, dass man ein rechtspopulistisches Regime, das die Justiz, Medien, Kultureinrichtungen und Staatskonzerne unter seine Kontrolle gebracht hat, mit demokratischen Mitteln besiegen kann.
Als Oppositionsführer mobilisierte der Chef der liberalkonservativen Bürgerkoalition (KO) viele junge Wähler. Es gelang ihm, nach der Wahl eine bunte Koalition aus drei politischen Blöcken auf die Beine zu stellen. Obwohl die Parteien unterschiedliche Traditionen hatten, teilten sie ein gemeinsames Ziel: die rechtskonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski von der Macht zu verdrängen.
Maue Umfragewerte, schwache Koalitionspartner
Zwei Jahre später steckt Tusk samt seiner Regierung in der Krise. Sein Wahlbündnis KO führt zwar in den Umfragen stabil mit mehr als 30 Prozent. Diese Führung hat allerdings einen bitteren Beigeschmack, weil sie auf Zustimmungsverlusten anderer Koalitionäre basiert. Die Neue Linke (NL) balanciert an der Fünf-Prozent-Hürde, die beiden anderen Koalitionspartner Polska2050 und die Polnische Bauernpartei (PSL) liegen deutlich darunter.
Laut Wahlkalender sollen die Polen zwar erst in knapp zwei Jahren wieder an die Urnen gehen. Würden am nächsten Sonntag die Wahlen stattfinden, hätten die rechtskonservativen und rechtsextremen Parteien jedoch eine klare Mehrheit im Parlament.
Anfang dieser Woche bewerteten 42,6 Prozent der Polen laut einer Umfrage des Instituts UCE Research ihre aktuelle Regierung negativ. Positive Noten gab ihr nur knapp jeder Dritte, fast ein Viertel der Befragten hatte keine Meinung. Die Ergebnisse anderer Institute liefern noch schlechtere Werte.
Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit schwierig
Die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit, Tusks groß angekündigtes Ziel aus dem Wahlkampf, hat sich als deutlich schwieriger als gedacht erwiesen. Der rechtskonservative Präsident Andrzej Duda tat alles Mögliche, um mit seinem Veto der Regierung einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Das Verfassungsgericht sowie das Oberste Gericht leisteten erbitterten Widerstand gegen alle Versuche, die Justiz zu entpolitisieren. Auch die Einlösung des Versprechens, die korrupten Vertreter der Vorgängerregierung schnell vor Gericht zu stellen, geht nur äußerst schleppend voran. Der wegen Korruption und Machtmissbrauch gesuchte Ex-Justizminister Zbigniew Ziobro beispielsweise fand Zuflucht in Ungarn und bleibt unerreichbar.
Anderthalb Jahre lang vertröstete Tusk seine Kritiker auf die Zeit nach der Präsidentschaftswahl im Sommer 2025. Sein Kandidat, der liberale Bürgermeister von Warschau Rafal Trzaskowski, sollte das Präsidentenamt gewinnen und die politische Blockade beseitigen. Doch dieser Plan ging gründlich schief. Trzaskowski verlor im Sommer gegen den Trump-Fan Karol Nawrocki.
Das neue Staatsoberhaupt steht noch weiter rechts als sein Vorgänger Duda und macht keinen Hehl aus seinem Plan, Tusks Regierung zu Fall zu bringen. Seit Anfang August hat Nawrocki mit seinem Veto bereits 17 Gesetze gestoppt - fast so viele wie sein Vorgänger in zehn Jahren.
Nur ein Bruchteil der Wahlkampfversprechen umgesetzt
Der außen- wie innenpolitisch erfahrene Tusk konnte dennoch einige Erfolge verbuchen. Dank seiner internationalen Kontakte konnte er die Isolation Polens in Europa durchbrechen und die Beziehungen zu den wichtigsten europäischen Partnern Deutschland und Frankreich normalisieren. Er hat erreicht, dass die von Brüssel blockierten Corona-Hilfen endlich nach Polen fließen - bisher 93 Milliarden Zloty (etwa 22 Milliarden Euro). Trotz hoher Verschuldung brummt die Wirtschaft.
Von seinen Versprechen aus dem Wahlkampf konnte Tusk allerdings nur einen Bruchteil umsetzen. Seine Zusagen wie das Recht auf Abtreibung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche oder die Verdoppelung des Steuerfreibetrags warten weiterhin auf die Verwirklichung. Sogar die eingetragenen Lebenspartnerschaften, die auch für gleichgeschlechtliche Paare gelten würden, konnte Tusk bisher nicht durchsetzen - der Widerstand konservativer Kräfte in seiner eigenen Koalition erwies sich als zu stark.
Mit einem Rechtsruck in der Migrationspolitik sowie einer härteren Gangart gegenüber den ukrainischen Kriegsflüchtlingen versuchte Tusk, die Zustimmung bei den konservativen Wählern zu gewinnen, verprellte aber damit seine liberalen Anhänger. Ein schärferer Ton gegenüber Deutschland, vor allem die Forderung nach Wiedergutmachung für die noch lebenden Opfer des Zweiten Weltkriegs, sollte Vorwürfe der Opposition entkräften, er handele im Interesse der Deutschen.
Düstere Aussichten vor Parlamentswahl 2027
In den Medien entflammte vor einigen Monaten die Debatte, ob Tusk sich nicht vorzeitig zurückziehen solle, um Platz für einen unverbrauchten Nachfolger zu machen, etwa Außenminister Radoslaw Sikorski. Doch Tusk denkt nicht ans Aufgeben.
In letzter Zeit konnte Tusk bei seinen Landsleuten punkten, weil die Europäische Kommission Polen im Zuge der EU-Asylreform von der Pflicht befreit hatte, Flüchtlinge im Rahmen des Verteilungsmechanismus aufzunehmen. Als seinen Erfolg kann der Premier auch die schnelle Zustimmung der EU-Kommission zu milliardenschweren polnischen Staatshilfen für den Bau eines ersten Atomkraftwerks in Polen verbuchen. "Wir haben es geschafft!", schrieb er auf X.
Zwei Jahre nach dem Sieg verfallen trotzdem sogar regierungsnahe Medien in Pessimismus. "Es hätte anders sein sollen", kommentierte Bartosz Wielinski in der Gazeta Wyborcza. Polen befinde sich "im politischen Clinch", es drohe Stagnation, schreibt der stellvertretende Chefredakteur.
Trotzdem gibt sich Tusk nach wie vor kämpferisch. "Wir gewinnen die nächste Wahl, damit Diebstahl als Machtprinzip nicht zurückkehrt", sagte Tusk am vergangenen Freitag (05.12.2025) in Warschau. Ein "Traumergebnis von 40 Prozent" sei in greifbarer Nähe - vorausgesetzt, dass "wir ein Polen bauen, von dem einfache Menschen träumen", sagte der 68-jährige Danziger.