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Politik

Zwischen Glühwein und Sorge

20. Dezember 2016

Am Tag nach dem Berliner Anschlag sind viele Weihnachtsmärkte in Deutschland gut besucht. Die Menschen in der Bonner City genießen das Essen und die Getränke. Doch die Stimmung ist jetzt anders. Von Carla Bleiker, Bonn.

Deutschland Weihnachtsmarkt in Bonn
Bild: DW/C. Bleiker

Der Bonner Weihnachtsmarkt zur Mittagszeit. Die Scharen derer, die sich um die Wurst- oder Glühweinstände drängen, sind nicht kleiner als an den vorherigen Tagen. Auch die Geschäfte gehen gut: Er habe, sagt ein Wurstverkäufer, an diesem Dienstag soviel Umsatz wie noch nie in dieser Saison gemacht.

Und doch hat sich die Stimmung an dem Tag nach dem Berliner Attentat verändert, schwankt zwischen Trotz, Trauer und Sorgen. 

Gerade jetzt würden sie auf den Weihnachtsmarkt gehen, erklären einige Besucher. Sie wollten sich von den Attentätern auf keinen Fall ihren Lebensstil diktieren lassen. Andere hingegen haben in Gegenwart der schwer bewaffneten Polizisten am Rande des Marktplatzes ein anderes Gefühl als sonst. "Allein die schwer bewaffneten Polizisten - das besorgt eher, als dass es beruhigt", sagt Susanne, eine junge Frau aus Bonn. "Ob das etwas bringt? Was wollen die denn machen, wenn jetzt jemand hier eine Bombe hat?"

Verstärkte Polizeipräsenz

Die Bonner Polizei hat ihre Präsenz auf dem am Weihnachtsmarkt am Tag nach dem Berliner Anschlag verstärkt. Es sind nicht nur mehr Beamte vor Ort. Auch mit großen, unmittelbar am Rand des Weihnachtsmarktes geparkten Transporter demonstriert sie Wachsamkeit.

Gut gesichert: Polizisten am Bonner WeihnachtsmarktBild: DW/C. Bleiker

In unmittelbarer Nähe der Ordnungshüter arbeitet Mascha. Sie verkauft in einer festlich geschmückten Hütte Plätzchen und hausgemachte Pralinen. "Ich mache mir Sorgen, ob das auch hier passieren könnte", sagt sie. Allerdings, fügt sie hinzu: "Der Weihnachtsmarkt hat geöffnet wie immer. Dass er schließen könnte, stand aber nie zur Debatte. Die Polizei gibt mir jedenfalls ein Sicherheitsgefühl."

Sorge vor Rechtsruck

Ein paar Schritte weiter stehen zwei ältere Damen an einem Glühweinstand. Zu Hause zu bleiben statt auf den Weihnachtsmarkt zu gehen, das käme für sie nicht in Frage, erklären sie übereinstimmend. Dennoch, der Angriff belaste sie, sagt eine von ihnen. "Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich daran denke." Ihre Freundin hingegen sorgt sich vor allem, vor den möglichen politischen Folgen des Attentats. "Das Schlimme ist der Rechtsruck, der jetzt kommt."

Den Terroristen nicht weichen

Zusammen mit seinem Bruder führt Hubert Markmann die "Almhütte", einen Fleisch- und Wurststand. Gerade heute wollte er zur Arbeit erscheinen. "Wir können doch keine Betonmauern hochziehen", sagt er. Gleichwohl ist er über die Situation in Berlin bestens informiert. "Einige Freunde und Kollegen von mir waren auf dem Markt. Der Laster ist da mitten reingefahren, einen halben Meter an meinen Freunden vorbei. Die Frau eines Freundes wäre fast gestorben."

Dennoch müsse man weitermachen wie bisher, sagt er. "Die Situation ist schlimm. Aber wenn wir uns jetzt einschränken, dann haben die Terroristen ihr Ziel erreicht."

In Sorge um die politische Kultur in Deutschland: eine bolivianische Verkäuferin in ihrem StandBild: DW/C. Bleiker

Aber Deutschland könne nicht die Welt retten, sagt Markmann mit lauter Stimme. Lieber sollte das Land sich den Problemen vor der eigenen Haustür widmen, anstatt Geld für Flüchtlingsunterkünfte auszugeben.

An seinem Stand hat sich derweil ein aufmerksames Publikum versammelt. Ein Mann mittleren Alters nickt zustimmend. "Den sollten wir mal zu Merkel schicken", sagt er mit Blick auf Markmann. "Merkel!", antwortet der. "Die Toten gehen auf ihr Konto!"

"Es kann überall passieren"

Anders sieht es eine Bolivianerin, die an einem Dekorationsstand arbeitet. Hass und Wut machten ihr genauso viel Sorgen wie der Anschlag selbst. "Ich hatte so gehofft, es kommt keine schlechte Stimmung gegenüber Flüchtlingen und Migranten auf." Das aber, fürchtet sie, könnte nun durchaus eintreten.Doch nicht alle, die sich an diesem Nachmittag auf dem Weihnachtsmarkt aufhalten, lassen sich ihre Stimmung durch die Ereignisse der vergangenen Nacht trüben. Was denn passiert sei, wollen einige auf die Frage wissen, ob sie nach den Berliner Anschlägen Angst hätten.

Lea, eine Studentin aus Bonn und ihr Kommilitone Chen, ein Austauschstudent aus Taiwan, haben zwar von dem Angriff gehört. Doch sie seien weder besorgt noch überrascht, erklären sie. "Es kann überall passieren. Deutschland ist eben auch ein Ziel", sagt Chen. "Wo immer man auch ist, so etwas lässt sich nicht vermeiden."

Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker
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