Horst Hrubesch ist der neue Interims-Bundestrainer der Frauen-Nationalmannschaft. Der Routinier soll das Team zurück auf die Erfolgsspur führen. Dass er das kann, hat er schon mehrfach bewiesen.
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Die Formulierung war seitens des Deutschen Fußball Bundes (DFB) wohl bewusst schwammig gewählt. "Bis auf Weiteres" soll Horst Hrubesch Trainer der Frauen-Nationalmannschaft sein. Also keine Langzeitlösung, was angesichts des Alters des Fußballlehrers keine Überraschung ist. Hrubesch ist immerhin schon 72 Jahre alt - und eigentlich wollte der ehemalige Weltklassestürmer ja schon seit ein paar Jahren im Ruhestand sein, mit seiner Frau die Welt bereisen oder seinem großen Hobby, dem Angeln, nachgehen.
Aber Hrubesch wird nach dem frühen Aus der DFB-Frauen bei der WM in Australien und Neuseeland derzeit als (Interims-) Coach gebraucht. Mindestens so lange wie die eigentliche Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg arbeitsunfähig gemeldet ist, soll Hrubesch übernehmen. Wie lange genau das sein wird, weiß bisher wohl niemand. Voss-Tecklenburg und der DFB machen dazu keine Angaben. Bleibt Hrubesch vielleicht sogar bis zum Olympia-Turnier 2024?
Die Spielerinnen hätten vermutlich nichts dagegen. Der neue DFB-Geschäftsführer Sport, Andreas Rettig, hat in den vergangenen Tagen mit den wichtigsten Spielerinnen der Nationalmannschaft gesprochen. Und die Zustimmung zu Hrubesch dürfte groß gewesen sein.
Empathie und Leistung
Hrubeschs größte Stärke: Er bringt große Empathie mit und verleiht seinen Spielerinnen Selbstbewusstsein, ohne dabei auf den Leistungsgedanken zu verzichten. Genau diese Zutaten für ein erfolgreiches Spiel fehlten den DFB-Frauen in den vergangenen Monaten sichtlich. Von dieser Mischung in Hrubeschs Repertoire schwärmten die Fußball-Frauen schon nach seiner ersten Interimstrainer-Zeit 2018.
"Er hat das richtige Fingerspitzengefühl, das macht ihn aus", sagte Svenja Huth damals im Interview mit der Süddeutschen Zeitung stellvertretend für ihre Teamkolleginnen. Und diese Zuneigung beruht auf Gegenseitigkeit. "Ich musste bei der Anfrage nicht lange überlegen. Für mich ist es eine Herzensangelegenheit", sagte Hrubesch jetzt.
Viel Zeit hat der neue Coach allerdings nicht. In der Nations League geht es Schlag auf Schlag: Gegen Wales (27. Oktober), in Island (31. Oktober), gegen Dänemark (1. Dezember) und in Wales (5. Dezember) muss das Team zeigen, dass es nun gewillt ist, dauerhaft seine Leistungsgrenze zu erreichen. "Wir werden zusammen versuchen, uns in den verbliebenen Spielen der Nations League eine gute Ausgangsposition für die Olympia-Qualifikation zu erarbeiten", sagte Hrubesch. Nur die beiden Finalisten der Nations League lösen das Ticket für Paris 2024.
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Erfolgreiche Karriere
Der Vertrauensvorschuss für Hrubesch ist groß. Schließlich gilt er als eine außergewöhnliche Fachkraft. Das wissen sie beim Hamburger SV, dem Klub, mit dem er einst als "Kopfball-Ungeheuer" große Erfolge feierte (Europapokalsieger und dreimaliger deutscher Meister) und für den er als Direktor des Nachwuchsleistungszentrums seine Kompetenz einbringt.
Aber das wissen sie auch beim DFB, wo er als Stürmer 1980 den EM-Titel und beim 2:1-Sieg im Finale gegen Belgien beide Treffer erzielte. Wo er 2017 übergangsweise Sportdirektor war und zudem Trainer der männlichen U21-Auswahl, mit der er 2019 die EM gewinnen konnte. Hrubesch hat auch schon das Frauen-Nationalteam betreut. 2018 gewann er als Nachfolger der glücklosen Steffi Jones nach einem 0:0 gegen Spanien zum Auftakt sieben Spiele in Folge und löste das zuvor in Gefahr geratene Ticket für die WM 2019. Nun geht es wieder um ein Turnier in Frankreich: bei den Olympischen Spielen.
"Die Vorbereitung beginnt jetzt", sagte Hrubesch. Nur keine Zeit verstreichen lassen. Der Fußball-Enthusiast Hrubesch weiß schließlich genau, wofür er sich entscheiden hat.
Die erfolgreichsten Torjägerinnen des DFB
Wer entscheidende Tore oder besonders viele Treffer erzielt, genießt bei den Fans besonderes Ansehen. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat einige große Torjägerinnen gehabt - diese zehn waren am erfolgreichsten.
Bild: William West/AFP/Getty Images
Kerstin Garefrekes - 43 Tore
Die Stürmerin ist ebenfalls bei beiden deutschen WM-Titeln - 2003 und 2007 - dabei. Außerdem gewinnt sie 2005 und 2009 mit den DFB-Frauen die EM. Zehn Jahre lang (2001-2011) trägt Garefrekes das DFB-Trikot und bestreitet 130 Spiele. Neben ihrer Sportkarriere arbeitet sie zeitweise in der Verwaltung der Stadt Frankfurt am Main. Heute ist sie im Trainerstab von Eintracht Frankfurt tätig.
Die Stürmerin wird 2013 bei der SGS Essen bereits mit 16 Jahren Bundesligaprofi und schafft es vier Jahre später in die Nationalmannschaft. Nach nur neun Spielminuten gelingt ihr beim Debüt ihr erstes Länderspieltor. Schüller ist mit den DFB-Frauen seit der WM 2019 bei allen großen Turnieren dabei, ein großer Titel mit der Nationalelf fehlt ihr bislang aber noch. (*Stand: 29. Oktober 2024)
Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance
Silvia Neid - 48 Tore
Silvia Neid ist eine der Pionierinnen des Fußballs in Deutschland. Schon beim ersten offiziellen Länderspiel im November 1982 gegen die Schweiz ist sie dabei. Dreimal gewinnt Neid als Spielerin die EM (1989, 1991, 1995). Noch erfolgreicher ist sie nach ihrer aktiven Karriere als Bundestrainerin (2005 - 2016). Ihre Titelsammlung: WM 2007, EM 2009 und 2013, außerdem Olympia-Gold 2016.
Bild: Sven Simon/picture alliance
Anja Mittag - 50 Tore
Zwei Tore mehr als Neid erzielt Anja Mittag im DFB-Trikot. Mit 158 Länderspielen ist die Angreiferin Nummer vier der DFB-Rekordliste. Mittag feiert ihre größten Erfolge mit dem Olympiasieg 2016 und dem WM-Titel 2007. Dreimal wird sie außerdem Europameisterin (2005, 2009, 2013). 2017 beendet sie ihre DFB-Karriere und arbeitet heute als Co-Trainerin bei RB Leipzig.
Bild: Anke Fleig/SVEN SIMON/picture alliance
Bettina Wiegmann - 51 Tore
Zwischen 1989 und 2003 läuft die technisch versierte Mittelfeldspielerin 154 Mal für Deutschland auf. Wiegmann wird viermal Europameisterin (1991, 1995, 1997, 2001) und gewinnt 2003 die Weltmeisterschaft. Das WM-Finale ist ihr letztes Spiel. 2004 wird Wiegmann erste Ehrenspielführerin des DFB. Nach ihrem Karriereende beginnt sie eine Laufbahn als Trainerin.
Bild: Franz-Peter Tschauner/dpa/picture alliance
Celia Sasic - 63 Tore
Celia Sasic geht bis zu ihrer Hochzeit im Jahr 2013 als Celia Okoyino da Mbabi für Deutschland auf Torejagd. Die in Bonn geborene Tochter eines Kameruners und einer Französin gewinnt 2009 und 2013 die EM und wird 2015 WM-Torschützenkönigin. Im selben Jahr - nach dem Karriereende - wird sie Europas "Fußballerin des Jahres". Seit März 2022 ist Sasic DFB-Vizepräsidentin für Diversität und Vielfalt.
Bild: Lars Schroer/CITYPRESS 24/picture alliance
Inka Grings - 64 Tore
16 Jahre lang trägt die Stürmerin das Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Zwischen 1996 und 2012 erzielt sie 64 Treffer. Zweimal gewinnt Grings mit den DFB-Frauen die EM-Turniere 2005 und 2009 und wird jeweils Torschützenkönigin. Im April 2019 übernimmt sie als Trainerin des Regionalligisten SV Straelen als erste Frau eine Männer-Mannschaft der obersten vier deutschen Fußballligen.
Bei der Euro 2022 unterstreicht Alexandra Popp eindrucksvoll ihren Stellenwert im deutschen Team. Bis zum Halbfinale trifft die Stürmerin des VfL Wolfsburg in jedem Spiel mindestens einmal. "Poppi" spielt seit 2010 für die DFB-Frauen und ist seit 2019 Kapitänin. 2016 gewinnt sie in Rio die olympische Goldmedaille, 2024 in Paris Bronze. Im Oktober 2024 beendet sie ihre DFB-Karriere.
Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance
Heidi Mohr - 83 Tore
Nicht die meisten Treffer, aber die beeindruckendste Quote hat Heidi Mohr: Für ihre 83 Tore im DFB-Trikot benötigt sie "nur" 104 Spiele, die sie zwischen 1986 und 1996 bestreitet. Dreimal wird Mohr Europameisterin (1989, 1991, 1995). Bei der WM 1991 gelingt ihr in jedem Spiel ein Treffer. Im Februar 2019 stirbt die Torjägerin mit nur 51 Jahren an Krebs.
Bild: SVEN SIMON/picture alliance
Birgit Prinz - 128 Tore
Die DFB-Rekordspielerin (214 Länderspiele) und -Torjägerin wird 2003 und 2007 Welt- und fünfmal Europameisterin (1995, 1997, 2001, 2005, 2009). Bei der WM 2003 und den Olympischen Spielen 2004 ist Prinz beste Torschützenin und wird 2003, 2004 und 2005 zur Weltfußballerin gekürt. Mittlerweile arbeitet sie als Sportpsychologin bei der TSG Hoffenheim und auch bei den DFB-Frauen.