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Architektur

Zwischen Glamour und Weltrettung

Ulrike Sommer
25. Mai 2018

Mit ihrem Architekturbüro GRAFT verbinden sie seit 20 Jahren Gegensätze zu Visionen: Lars Krückeberg, Wolfram Putz und Thomas Willemeit. In diesem Jahr sind sie Kuratoren des Deutschen Pavillons in Venedig.

Architekturbüro GRAFT | Architekturbiennale in Venedig
Thomas Willemeit, Wolfram Putz und Lars Krueckeberg, die Gründungspartner der GRAFT GmbHBild: Pablo Castagnola

Kennengelernt haben sie sich schon im Studium in Braunschweig. 1998 gründeten die drei Freunde dann in Los Angeles ihr Büro für "Architektur, Städtebau, Design, Musik und 'the pursuit of happiness'" - das Streben nach Glück. Berühmt wurden sie durch ihre Freundschaft mit Hollywoodstar Brad Pitt, mit dem sie mehrere Projekte planten. GRAFT unterhält heute Büros auf drei Kontinenten: in Los Angeles, Berlin und Peking. Für Lars Krückeberg, Wolfram Putz und Thomas Willemeit geht es beim Bauen nicht nur um Funktionalität, sondern ganz stark um Emotionen. Und um die Frage, ob die Architektur ein Werkzeug sein kann, um soziale Gerechtigkeit zu schaffen. 

GRAFT über… "Grafting"

Grafting steht für das Verbinden von vermeintlichen Gegensätzen, von Gedanken und Methoden, um eine Synthese herzustellen. Architektur ist vielschichtig. Deswegen ist das Zulassen von verschiedenen Einflüssen absolut notwendig. Der Name steht für das Zusammenführen von Ambivalenzen, aber auch für das Aushalten von Ambivalenzen.

Als Expertin für den Pavillon in Venedig hat sich GRAFT Marianne Birthler dazugeholt, die ehemalige Bundesbeauftragte für Stasi-UnterlagenBild: Pablo Castagnola

GRAFT über… "Make it Right", ein Wiederaufbauprojekt für New Orleans

Als Architekturaktivisten aufzutreten, war neu und anstrengend. Das hatten wir uns nicht träumen lassen, dass es so ein Kraftakt werden würde. Und dass es 10 Jahre dauern würde, die Häuser zu bauen, die wir versprochen haben: sicher, nachhaltig, mit einem Designanspruch und trotzdem zu einem bezahlbaren Preis. In diesen 10 Jahren haben wir wahnsinnig viel gelernt. Wir sind sehr stolz darauf, wenn Architekturstudenten an die Haustüren klopfen und die Bewohner fragen: "Wie ist das Haus entstanden? Sind sie glücklich?" Und die Leute sagen: "Mein Haus ist das Beste!"

GRAFT über… Bauen in China

China war für uns interessant, als dieses Land wirklich noch im Aufbruch war. Als ein Vakuum an Meinung da war. Hier (in Deutschland, Anm. d. Red.) weiß jeder, was das Bauhaus war und wie man angeblich richtig wohnt. In China gab es eine große Freiheit im Denken, weil es diese geschichtelte "richtig/falsch"-Einstellung nicht gab und man Dinge neu definieren konnte - beziehungsweise die Leute offen in die Diskussion gingen. Das hat sich geändert, seit The Big Chairman gesagt hat: "Enough with weired Architecture". Man kann verstehen, dass ein Land seine eigene Identität sucht und versucht, wieder an das anzuknüpfen, was Mao zerstört hat. Aber Freiheit ist dort jetzt anders definiert.

Im Münchner Stadtteil Fröttmaning, in direkter Nachbarschaft zur Allianz Arena, realisierte GRAFT 2014 den ersten Baustein der neuen Freizeitattraktion "Showpalast"Bild: Stefan Mueller-Naumann

GRAFT über… Architektur-Großprojekte in Deutschland – und was sie daran stört

Die klassischen Wege zu größeren Bauwerken oder aufgeladenen Lösungen haben normalerweise den Wettbewerb. Aber die Zugänge werden immer exklusiver und beschränkter. Junge Kollegen kommen schon gar nicht mehr in den Kreis. Es sind eigentlich immer die "usual suspects" und ein paar große Namen, gerne aus dem Ausland. All das sind Gatekeeper der gebauten Zukunft.

GRAFT über… die amerikanische Mentalität – und was sie daran schätzen

Wenn man sich Amerika anschaut: Den wichtigsten Denkmal-Wettbewerb Amerikas - das "Vietnam Memorial" - hat eine Studentin gewonnen. Da sind die Amerikaner extrem stolz darauf. Man hat das demokratisch geöffnet und hat diese Risikobereitschaft gar nicht als Risiko empfunden. Und das Ergebnis war, dass man sagt: Aus der Mitte des Volkes ist die Idee entstanden statt aus dem bestbezahlten Künstler. Hier (in Deutschland, Anm. d. Red.) wird gedacht: Das geht dann schief. Da (in den USA, Anm. d. Red.) wird gedacht: Wir schauen mal, was dabei herumkommt. Diese Kultur des Scheiterns - damit meint man ja nicht, man soll versagen. Man sollte bloß keine Angst davor haben, dass auch mal was daneben geht. Diese Form der vitalen Lockerheit, das haben wir sicherlich auch mit hierher mitgebracht.

GRAFT-Entwurf für das Jüdische Museum in Moskau (nicht verwirklicht)Bild: GRAFT

GRAFT über…geplatzte Architekturträume

Die gibt es - haufenweise: Das Jüdische Museum für Russland, in Moskau. Wir haben einen geheimen Wettbewerb gewonnen gegen Daniel Libeskind etc. - das war ein Politikum, dass das ein deutsches Büro gewinnt. Wegen der Finanzkrise ist das dann nicht zustande gekommen. Auch die überkonfessionelle Kirche in Wünsdorf wäre ein fantastisches Projekt gewesen. Und: Große, richtig tolle Türme in Dubai. Wir waren natürlich auch auf dieser verrückten Welle mit dabei. Leider wussten wir nicht, dass Lehman Brothers in der Finanzierung steckte... Das ist das Schicksal eines ambitionierten Architekten. Damit muss man umgehen lernen, sonst hält man es nicht aus.

GRAFT über… die Digitalisierung

Die Architekturwelt ist seit zehn Jahren in Ekstase, weil wir neue, ganz neue Werkzeuge haben, wie man Architektur erfindet. Die Digitalisierung hat aber auch dazu geführt, dass wir heute geile Häuser bauen, die vor 20 Jahren noch viel zu teuer gewesen wären. In dem Bereich ist man in eine Zeit hineingeboren als Architekt, die ist phantastisch. Das ist ein bisschen wie Corbusier bei der Erfindung des Betons.

GRAFT-Entwurf der Hotelanlage "Desert Canyon Resort" in Dubai (bisher nicht verwirklicht) Bild: GRAFT

GRAFT über…Herausforderungen der Zukunft

Der Grundnenner ist Energie. Energie ist die wahre Währung der Welt. Wie wird Material hergestellt, wie viel Energie braucht das? Wie bauen wir, wie viel Energie braucht das? Wie benutzt man die Immobilie nachher, wie viel Energie braucht das? Wie sehen unsere Städte von morgen aus? Energie ist ein Vehikel für die Stadtentwicklung - und zwar überall, ob wir jetzt über Berlin reden oder über diese wahnsinnig schnell wachsenden Städte in der Dritten Welt, die von zehn Millionen aufwärts gehen und von denen es immer mehr geben wird in der Zukunft. Das sind gigantische Fragen. Und der Architekt, wenn er denkt wie ein Infrastrukturplaner, wie ein Städtebauer, kann diese Dinge verbinden.

GRAFT über… Traumprojekte

Ein Konzerthaus für ganz unterschiedliche Formen von Musik. Ein Gebäude, in dem Konfliktparteien über Frieden diskutieren. Ein Landschaftspark, wie in England vor 200 Jahren. Aber ein WM-taugliches Fußballstadion bauen, das wäre auch toll.

Ein Traum ist für das Architektentrio in diesem Jahr wahr geworden – sie gestalten den Deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig.

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