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PolitikEuropa

Mehr Impfstoff für die EU

26. März 2021

Neue Fabriken in den Niederlanden und Deutschland werden die Versorgung mit Impfstoff beschleunigen, hofft die EU. Die Exportbeschränkungen für Großbritannien werden wohl kommen. Von Bernd Riegert, Brüssel.

Impfung mit einem COVID-19-Impfstoff
Mehr und schneller: Die EU ist auf der Suche nach Impfstoff und zertifiziert zusätzliche FabrikenBild: Robin Utrecht/picture alliance

Die Impfstoff-Fabrik Halix im niederländischen Leiden hat von der Europäischen Medikamenten-Agentur EMA die überfällige Zulassung erhalten. Dort lässt AstraZeneca schon seit Wochen auf Hochtouren produzieren. Die Zertifizierung für das Werk hatte der britisch-schwedische Konzern aber nur mit Verzögerung bei der EMA beantragt. Warum dies geschah, können die EU-Beamten in Brüssel auch nicht beantworten.

Aber jetzt sollen die bereits produzierten AstraZeneca-Dosen schnell aus Leiden ausgeliefert werden. Welche Mengen dort genau bereit stehen, ist unklar. Die für Gesundheit zuständige EU-Kommissarin, Stella Kyriakides, sagte in Brüssel, das Unternehmen müsse unverzüglich seinen Verpflichtungen nachkommen: "Wir erwarten jetzt, dass die Impfstoffe, die in diesem Werk hergestellt werden, in den nächsten Tagen an die EU-Mitgliedsstaaten ausgeliefert werden, als Teil der vertraglichen Verpflichtung und der Zusagen von AstraZeneca an die Bürger Europas."

Problemfall AstraZeneca

Die EU-Kommission wirft dem Impfstoffhersteller vor, seinen Vertrag mit der EU nicht zu erfüllen. Im ersten Halbjahr 2021 hätten 300 Millionen Impfdosen in die 27 EU-Staaten geliefert werden sollen. Zugesagt hat AstraZeneca nach erheblichem Streit mit Brüssel jedoch nur 100 Millionen Dosen. Und tatsächlich geliefert wurden bis heute nach Angaben der EU-Kommission erst 13 Millionen Fläschchen mit dem heiß begehrten Impfstoff. Dass AstraZeneca seinen Liefervertrag mit Großbritannien dagegen ohne Verzögerungen erfüllt, sorgt für Verärgerung in Brüssel.

Impfstoff-Fabrik Halix in Leiden: Millionen AstraZeneca Dosen soll hier hergestellt werdenBild: Robin Utrecht/dpa/picture alliance

Zur nächsten Lieferung von AstraZeneca könnten auch die 29 Millionen Impfportionen gehören, die italienische Behörden in dieser Woche in einer Abfüllanlage in der Nähe von Rom aufgespürt hatten. Die Firma behauptet, diese Dosen seien von Halix in Leiden hergestellt und zur Abfüllung nach Italien gebracht worden. Dort warteten sie auf die Freigabe durch die Qualitätskontrolle.

Die könnte nun zügig erfolgen, da die Halix-Fabrik alle notwendigen europäischen Zulassungen besitzt. Rund 16 der 29 Millionen Dosen soll nach Angaben von AstraZeneca in die EU-Staaten gehen. Die übrigen 13 Millionen seien für die Impf-Initiative COVAX der Vereinten Nationen vorgesehen, über die 92 ärmere Staaten mit dem Mittel versorgt werden sollen.

Die EMA in Amsterdam geht davon aus, dass die Herstellung und Verteilung von AstraZeneca-Impfstoff in der EU jetzt erheblich gesteigert werden kann. Bislang hatte AstraZeneca drei Produktionsstätten unter Vertrag, eine in Belgien, eine in Großbritannien und eine in den USA.

Ausfuhren nach Großbritannien beschneiden

Mit den neuen Regeln zur Beschränkung von Impfstoff-Exporten könnte die EU-Kommission jetzt dafür sorgen, dass kein Impfstoff aus den kontinentaleuropäischen Werken von AstraZeneca mehr nach Großbritannien und Nordirland geliefert wird. Das Vereinigte Königreich hatte in den vergangenen Monaten 21 Millionen Dosen aus EU-Produktion erhalten, obwohl Impfstoff auch in Großbritannien hergestellt wird und AstraZeneca seine Verträge mit der EU nicht erfüllt.

Die Staats- und Regierungschefs der EU beschlossen deshalb, dem einen Riegel vorzuschieben. Bis AstraZeneca seinen EU-Vertrag erfüllt habe, solle nichts mehr exportiert werden, außer für Empfängerländer der COVAX-Initiative. Neben Großbritannien hatten auch Saudi-Arabien, Kanada und Australien Impfstoffe aus der EU erhalten.

Neues Werk für BioNTech-Pfizer

Die Europäische Medikamenten-Agentur hat zudem eine weitere Produktionsstätte der Firma Comirnaty für das Vakzin von BioNTech-Pfizer in der deutschen Stadt Marburg zugelassen. Damit kann auch dieser Hersteller die Produktion seines Impfstoffes ausweiten. Von Exportbeschränkungen dürfte BioNTech-Pfizer aber nicht betroffen sein, da die Lieferverträge mit der EU-Kommission bislang erfüllt wurden. Außerdem empfiehlt die EMA jetzt, dass Impfdosen von BioNTech/Pfizer nicht mehr wie bisher bei minus 70 Grad, sondern auch bei minus 15 bis minus 25 Grad für zwei Wochen gelagert werden können. Das würde den praktischen Umgang mit dem Impfstoff erleichtern und die Verimpfung beschleunigen, teilte die EMA mit.

BioNTech-Pfizer-Werk in Marburg: Alte Gebäude, neue Zulassung für den Corona-ImpfstoffBild: Thomas Lohnes/AFP/Getty Images

Medizinische Experten in Brüssel hatten diesen Schritt schon lange gefordert, denn schließlich wird der Impfstoff in den USA großflächig eingesetzt und auch nur bei minus 15 Grad aufbewahrt. Mit dem Werk in Marburg verfügt BioNTech-Pfizer jetzt über vier Fabriken in der Europäischen Union. Das Unternehmen soll bis Ende des Jahres mindestens 500 Millionen Impfdosen für EU-Staaten herstellen.

Bereits vergangene Woche hatte die EMA ein neues Werk für die Produktion des Wirkstoffes des Herstellers Moderna in Visp in der Schweiz zertifiziert. Auch Moderna könne seine Produktion für die EU so erheblich steigern, teilte die Arzneimittelagentur mit.

Vierter Hersteller produziert in Spanien

Die Produktionsanlage des vierten Herstellers Johnson & Johnson in  Sant Joan Despi in Spanien hat EU-Kommissar Thierry Breton besucht. Breton leitet die Impfstoff-Arbeitsgruppe der Kommission und versprach, dass aus diesem Werk in den nächsten drei Monaten 55 Millionen Impfdosen ausgeliefert würden. Im dritten Quartal des Jahres sollten dann noch einmal 120 Millionen Dosen folgen. Der Impfstoff von Johnson & Johnson hat den Vorteil, dass eine einzige Injektion für einen Infektionsschutz ausreicht.

EU-Impfbeauftragter Thierry Breton (Mi.): Inspektionsreise in der spanischen Fabrik von ModernaBild: Andreu Dalmau/Agencia EFE/Imago Images

Nach Bretons Angaben produzieren mittlerweile 52 pharmazeutische Unternehmen in der EU die verschiedenen zugelassenen Impfstoffe. Bis Ende des Jahres sollen zwei bis drei Milliarden Impfdosen in der EU hergestellt werden. Damit ist die Region der größte Impfstoffhersteller in der Welt.

Der französische Außenminister Jean Yves LeDrian stichelt unterdessen weiter gegen Großbritannien. Die Briten seien sehr stolz darauf, sehr viele Menschen mit der ersten Dosis geimpft zu haben. "Nun haben sie ein Problem mit der zweiten Dosis", sagte Le Drian in einem Radiointerview. Er spielte darauf an, dass der verfügbare Impfstoff durch mögliche Exportbeschränkungen in der EU für das ehemalige Mitgliedsland Großbritannien knapper werden könnte.

Dem britischen Premierminister Boris Johnson warf der französische Außenminister "Erpressung" vor, weil dieser gesagt hatte, die britische Wirtschaft würde auf Exportbeschränkungen wahrscheinlich mit verringerten Investitionen in der EU reagieren. Britische Zeitungen hatten der EU in dieser Woche "Impfnationalismus" und einen "Impfstreit" mit dem Vereinigten Königreich vorgeworfen.

Die Europäische Medikamentenagentur EMA prüft derzeit die Zulassung des russischen Impfstoffs "Sputnik V". Wenn er zugelassen und gemeinsam von der EU-Kommission eingekauft werden sollte, würde Deutschland ihn verwenden, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt. Politische oder ideologische Bedenken ließ ein Regierungssprecher nicht gelten. Für Merkel zähle: "Impfen, impfen, impfen."

Impfstoff: In der EU noch Mangelware

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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