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Zweigleisiger EU-Beitritt von Serbien-Montenegro nicht ausgeschlossen

7. Oktober 2004

Bonn, 6.10.2004, DW-RADIO/Serbisch, Ivica Petrovic

Der Besuch der hohen EU-Vertreter, Javier Solana und Chris Patten, in Belgrad ist eine Art öffentliche Werbung für den so genannten zweigleisigen Weg in die europäischen Integrationen von Serbien und Montenegro. Auch wenn diese Idee bereits seit geraumer Zeit kursiert – vornehmlich durch die Erklärung des EU-Außenkommissars, Chris Patten – kann erst nach diesem Besuch gesagt werden, dass sie nun legitim geworden ist. Dies ist auch daran erkennbar, dass alle Politiker der Staatengemeinschaft einen solchen Weg in die EU akzeptieren. Chris Patten zufolge bedeutet der zweigleisige Weg, dass ein gemeinsames Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Staatengemeinschaft geschlossen wird. Es wird aus drei Elementen bestehen, der Hauptteil bezieht sich auf Fragen, für die die Staatengemeinschaft zuständig ist, die übrigen beiden Zusätze richten sich auf Fragen, für die die Republiken zuständig sind.

Aleksandar Stevanovic, Forscher des Zentrums für Marktwirtschaft in Belgrad, erklärte gegenüber DW-RADIO, der zweigleisige Weg erkenne auf gewisse Weise die Realität der Staatengemeinschaft an, die seit dem Augenblick ihrer Gründung nicht funktioniere. Im Hinblick auf mögliche Folgen einer solchen Lösung für Serbien betont Stevanovic, dass der zweigleisige Weg zum EU-Beitritt nicht das Hauptproblem Serbiens sei: "Im Augenblick sind unsere ungelösten Beziehungen zu Montenegro nicht unser Problem. Die meisten wirtschaftlichen Probleme Serbiens liegen an der Wirtschaftspolitik selbst, die auf Republikebene geführt wird. Das heißt, die Thesen, die besagen, dass wir ein Problem haben, weil uns Montenegro bremse, erweisen sich einfach als falsch. (...) Unser Problem liegt konkret in einer schlecht geführten Wirtschaftspolitik, deren Folgen in sehr kurzer Zeit an die Oberfläche gelangen werden, sowohl durch wirtschaftliche Stagnation als auch durch die Stärkung extremistischer Kräfte auf der politischen Bühne".

Darüber, inwiefern diese zweigleisige Politik gut oder schlecht ist, können nur die Bürger in einem Referendum entscheiden, meint Aleksandar Stevanovic. Serbien obliege dabei, Lösungen für die Probleme zu finden, die in seinem Zuständigkeitsbereicht liegen: "Die Fragen, die gemeinsam mit Montenegro geregelt werden, sind von geringfügiger Bedeutung für den Erfolg der Reformen. Das heißt die Frage der Verteidigung und der internationalen Repräsentanz. Denn Montenegro repräsentiert sich praktisch selbständig und nicht über die Organe der Staatengemeinschaft, und auch die Verteidigung wird darauf hinauslaufen, dass zwei Streitkräfte existieren werden, die formal eine gemeinsame Armee bilden. Folglich ändert sich für uns nichts wesentliches bei dieser zweigleisigen Politik. Und die Behauptungen, dass wir so schneller voranschreiten würden, sind haltlos. Denn auf dem jetzigen Weg gelangen wir nirgendwo hin. Ich fürchte ferner, dass auch die Thesen über einen möglichen EU-Beitritt 2012 in der Praxis nicht realistisch sind".

Dem stellvertretenden serbischen Regierungschef, Miroljub Labus, zufolge läuft die Frist für die zweigleisige Politik 2007 aus. Nach Stevanovics Einschätzung indes werden in den kommenden drei Jahren keine grundlegenden Reformen in Serbien durchgeführt. Auf der politischen Bühne in Serbien seien keine Kräfte erkennbar, die dazu bereit wären, die aktuelle Situation zugunsten eines Reformkurses zu ändern. Voraussehbar sei allerdings, dass die Politik ein sehr schlechtes Wirtschaftssystem aufrecht erhalten würde. (md)