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Zwischen Politik und Privatem

Jochen Kürten18. Februar 2005

Im Wettbewerb der 55. Berlinale überwiegt die Enttäuschung. Kaum einem Film gelang die Symbiose von Form und Inhalt - doch es gibt Ausnahmen.

Leben: "Paradise Now"Bild: AP

Der Regisseur, der bei den Filmfestspielen in Berin bisher auf die meiste Zustimmung stieß, kommt weder aus einem klassischen europäischen Filmland wie Frankreich, Deutschland oder Italien, noch aus den USA oder einer asiatischen Nation: Hany Abu-Assad wurde in Nazareth geboren, lebt heute in Israel, ist aber Araber und hat einen Film gedreht, der in der Westbank spielt.

"Paradise Now" zeigt zwei junge Palästinenser aus Nablus, die einen Selbstmordanschlag planen. Es ist eine ganz aktuelle Geschichte, so wie sie sich jeden Tag in den Palästinensergebieten abspielen könnte.

Leben junger Palästinenser

Abu-Assad verzichtet auf Klischees und einseitige Schuldzuweisungen gegenüber Israel. Er zeigt nur, wie junge Palästinenser leben. Wie sie versuchen, mit der schwierigen politischen Situation umzugehen, und wie sie eben auch radikale Lösungen in Erwägung ziehen.

Die große Stärke des Films liegt in der psychologischen Vielfalt seiner Protagonisten und dem Aufzeigen der komplexen und komplizierten gesellschaftlichen Lage. "Ich werde niemals einen Film machen können, der sagt nur die Besatzung ist Schuld. Das wäre zu kurz gedacht", sagte der Regisseur während der Pressekonferenz in Berlin.

"Natürlich ist die Besatzung ein wichtiger Grund für die Situation. Wichtiger für mich ist allerdings die Frage: Was hat die Besatzung aus den Menschen gemacht? Wie kann man sich der Besatzung gegenüber verhalten, wie kann man sie - auch - bekämpfen? Die Menschen werden durch die Besatzung doch auseinander gerissen."

Die arabische Regisseur Hany Abu-Assad (Mitte) und seine Hauptdarsteller Kais Nashef (links) und Ali Suliman (rechts)Bild: AP

Abu-Assad geht es um die Menschen und ihre Geschichten. Insofern ist sein Film auch auf einer ganz persönlichen Ebene lesbar: "Das Thema Vater und Sohn ist ein wunderbarer Tragödienstoff! Aber das ist alles nicht erfunden. Die Motivationen der Figuren sind vielfältig. Es geht nicht nur um Gott oder ein mögliches Paradies!"

"Paradise Now" ist eine niederländisch-deutsch-französische Koproduktion und mit Unterstützung des "World-Cinema-Fund" entstanden. Diese Initiative, im Jahr 2004 von der "Kulturstiftung des Bundes" und den Filmfestspielen gegründet, soll Produktionen aus Ländern unterstützen, deren Filmindustrie von politischen und ökonomischen Krisen bedroht ist. Diese noch junge Initiative kann mit derart dicht inszenierten, dazu hochaktuellen Filmen eine glänzende Zukunft haben kann.

Film eines Schicksalslosen

Der Literatur-Nobelpreistraeger Imre KerteszBild: AP

Mit Spannung erwartet wurde auch die erst kurz vor Festivalbeginn in den Wettbewerb aufgenommene ungarisch-deutsch-britische Produktion "Fateless" - die Verfilmung des weltberühmten Holocaust-Romans des ungarischen Nobelpreisträger Imre Kertész "Roman eines Schicksalslosen". Der hatte auch das Drehbuch zu dem Projekt beigesteuert und zeigte sich in Berlin zufrieden mit der Filmversion seines Buches. Angesprochen auf die Frage, ob der Film denn angesichts anhaltender Kriege in aller Welt nicht gerade jetzt von brennender Aktualität sei, sagte Kertész: "Über die heutigen Massaker kann ich nichts sagen. Aber, der Holocaust und auch der Stalinismus, die sind nur sehr schwer verarbeitet worden von den Menschen. Und obwohl diese Erfahrungen natürlich negativ waren, haben sie dennoch das Denken der Menschen beeinflusst", ist sich der Schriftsteller sicher.

"Der Holocaust ist zu einem europäischen Mythos geworden, zu einem jüdischen Mythos, zu einem jüdischen Trauma. Das ist nie abgeschlossen. Die Verarbeitung dieser spezifischen Erfahrungen hat auch Gutes bewirkt."

Lajos Koltai und sein Hauptdarsteller Marcell NagyBild: AP

Dem schloss sich auch Regisseur Lajos Koltai an, der darüber hinaus auch auf die Einzigartigkeit von Kertész' Roman hinwies: "Der Holocaust ist nicht abgeschlossen, gerade heute nicht! Der Roman handelt ja auch nicht in erster Linie nur vom Holocaust, sondern es geht um die Menschen, die das alles durchgemacht haben", meint der Regisseur. "Wir blicken ja auch nicht von außen nach innen im Film, sondern von innen nach außen. Wir schildern die Seele eines Kindes, das alles das durchmacht. Das ist ein Aspekt, den hat es noch nicht gegeben im Holocaust-Film."

Das Leiden des Präsidenten

Dass Privates und Politisches nicht zu trennen ist, das machte auch der französische Wettbewerbsbeitrag "Der späte Mitterand" deutlich, der die letzten Lebensmonate des krebskranken französischen Staatspräsidenten Francois Mitterand schildert. In der Hauptrolle von Michel Bouquet glänzend und preisverdächtig gespielt, überzeugte der Film allerdings nur phasenweise.

Doch bewies auch er, dass jede politisch ausgerichtete Produktion - wenn sie als Spielfilm daherkommt - nur über die psychologisch fundierte Charakterzeichnung ihrer Figuren funktioniert.

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