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KonflikteUkraine

Zweite russische Luftangriffswelle trifft ukrainische Städte

4. September 2024

Den zweiten Tag in Folge bombardiert das russische Militär ukrainische Städte aus der Luft. Derweil bahnt sich in Kiew eine breite Regierungsumbildung an.

Ausgebrannte und beschädigte Autos in einer Straße in Lwiw
Schwere Zerstörungen nach einem russischen Angriff auf die Stadt LwiwBild: Roman Baluk/REUTERS

Russlands Streitkräfte haben in der zweiten Nacht in Folge die Ukraine massiv aus der Luft attackiert. Ziele der Bombardierungen waren die Hauptstadt Kiew und die westukrainische Metropole Lwiw. Im gesamten Land gab es Luftalarm.

In Lwiw, das nahe der polnischen Grenze liegt, wurden nach offiziellen Angaben bei einem Drohnenangriff mindestens sieben Menschen getötet. Unter den Todesopfern seien drei Kinder und eine Hebamme, teilte Bürgermeister Andrij Sadowyj mit. Mehr als 30 Menschen befänden sich in medizinischer Behandlung. Über 50 Gebäude seien beschädigt worden, darunter Schulen, Wohnhäuser und Kliniken. Im benachbarten Polen ließ das Einsatzkommando der Streitkräfte zum dritten Mal innerhalb von acht Tagen Luftfahrzeuge aufsteigen, um den Luftraum des NATO- und EU-Mitgliedstaats zu sichern.

Rettungskräfte im Einsatz an einem schwer getroffenen Haus in LwiwBild: Roman Baluk/REUTERS

Augenzeugen berichten zudem von Explosionen am Stadtrand von Kiew, die auf den Einsatz von Luftabwehrsystemen hindeuten. Auch aus anderen Gebieten wurden russische Raketenangriffe gemeldet. Berichte über Opfer oder Schäden liegen nicht vor. Russland hat die Ukraine zuletzt mit Hunderten Raketen und Drohnen beschossen, offenbar als Reaktion auf den Vorstoß ukrainischer Truppen auf russisches Territorium bei Kursk.

Blutige Attacke auf Poltawa

Bei einem Raketenangriff Russlands auf die zentralukrainische Stadt Poltawa waren am Dienstag mindestens 51 Menschen getötet worden. Es gebe mehr als 271 Verletzte, teilte Olena Selenska, die Frau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, auf ihrem Social-Media-Kanal mit. Es war der schwerste einzelne Angriff Russlands auf ukrainische Ziele in diesem Jahr.

Mediziner und Psychologen betreuen Angriffsopfer und Anwohner in PoltawaBild: Patryk Jaraccz/AFP

Russische Raketen hatten neben einem Krankenhaus ein Ausbildungszentrum des Militärs für Telekommunikation getroffen. Unter den Trümmern sollen sich noch weitere Menschen befinden, die Rettungskräfte arbeiten unter Hochdruck, sie zu bergen. Bei den Toten und Verletzten handelt es sich um Mitglieder der ukrainischen Landstreitkräfte. "Dies ist eine fürchterliche Tragödie für die gesamte Ukraine", schrieb Selenska.

Präsident Selenskyj wiederholte seine Forderung nach mehr westlichen Luftabwehrsystemen und drängte die Verbündeten, den Einsatz ihrer Langstreckenwaffen für Angriffe tief im russischen Territorium zu erlauben. "Wir sagen es immer wieder allen in der Welt, die die Macht haben, diesen Terror zu stoppen: Luftabwehrsysteme und Raketen werden in der Ukraine gebraucht, nicht in einem Lager irgendwo", betonte Selenskyj.

"Langstreckenschläge, die uns vor dem russischen Terror schützen können, werden jetzt benötigt, nicht irgendwann später. Leider bedeutet jeder Tag der Verzögerung den Verlust von Leben." Der ukrainische Staatschef dankte dem Nachbarland Rumänien für dessen Ankündigung, eine Batterie des Flugabwehrsystems Patriot zu liefern.

Mehr Luftabwehrmittel aus USA und Deutschland

Nach dem verheerenden Angriff auf Poltawa hat US-Präsident Joe Biden der Ukraine die Lieferung weiterer Luftabwehrsysteme zugesagt. "Ich verurteile diesen abscheulichen Angriff auf das Schärfste", erklärte Biden. Die Vereinigten Staaten würden die Regierung in Kiew im Krieg gegen Russland weiterhin militärisch unterstützen, "einschließlich der Bereitstellung der Luftverteidigungssysteme und -fähigkeiten, die das Land zum Schutz seiner Grenzen benötigt".

Das Flugabwehrraketen-System IRIS-TBild: Christoph Schmidt/dpa/picture alliance

In Deutschland verlautete aus Sicherheitskreisen, die Regierung in Berlin wolle der Ukraine zusätzliche sechs Flugabwehrsysteme vom Typ IRIS-T SLM zur Verfügung stellen. Zudem wolle die Bundesregierung weitere sechs dieser Systeme für die Bundeswehr beschaffen.

Kabinettsumbildung in Kiew

Selenskyj kündigte zudem einen Umbau der Regierung an, um die außen- und innenpolitischen Herausforderungen des bevorstehenden Herbstes zu meistern. Mindestens sechs Regierungsvertreter, darunter auch Kabinettsmitglieder, reichten nach Angaben der Regierungspartei "Diener des Volkes" vom Dienstagabend ihren Rücktritt ein.

"Wie versprochen, ist in dieser Woche ein großer Regierungsumbau zu erwarten", teilte David Arachamia mit, der Fraktionschef von Selenskys Partei. Demnach sollen "mehr als 50 Prozent" der Regierungsmitglieder ausgetauscht werden. Arachamia gilt als Vertrauter des Präsidenten.

Am Dienstagabend hatten einige Minister bereits ihren Rücktritt eingereicht, darunter die Minister für Strategische Industrien, Justiz und Umweltschutz. Dazu kommen der Chef des staatlichen Vermögensfonds, Witalij Kowal, sowie die Vize-Regierungschefs Irina Wereschtschuk und Olha Stefanischyna. Zudem wurde laut einem Dekret Selenskyjs der stellvertretende Leiter seines Präsidialamts, Rostislaw Schurma, entlassen.

Zuletzt bot der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba seinen Rücktritt an. Das teilt der Präsident des Parlaments, Ruslan Stefantschuk, mit. Regierungschef Denys Schmyhal soll laut Medienberichten aber im Amt bleiben.

Selenskyj hat seit Kriegsbeginn die Regierung und militärische Spitzenpositionen des Landes wiederholt neu besetzt. Im September schasste er seinen Verteidigungsminister nach einer Serie von Korruptionsskandalen. Vor kurzem tauschte er nach einer Reihe von Rückschlägen auf dem Schlachtfeld seinen Armeechef aus.

Verteidigungsminister Umerow in Berlin

An diesem Mittwoch wird Verteidigungsminister Rustem Umerow zum Antrittsbesuch in Berlin erwartet. Auf dem Programm stehen ein Empfang mit militärischen Ehren im Bendlerblock, eine Kranzniederlegung am Ehrenmal der Bundeswehr sowie ein Gespräch mit Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius über die deutsche-ukrainische Zusammenarbeit und die Verstärkung der ukrainischen Luftwaffe.

Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow (Archivbild)Bild: Thomas Imo/photothek/picture alliance

kle/AR (afp, rtr, dpa)

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