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Politik

Zwischen Koalitionsfrieden und Wahlkampf

Fabian von der Mark
29. März 2017

Zum ersten Mal trifft Angela Merkel im Koalitionsausschuss auf Martin Schulz. Union und SPD betonen zwar, dass sie noch "vernünftig regieren" wollen - tatsächlich aber haben sie schon auf Wahlkampf umgestellt.

Berlin Bundespräsidentenwahl Merkel Schulz
Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Eigentlich wollte Martin Schulz das Treffen platzen lassen. Die Verabredung mit den Chefs des konservativen Koalitionspartners hatte er spontan abgesagt. Einen Empfang der sozialdemokratischen Abgeordneten am selben Abend nannte er als Grund. Nach kurzen aber deutlichen Irritationen (die CDU sprach von "Arbeitsverweigerung") ist er am Abend jetzt doch dabei. Die Themen, die er mitbringt, sprechen aber eine klare Sprache.

Unterschiede aufzeigen

Ehe für alle, Managergehälter runter, Ende der Teilzeitfalle - auf einer SPD-Veranstaltung würden Schulz' Forderung allesamt bejubelt. Bei den Konservativen sorgen sie für wenig Applaus. CDU-Fraktionschef Kauder meint vorab lapidar: "Was der Koalitionspartner manchmal für Ideen hat zum Ende der Legislaturperiode…" Die Sozialdemokraten wiederum machen keinen Hehl daraus, worum es ihnen nach vier Jahren großer Koalition geht: Unterschiede aufzeigen.

Seit Martin Schulz Kanzlerkandidat der SPD ist, stellt er das Thema soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt. Zuletzt wurde ihm vorgeworfen, unkonkret zu bleiben. Zum Treffen ins Kanzleramt kommt er nun mit Vorschlägen. Beispiel: die Begrenzung von Managergehältern. Schulz will durchsetzen, dass Unternehmen Managergehälter nur bis 500.000 Euro steuerlich absetzen können. "Wenn sich die Union weiter nicht bewegt, wird das ein wichtiges Thema im Wahlkampf", so Martin Schulz.

Ehe für alle - nicht Markenkern der Konservativen

"Wenn zwei Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, sollen sie auch heiraten dürfen": Thomas Oppermann (SPD) zur "Ehe für alle"Bild: picture alliance / Wolfram Steinberg

SPD-Wahlkampfthema wird wohl auch die "Ehe für alle", also auch für homosexuelle Paare, werden. Die SPD sagt zwar, sie versuche mit dem Koalitionspartner darüber Konsens zu erzielen. Offensichtlich ist der Versuch aber vergeblich. Für Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, ist eine homosexuelle Partnerschaft nicht "dasselbe" und auch Volker Kauder winkt ab: "Für mich und für viele in der Unionsfraktion ist die Ehe die Verbindung von Mann und Frau." Auch die Konservativen arbeiten sechs Monate vor der Wahl an ihrem Markenkern.

Der Strauß an Themen, den CDU und CSU mitbringen, macht klar: die Union positioniert sich zu Beginn des Wahlkampfes als Partei für Recht und Ordnung. So sollen Wohnungseinbrüche härter bestraft, Sozialmissbrauch von Asylbewerbern bekämpft und das Kindergeld von EU-Ausländern gekürzt werden. Dass damit am Abend bei den Sozialdemokraten wenig zu holen sein wird - egal. Auch die Union demonstriert jetzt, dass der Konsens in der großen Koalition Grenzen kennt: "Im Kern passen Union und SPD nicht zusammen", bringt CDU-Mann Michael Grosse-Brömer die Sache auf den Punkt.

Den Vorwurf "Wahlkampf" zu betreiben, machen sich beide Seiten. Wenn die Union etwa vorschlägt, bei Wohnungseinbrüchen künftig grundsätzlich ein Jahr Haft als Strafe auszusprechen, sagt die SPD, dies gebe das Strafrecht jetzt schon her. Die Union will der Polizei mehr Möglichkeiten geben, die SPD den Spielraum der Richter nicht einschränken. Wie auch bei der Unions-Forderung, bei Sozialbetrug durch Asylbewerber und andere Ausländer, leichter abschieben zu können:  geringe Einigungschancen.

Die Konflikte werden mehr - der Konsens weniger

Warum also das ganze Treffen? Weil ein halbes Jahr eben ein halbes Jahr ist und die Regierung, wie Angela Merkel am Montag meinte, "weiter vernünftige Regierungsarbeit leisten will" und man "noch Einiges" zu tun habe. Welche Projekte die Kanzlerin genau meint, ließ sie offen. Vielleicht eine Reform der Pflegeberufe, wo die Union die Ausbildung von Kranken- und Altenpflege verbinden will. Solche Einigungen scheinen in der Koalition noch möglich - viel mehr nicht. Dabei fehlt nicht nur wegen des Wahlkampfes der Wille, sich zu einigen, für größere Gesetze fehlt langsam auch die Zeit. Es passt zu Angela Merkel, dass sie sich bei offenen Koalitionskonflikten heraushält. Martin Schulz sei eben jetzt dabei, bemerkt sie beiläufig und ansonsten liege es "in der Natur der Sache, dass wir in den nächsten Monaten jetzt nicht mehr so viel Gesetzgebung auf den Weg bringen".

Angela Merkel: "Die Zeit für die Beratungen läuft aus" Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

Sechs Monate vor der Wahl wird der Koalitionsausschuss möglicherweise an diesem Mittwoch zum ersten Mal mit Martin Schulz und gleichzeitig zum letzten Mal überhaupt tagen. Laut Koalitionsvertrag hat der Ausschuss einen Zweck: er "führt in Konfliktfällen Konsens herbei". Bis zum 24. September werden ab jetzt wohl die Konflikte mehr und der Konsens weniger werden. Die Regierung biegt auf die Zielgerade ein und die große Koalition stellt um auf: Wahlkampf.

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