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Zwei Jahre nach Rana Plaza

Gabriel Dominguez / W. Dick24. April 2015

Misshandlungen, Überstunden, nicht bezahlte Löhne - zwei Jahre nach dem Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangladesch leiden Arbeiter in der Bekleidungsindustrie weiter unter schlechten Arbeitsbedingungen.

Textilverarbeiterin in Bangladesch an ihrer Nähmaschine (Foto: REUTERS/Andrew Biraj)
Bild: Reuters

"Sie schlugen mir auf die Ohren und boxten mich auf die Brust und in den Bauch. Als ich hinfiel, traten sie mich und ich schrie." So beschreibt einer der Arbeiter einer Fabrik in Dhaka der Organisation Human Rights Watch (HRW), wie er behandelt wurde, als er sich für seine Kollegen einsetzte. Die waren entlassen worden, ohne versprochene Versorgungsleistungen zu erhalten.

Der Arbeiter ist einer von 160, die Human Rights Watch in 44 Fabriken in Bangladesch befragte - für den Bericht: "Wer aufbegehrt, leidet am meisten - Arbeiterrechte in Bangladeschs Kleiderfabriken". Herausgegeben wurde der Bericht zum zweiten Jahrestag der Rana Plaza-Tragödie am 24. April 2013. Die Autoren des Papiers werfen den Behörden in Bangladesch Versagen vor. Es sei ihnen - wie HRW es sieht - nicht gelungen, die fortgesetzte Mißachtung von Rechten der Arbeiter in der Kleiderindustrie zu stoppen.

Drohungen und Übergriffe

Arbeiter berichten in dem 78-Seiten-Dokument über viele unterschiedliche Rechteverletzungen. Sie reichen von physischen Übergriffen, verbalen Attacken - manchmal mit sexuellem Hintergrund - über erzwungene Überstunden, Ablehnung von Mutterschutz, nicht gezahlten Löhne und Überstunden-Vergütungen bis hin zu Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Gewerkschaftern. "Trotz der jüngsten Arbeitsrechtsreformen haben viele Arbeiter, die versuchten, Gewerkschaften zu gründen, solche Angriffe und Vergehen seitens der Fabrikleitungen oder von Dritten erleben müssen."

Human Rights Watch klagt auch die Regierung und das Management der Fabriken an, die Kleidung für Nordamerika, Europa und Australien herstellen, weil sie die Sicherheit in den Fabriken nicht gewährleisten. Überlebende sowie Angehörige der Opfer von Unglücken seien immer noch nicht oder nicht angemessen entschädigt worden Dazu zählen auch die Familien der Opfer des Feuers bei "Tazreen-Mode", das 2012 mindestens 117 Menschen das Leben kostete, sowie derjenigen des Zusammenbruch des Rana Plaza-Gebäudes, das 1100 Tote und rund 2000 Verletzte zur Folge hatte.

Der Zusammenbruch des Rana Plaza forderte mehr als 1000 ToteBild: Reuters

Die Tragödien führten zu einem internationalen Aufschrei und lenkten die Aufmerksamkeit auf die Sicherheitsmängel in der südasiatischen Bekleidungsindustrie. Die beschäftigt rund vier Millionen Menschen, meist Frauen, und erwirtschaftet 80 Prozent der gesamten Exporteinnahmen in der Region.

Seit der Katastrophe von Rana Plaza - einem illegal errichteten, mehrgeschossigen Gebäude außerhalb von Dhaka - beschloss die Regierung, die Arbeitsplatzsicherheit schrittweise zu verbessern und stellte mehr Sicherheitsinspektoren ein.

Die westlichen Forderungen nach besseren Sicherheitsstandards führten schließlich auch zu einer Inspektorengruppe unter Führung europäischer Händler und der von US-amerikanischen Marken ins Leben gerufenen "Allianz für die Sicherheit von Arbeitern in Bangladesch", die im Zeitraum von fünf Jahren 2100 Fabriken kontrollieren soll.

Wer übernimmt die Verantwortung?

Doch die Bemühungen Bangladeschs Fabriken sicherer zu machen, reichen aus Sicht der Menschenrechtsorganisationen nicht aus. Es müsse mehr getan werden, um unfaire Praktiken aufzudecken und strafrechtlich zu verfolgen.

"Wenn Bangladesch die Fabrik-Manager nicht zur Verantwortung zieht für Misshandlungen von Arbeitern oder Behinderungen von Gewerkschaften, setzt die Regierung die Praktiken fort, die tausende Menschen das Leben kostete", sagt Phil Robertson, bei Human Rights Watch zuständig für Asien.

Im neuen HRW-Bericht erzählen Arbeiter von zahlreichen unterschiedlichen RechteverletzungenBild: JEWEL SAMAD/AFP/Getty Images

Der Bericht nennt ein Beispiel aus einer Fabrik in Dhaka. Dort wurden Gewerkschafterinnen bedroht und misshandelt und mussten Überstunden machen, nachdem sie unter ihren Kolleginnen Anträge für die Gewerkschaftsmitgliedschaft verteilt hatten.

"Schlägertrupps kamen zu mir nachhause und bedrohten mich", erzählt eine der Gewerkschaftsführerinnen. "'Wenn du auch nur in die Nähe der Fabrik kommst, dann brechen wir dir die Knochen', sagten sie zu mir." Ihre Kolleginnen schildern Ähnliches. "Die Regierung erlaubt zwar Gewerkschaften, aber sie unterstützt sie in keiner Weise", erzählt einer der Arbeiter. Viele Missstände in den Fabriken würden immer noch ignoriert, so die Autoren des HRW-Berichts. Es geht immerhin um 4500 Kleiderfabriken. "Sicherheitsbestimmungen und Arbeitsbedingungen müssen im Arbeitsrecht verankert werden", fordert HRW-Direktor Robertson.

Ungelöste Frage nach Entschädigungen

Auch die Frage von Entschädigungen ist bisher nicht befriedigend gelöst, so der HRW-Bericht. Überlebende des Rana-Plaza-Unglücks klagen demnach, dass die bisher gezahlten Beträge nicht einmal ausreichen, um Arzt- und Medikamenten-Rechnungen zu bezahlen oder den Verlust an Lebensqualität auszugleichen.

Eine Rechtsverletzung: Repressalien für Arbeiter die eine Gewerkschaft gründen wolltenBild: CC BY 2.0/Tareq Salahuddin

Eine unabhängige Kommission schätzte die angemessene Entschädigungssumme für die Überlebenden und die Hinterbliebenen der Toten auf rund 30 Millionen US-Dollar. Bis zum 20. April sind aber nur 24 Millionen geflossen oder zugesagt worden. Zuletzt sagte die italienische Mode-Kette Benetton zu, 1,1 Millionen Dollar an einen internationalen Fond zu bezahlen, der die Opfer des Fabrikzusammenbruchs entschädigt.

Eine ganze Reihe von Unternehmen zahlten gar nichts und behaupteten, die betreffenden Fabriken hätten ohne ihr Wissen oder ihren Auftrag Produkte hergestellt oder gelagert.

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