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Zwischen Beton und Palmen

Olivia Gerstenberger9. Februar 2014

DW-Sportreporterin Olivia Gerstenberger ist ein wenig enttäuscht. Beim Busfahren in Sotschi stellt sie nämlich fest, dass viele Russen in der Stadt gar nichts für die Olympischen Spielen übrig haben.

Olympia Olympische Winterspiele 2014 Olivia Gerstenberger
Bild: DW/O. Gerstenberger

Die Sonne lacht vom Himmel an meinem ersten Tag in Sotschi, in der Ferne kann ich von meinem Hotelzimmer sogar die schneebedeckten Berge des Kaukasus sehen. Malerisch, aber auch etwas irreal. Denn als ich meine Hotelumgebung bei Tageslicht genauer in Augenschein nehme, sehe ich die zahlreichen vierstöckigen Gebäude, die mich umringen. Lieblos in die Gegend gesetzt, mit dem Ziel, möglichst viele Menschen auf einem Haufen unterzubringen. Zumindest in den beiden Wochen der Olympischen Spiele. Wer danach hier wohnen soll, ist mir schleierhaft. Ein wenig erinnert es mich an meine erste WG während der Studienzeit. Immerhin ist mein Hotel bereits fertig gebaut, ich will also nicht klagen.

Alle 18 Häuser sind streng durchnummeriert, und damit ich mein Zimmer auch stets wiederfinde, bekomme ich an einer der zahlreichen für mein Hotel zuständigen Rezeptionen einen eigenen Hotelplan überreicht. Der hilft allerdings nicht viel weiter, wenn das meist etwas überforderte und ahnungslose Rezeptions-Personal einen munter von einem Haus zum nächsten schickt. Zweimal zum Frühstück und gleich dreimal zum Geldautomaten, der wiederum just in dem Moment, als ich es versuche, für ausländische Kreditkarten nicht funktionieren zu scheint.

Die Dusche bleibt kalt

Immerhin haben sie an meiner hausinternen Rezeption - also die, die weder für mein Frühstück noch für meine Bargeldversorgung zuständig ist - Glühbirnen in der Schublade. Die fehlten nämlich. Wie übrigens auch das warme Wasser. Kalt rann es aus dem Hahn, eiskalt wurde es nach ca. einer Minute. Das ist mir nicht mal in der Studentenbude passiert. Da macht es auch nichts, dass die Duschstange in der Badewanne liegt.

Schickes Badezimmer eigentlich - wenn nur alles funktionieren würde... .Bild: DW/Olivia Fritz

Mein Ausflug zum Olympischen Dorf führt mich - mehr oder weniger gut von den stets sehr hilfsbereiten Menschen um mich herum beraten - also zunächst an einer russischen Bank vorbei zu einer Bushaltestelle. Dort nehme ich dann aufs Geratewohl einen öffentlichen Bus. Also nicht einen, wo an der Seite "Sochi 2014" draufsteht und vorne "Airport" oder "Main Media Center". Das kann ja jeder. Ich will es wissen und versuche, mich auf eigene Faust durchzuschlagen.

Mein Wagemut wird zumindest damit belohnt, dass ich fast nur mit Russen reise. Eine in einen Pelzmantel gekleidete Oma winkt heftig ihrer vielleicht siebenjährigen Enkelin, die an der Hand der Mutter schüchtern zurückwinkt und in den mit unzähligen Strass-Steinchen besetzten Stiefeln etwas verloren wirkt. Aber auch nicht ganz so extravagante Kundschaft kutschiert der mir sehr freundlich gesinnte Busfahrer kreuz und quer durch die Gegend. Kaum einer trägt hier eine Akkreditierung um den Hals, die Leute scheren sich nicht viel um die Spiele, sie wollen einfach nach Hause, zu Freunden oder in den Supermarkt.

Als ich schon denke, auf der völlig falschen Route zu sein, entdecke ich den Olympischen Park auf der linken Seite und steige aus. Dann mache ich mich auf einen viertelstündigen Fußmarsch, der mir die Einblicke gibt, die die Kollegen im Mediashuttle sicher verpassen: Baustellen, Lehm, Matsch. Die hässliche Seite von Sotschi. Der alles dominierende Baustoff in Sotschi ist Beton.

Der Olympiapark, den ich endlich erreiche, ist eigentlich eine totale Betonwüste. Hin und wieder lockern ein paar Palmen in getrockneten Lehmbeeten das triste Bild auf. Die Topfblumen in den unterschiedlichsten Arrangements wirken darauf ziemlich fehl am Platz. Hier suche ich vergebens nach stimmungsfrohen Menschen. Es ist nicht allzu viel los und diejenigen, die im Olympiapark umher eilen, scheinen auf den ersten Blick irgendwie zum Spektakel dazu zu gehören: Volunteers, Sponsoren, Journalisten, Angehörige der Olympiateams. Alle tragen das verräterische Bändchen um den Hals. Doch auch die Besucher müssen ein solches tragen - der Sicherheit wegen. Selbst der lautstarke Folklore-Auftritt auf einer kleinen Bühne am Rande kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier eigentlich auch mehr los sein könnte als es im Moment ist.

Ein Alphorn im Zug

Ich verlasse den Olympiapark enttäuscht und fahre mit dem Zug weiter. Endlich kommt etwas Olympia-Stimmung auf, hier treffen sich einige Fans verschiedener Nationen. Einer trägt die Flagge der USA als Umhang, ein anderer die australische. Für das größte Aufsehen jedoch sorgen drei Schweizer, die in ihrer landestypischen Tracht ein großes und ziemlich unhandliches Alphorn im Zug platzieren. Der eine stammt aus dem Engadin, die anderen aus Davos. "Das haben wir auch schon in Whistler so gemacht", verrät der eine, als ich staunend frage, ob sie damit etwa zu den Wettkampfstätten wollen. "Wir probieren das morgen aus, das wird schon gehen", gibt sich der andere Schweizer angesichts der immensen Sicherheitsvorkehrungen zuversichtlich. Sein Kumpel schraubt indessen einen Teil des Alphorns ab: So ist es besser im Zug zu verstauen. "Wir spielen übrigens nicht nur für die Athleten, auch für uns", verkünden die Musikanten fröhlich, als ich mich verabschiede. Das ist mal ein vorbildlicher Einsatz!

Die drei lustigen Schweizer mit ihrem AlphornBild: DW/Olivia Fritz

Vorbildlich ist auch das Hotel, in das ich am Abend eintrudle: Tatsächlich hat sich ein Installateur um meine Dusche gekümmert. Zwei Wochen Eiswasser hätte ich wahrscheinlich auch nicht sehr lustig gefunden. Morgen fahre ich zum ersten Mal in die Berge. Dieses Mal ohne Umwege. Ich nehme besser den Shuttle.


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