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Heikle Mission

Robert Mudge4. April 2011

Es dauerte lange bevor Barack Obama bereit war eine Militäraktion gegen Muammar Gaddafi zu unterstützen. Aus gutem Grund: Die libysche Mission ist sowohl in der amerikanischen Bevölkerung als auch im Kongress umstritten.

Obama
US Präsident Obama hat lange gezögert bis er den Libyeneinsatz befürwortet hatBild: AP

Bevor Präsident Obama dem Drängen der Franzosen und Briten nach Militärschlägen gegen den libyschen Machthaber Muammar Gaddafi nachgab, hielt er sich lange zurück.

Zwar hatte er schon am 3. März Gaddafis Rücktritt gefordert, aber er zögerte anfangs das Militär einzusetzen und seine Haltung den Amerikanern zu erklären. Sogar als die Luftschläge bereits begonnen hatten - nach der Verabschiedung des Mandats des UN-Sicherheitsrats zur Errichtung einer Flugverbotszone und dem Schutz von Zivilisten am 17. März - hatte Obama sich öffentlich noch immer nicht erklärt.

Das tat er erst am 28. März. In einer im Fernsehen übertragenen Rede erläuterte er seine Beweggründe für den Militäreinsatz in Libyen.

Unschlüssige Bevölkerung

Dennoch sind die Amerikaner noch nicht überzeugt von der Beteiligung und den Zielen des Einsatzes in Libyen. Und daran hat Umfragen zufolge auch Obamas Libyen-Rede nichts geändert, obwohl sie überwiegend positiv bewertet wurde.

Denn die Amerikaner sind laut einer Befragung der Quinnipiac Universität zwei Tage nach Obamas Rede weiter unschlüssig bezüglich der US-Beteiligung am Libyen-Einsatz. Während eine Mehrheit den Einsatz von Marschflugkörpern zum Ausschalten von Gaddafis Luftabwehr und den Militäreinsatz zum Schutz von Zivilisten befürwortet, wird ein US-Militäreinsatz um Gaddafi zu stürzen von einer Mehrheit abgelehnt.

Vielleicht spiegelt diese zwiespältige Haltung einer kriegsmüden Öffentlichkeit Obamas eigene Position zum Libyen-Einsatz ganz gut wieder.

"Das ist die geringste Zustimmung für einen großen Einsatz des amerikanischen Militärs zu Beginn einer Mission, die wir bisher gesehen haben", sagt Jeremy Mayer, Professor für Politikwissenschaft an der George Mason University in Arlington, Virginia mit Blick auf die Meinungsfragen. "Und es ist genau deshalb so, weil Obama die Öffentlichkeit nicht darauf vorbereitet hat. Er hat anfangs gehofft, dass Gaddafi ebenso kippen würde wie Tunesien und Ägypten."

Schrecken von Ruanda

Als das nicht eintraf und stattdessen Gaddafis Truppen in rascher Folge die Rebellen Stadt um Stadt besiegten, habe der Präsident handeln müssen. Die Lage in Bengasi, der letzten großen von Rebellen gehaltenen Stadt, habe Obama schließlich zur Entscheidung gezwungen, besonders, nachdem Gaddafi angekündigt hatte, er würde keine Gnade mit den Rebellen kennen.

"Der Schrecken von Ruanda holte das Weiße Haus ein", sagt Mayer. In dem afrikanischen Land griffen die USA und der Westen 1994 nicht entscheidend ein, um den Völkermord an Hundertausenden von Tutsis zu verhindern. "Dies ist eine 550 Millionen Dollar teure Mission, um ein Massaker in Bengasi zu verhindern", unterstreicht Politikwissenschafter Mayer.

Washington hat Frankreich die Führung überlassen

Aber auch nachdem Obama schließlich grünes Licht für den Libyen-Einsatz gegeben hatte, wies er wiederholt darauf hin, dass dies keine amerikanische, sondern eine internationale Mission ist. Das stimmt zwar rechtlich, dennoch verschleiert es die Tatsache, dass es diese Operation - selbst wenn inzwischen ein kanadischer General das Kommando hat - ohne die USA nie gegeben hätte.

"Wir waren nicht die führende Nation, sondern haben vor allem Sarkozy und auch den Briten diese Rolle in der Öffentlichkeit überlassen", betont Mayer. "Aber wenn es um den eigentlichen Militäreinsatz geht, dann sind die USA zu 90 bis 95 Prozent verantwortlich für das, was in Libyen in die Luft fliegt. Kein anderes Land verfügt über diese Möglichkeiten. Deshalb ist es eine US-Mission.“

Selbst wenn das US-Militär wie geplant seine Rolle in Libyen reduziert, wird es immer noch das unabdingbare Rückgrat der Operation bilden.

Kritischer Kongress

Es ist übrigens nicht nur die US-Öffentlichkeit, die den Libyen-Einsatz kritisch sieht. Auch im Kongress formiert sich eine Opposition aus Republikanern und Demokraten. Einige Abgeordnete kritisieren, der Präsident habe zu lange gezögert und dann zuwenig getan, andere werfen Obama vor die Angriffe eigenmächtig und ohne Debatte oder Abstimmung im Kongress angeordnet zu haben.

Manche Abgeordnete kritisieren, Obama habe gegen ein nicht unumstrittenes Gesetz verstoßen, das die Genehmigung von Militäreinsätzen durch den Kongress regelt. Obwohl alle sieben Amtsvorgänger Obamas diesen sogenannten 'War Powers Act' aus dem Jahr 1973 ebenfalls jeweils als verfassungswidrig ignoriert.

Trotzdem könnte es Obamas Glaubwürdigkeit beschädigen, denn er selbst hatte das Gesetz im Jahr 2007 ausdrücklich unterstützt. Zudem trägt er im Gegensatz zu seinen Vorgängern den Titel Friedensnobelpreisträger.

Ohne die Militärmacht der USA wäre der Einsatz undenkbarBild: dapd

Der führende Republikaner im Außenpolitik-Ausschuss des Senats, Richard Lugar - eigentlich ein Obama-Freund - kritisierte den Präsidenten denn auch für die fehlende Zustimmung des Kongresses und für die seiner Ansicht nach ungenügende Erklärung der Ziele des US-Einsatzes in Libyen.

„Die Vereinigten Staaten haben sich am Bürgerkrieg in Libyen ohne ausführliche öffentliche Prüfung oder Debatte beteiligt“, sagte Lugar, nachdem die Regierung den Kongress über den Einsatz informiert hatte. „Ich glaube nicht, dass der Präsident einen amerikanischen Militäreinsatz in diesem Land überzeugend begründet hat.“

Ob der Unmut im Kongress über die Militäraktion in Libyen zunimmt, wird maßgeblich von der Entwicklung vor Ort abhängen.

Kongress und Deutschland

"Ich denke, dass je länger der Konflikt andauert, es umso wahrscheinlicher wird, dass die Spannungen mit den Republikanern im Kongress zunehmen. Auch mit den Mitgliedern seiner eigenen Partei, die Obama dafür kritisiert haben, einen dritten Krieg mit einem muslimischen Land zu beginnen", erläutert Christiane Lemke, Professorin an der Leibniz Universität Hannover, die derzeit den Max Weber-Lehrstuhl an der New York University inne hat: "Dies ist ein sehr heikles Thema hier in den USA."

Der Kongress verfügt nämlich über eine entscheidende Stellschraube in Bezug auf den US-Einsatz in Libyen, fügt Lemke hinzu: "Der Kongress muss alle finanziellen Aspekte dieser Militäraktion genehmigen.“

Ihr Kollege Mayer wagt bereits folgende Prognose: "Der Kongress hat nicht den Mumm einem Präsidenten zu sagen - und er hat diesen Mumm noch nie seit dem 'War Powers Act' von 1973 aufgebracht - 'Beende diesen Krieg sofort!'

Mayers Auffassung nach verhält sich der Kongress bei diesem Thema sehr ähnlich wie Deutschland in der NATO: "Der US-Kongress mag das alles mit einigen Ausnahmen wahrscheinlich nicht besonders, aber sie werden es nicht verhindern. Genau wie Deutschland, das ein Veto hat und es in der NATO hätte verhindern können, wie übrigens auch die Türkei. Aber sie wollten nicht diejenigen sein, die es tun."

Autor: Michael Knigge
Redakteur: Rob Mudge

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