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Zwischen Messias und Teufel

Stefan Nestler2. Juni 2015

Lange fragten sich viele, wieso FIFA-Präsident Blatter jede noch so schwere Krise schadlos übersteht. Jetzt war es für den Strippenzieher der Macht aber doch wohl eine zuviel - er kündigte an zurückzutreten. Ein Porträt.

Sepp Blatter (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/A. Wiegmann

Joseph Blatter hat auch Fußball gespielt. Als Mittelstürmer ging er in den 1960er-Jahren für den FC Visp in der höchsten Schweizer Amateurliga auf Torejagd. Bei seinem Heimatverein war er auch Spielertrainer. Dass er einmal der mächtigste Fußball-Funktionär der Welt würde, ahnte damals wohl niemand. Geboren wurde Blatter 1936 als zweitältester von drei Söhnen eines Automechanikers dort, wo er später auch Fußball spielte: im Ort Visp im Kanton Wallis, nicht weit vom Matterhorn. Nach der Matura, vergleichbar mit dem Abitur in Deutschland, studierte er in Lausanne Betriebs- und Volkswirtschaft. Beruflich zog es Blatter zunächst in die PR-Branche, wo er für den Walliser Fremdensverkehrsverband arbeitete, dann für einen Uhrenkonzern.

Mit Hilfe von Adidas

Mit 39 Jahren begann seine Karriere als Fußballfunktionär. Der damalige FIFA-Präsident Joao Havelange holte Blatter zum Weltverband. Als Direktor für Entwicklungsprogramme war er unter anderem für die Junioren-Weltmeisterschaften zuständig. Protegiert wurde Blatter von Horst Dassler (1936 bis 1987), dem früheren Chef des deutschen Sportartikelherstellers Adidas. Einige Monate lang soll der Schweizer sogar aus der Kasse des Konzerns bezahlt worden sein, Dassler stellte Blatter auch ein Büro im Elsass zur Verfügung.

Der deutsche Industrielle soll bei der FIFA auch die entscheidenden Strippen gezogen haben, als Blatter 1981 zum Generalsekretär aufstieg und damit den zweithöchsten Posten des Fußball-Weltverbands übernahm. Der Schweizer vermarktete fortan die Fernsehrechte bei Weltmeisterschaften und hielt Kontakt zu den Sponsoren. Außerdem wirkte er an einigen Regeländerungen mit, etwa der Einführung der Drei-Punkte-Regel. Blatter galt als kompetent und kommunikativ.

"Entwicklungshilfe" und "Provision"

1998 schließlich hatte er es ganz nach oben geschafft. Bei der Wahl um die Nachfolge von FIFA-Chef Havelange setzte sich Blatter gegen UEFA-Präsident Lennart Johansson aus Schweden durch. Hartnäckig hält sich die Behauptung, der Schweizer hätte sich Stimmen afrikanischer Delegierter mit einer Million US-Dollar erkauft. Blatter wies den Vorwurf zurück und sprach von "Entwicklungshilfe". Seitdem hat sich der FIFA-Präsident als äußerst skandalfest erwiesen. Egal wie hoch die Wogen schlugen, Blatter kam ungeschoren davon. Skandale gab es ausreichend. Der für den FIFA-Chef vielleicht kritischste war jener um den FIFA-Marketingpartner ISL, der Schmiergelder an Fußballfunktionäre gezahlt hatte. Das war gerichtsfest - auch, dass Blatter als Generalsekretär von den Zahlungen gewusst hatte. Er selbst sprach von "Provisionen". Die FIFA kaufte sich schließlich 2010 gegen eine Millionensumme aus dem Verfahren frei und erklärte Blatter für unschuldig.

Der FIFA-Chef regiert wie ein "Sonnenkönig"Bild: Getty Images

Bei seiner dritten Wiederwahl im Jahr 2011 profitierte der Chef von der Korruption im eigenen Verband. Sein Gegenkandidat Mohamed bin Hammam zog seine Bewerbung zurück, als bekannt wurde, dass er versucht hatte, Delegierte aus der Karibik zu bestechen. Blatter habe davon gewusst, behauptete der Katarer. Die FIFA-Ethikkommission sprach den Präsidenten jedoch frei. "Krise? Was ist eine Krise? Die Fifa befindet sich in keiner Krise. Wir haben lediglich Schwierigkeiten", sagte Blatter damals. Auch die Diskussionen um die Doppelvergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 überstand Blatter dank seiner Ethikkommission. Die sah im Gegensatz zu FIFA-Chefermittler Michael Garcia keine Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe der WM 2018 an Russland und 2022 an Katar.

Treue Anhänger

Viele fragten sich, warum es Blatter immer wieder gelungen ist, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Blatter wußte, wie Macht funktioniert und wie man an der Macht bleibt. Kritik von außen lächelte er weg, Aufstände im eigenen Lager schlug er nieder, Konkurrenten entmachtete er, Probleme saß er aus. Das alles konnte der FIFA-Präsident, weil er sich beinahe blind auf seine Gefolgschaft verlassen konnte. Blatter wußte die Funktionäre aus Asien, Afrika und Lateinamerika hinter sich. Seit 17 Jahren pflegte er die Verbindungen dorthin nach dem Prinzip "Geben und Nehmen". "Ich bin der Präsident derjenigen, die mehr Mühe hatten, im internationalen Konzert mitzuspielen", sagte Blatter einmal in einem Interview. "Also wenn man so will, bin ich der Präsident der Kleinen." In vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas wird Blatter wie ein "Fußball-Messias" verehrt, der sich nicht nur für die dortigen Verbände eingesetzt hat, sondern ihnen auch Geld zukommen ließ - ob als "Entwicklungshilfe" oder aus anderen Gründen, sei dahingestellt. Blatter wurde nicht müde zu verkünden, dass er sich auf einer Mission befinde: "Die Fifa ist durch die positiven Emotionen, die der Fußball auslöst, einflussreicher als jedes Land der Erde und jede Religion." Die Hauptstrippe dieser Macht hat er jetzt abgegeben.

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