Regisseur Peter Greenaway war eine Ikone der 1980er-Jahre - dann wandte er sich vom Kino ab. Zu seinem 80. Geburtstag arbeitet der Waliser jetzt an einem neuen Film.
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Zum 80. Geburtstag von Peter Greenaway
Filmemacher, Künstler, Medienphilosoph. Der Brite Peter Greenaway pendelt zwischen den Sparten - und provoziert gern. In den 1980er Jahren war er ein Regie-Star, danach wurde sein Publikum übersichtlicher.
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Freund und Feind der Kamera
"Der Film muss sich von der Kamera trennen, um sich aus der Sklaverei zu befreien." Für einen Filmregisseur ist das eine verblüffende Aussage. Doch sie passt zu dem Briten, der vieles in seiner künstlerischen Karriere vollbracht hat - nur eines nicht: ein Werk, mit dem sich alle dauerhaft identifizieren können.
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Furioses Debüt
Wenn man von mehreren experimentellen Kurzfilmen und dem dreistündigen Avantgardefilm "The Fall" (1980) absieht, dann ist das 1982 entstandene Werk "Der Kontrakt des Zeichners" Greenaways Spielfilmdebüt gewesen. Im Kino der 1980er Jahre schlug es ein wie eine künstlerische Bombe. Hier zeigte sich ein Regisseur, der sich kühn vom Mainstream, aber auch vom klassischen Autorenfilm absetzte.
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Zahlenspiele und Rätsel
Auch sein zweiter Spielfilm "Ein Z und zwei Nullen" sorgte für große Aufmerksamkeit. 1985 konfrontierte Greenaway den Zuschauer mit einer nur vordergründig konventionellen Geschichte: Zwei Brüder ergründen nach dem Unfalltod ihrer Frauen den Lauf der Welt. Ein Z & zwei Nullen, das heißt einerseits ZOO, wird bei Greenaway aber auch zu einem philosophischen Spiel mit Zahlen, Ziffern und Buchstaben.
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Emotional und intelligent
Ein Jahr später verblüffte der Regisseur sein Publikum mit seinem bis dahin zugänglichsten Film: "Der Bauch des Architekten". Brian Dennehy spielt einen Architekten, der in Rom eine Ausstellung konzipieren will und der innerlich zerfressen wird - vom Krebs. Greenaways Film wurde beim Festival in Cannes gezeigt und überraschte aufgrund seiner emotionalen Geschichte.
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Drei Frauen und ein Rätsel
Auch "Verschwörung der Frauen" feierte Premiere beim wichtigsten Filmfestival der Welt. Greenaway präsentierte in Cannes 1988 einen heiteren und sehr ironischen Film. Drei Frauen - Mutter, Tochter, Enkelin - bringen ihre Männer um und arbeiten dabei mit dem Leichenbeschauer zusammen. Ein Spiel mit absurden, komischen und rätselhaften Motiven.
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Skandal- und Sensationserfolg
Mit seinem fünften "konventionellen" Spielfilm "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber" erreichte Peter Greenaway dann den Höhepunkt seiner Karriere im klassischen Kinobetrieb. Hellen Mirren spielt dort die Gattin eines Kriminellen und Restaurantbesitzers. Skandalös war damals die Verquickung von Themen wie Sexualität und Kannibalismus - vor ausgesucht schön arrangierten Bildtableaus.
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Greenaway & Shakespeare
Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich der Brite Peter Greenaway auch einmal dem größten englischen Dramatiker aller Zeiten zuwenden würde: William Shakespeare. 1991 war es soweit: Der Regisseur verfilmte das Drama "Der Sturm". Allerdings - wie zu erwarten - sehr frei nach Shakespeare. Gleichzeitig begann Greenaway damals mit neuen Filmtechniken zu experimentieren.
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Greenaway macht es dem Publikum nicht leicht
In den 1990er Jahren wurden Greenaways Filme, die zuvor ja auch schon kein Mainstream-Publikum anzogen, immer verkopfter. "Das Wunder von Mâcon" aus dem Jahre 1993 ist ein Beispiel für die Tendenz des Regisseurs, das Kino nur noch als Spielwiese für seine technische Experimentierlust und sein künstlerisch-philosophisches Weltbild zu nutzen.
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Bilderzeichen und Zeichensprache
Peter Greenaways Filme aus jenen Jahren, wie auch der 1996 entstandene Film "Die Bettlektüre", forderten den Zuschauer weiter - vor allem intellektuell. In "Die Bettlektüre" beschäftigte sich der Regisseur mit einem Klassiker der japanischen Literaturgeschichte: dem "Kopfkissenbuch" von Sei Shonagon, dass vor rund 1000 Jahren entstand.
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Vom Kino zur Kunst
Greenaway verlor zunehmend die Lust, sich mit dem Kino zu beschäftigen. "Das Kino stirbt, im sozialen wie im technischen Sinne", philosophierte Greenaway und prognostizierte das Ende des Mediums Kino. Die Konsequenz: Der gelernte bildende Künstler Greenaway wandte sich Multimedia-Projekten zu wie "The Tulse Luper Suitcases", das 2002 Film und Fernsehen, Video und Kunst-Installation vereinte.
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Weltkünstler Peter Greenaway
Mehr und mehr wandte sich Peter Greenaway den anderen Künsten zu. "Leonardo's Last Supper" aus dem Jahre 2011 war eine knapp 45-minütige filmische Installation, eine Hommage an die italienische Renaissance und Leonardo da Vinci. Auch hier kommen wieder Filmelemente zum Einsatz - doch es dominiert das Gesamtkunstwerk eines global agierenden Künstlers.
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Kino-Comeback
So ganz konnte Greenaway aber dann doch nicht vom Kino lassen. 2015 präsentierte er bei der Berlinale im Wettbewerb seinen Spielfilm "Eisenstein in Guanajuato". Der widmete sich dem Aufenthalt des russischen Kinogenies Sergej M. Eisenstein im Mexiko der frühen 1930er Jahre. Doch Greenaway blieb sich treu: "Eisenstein in Guanajuato" war alles andere als ein konventionell erzählter Spielfilm.
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Die 1980er-Jahre waren sein Jahrzehnt. Exakt von 1982 bis 1989, mit genau fünf Filmen, stand Peter Greenaway ganz oben auf dem Kino-Olymp. In dieser Zeit zählte der Brite zu den großen Namen des Avantgarde-Films. Die Zuschauer - zumindest der aufgeschlossene, intellektuelle Teil des Publikums - begeisterten sich an den kühnen und klugen filmischen Visionen des Regisseurs.
Greenaways Filme wurden immer verkopfter
Doch plötzlich war es vorbei mit dem Zauber. Genauso überraschend wie Greenaway 1982 auf der internationalen Kinobühne aufgetaucht war, verlief sein Absturz. Es ist nicht so, dass Greenaway aufgehört hätte, Filme zu inszenieren, doch die neuen Produktionen waren bei den eingefleischten Cineasten nicht mehr angesagt. Die Kritiker, die ihm zuvor noch begeistert gefolgt waren, fanden sein Kino nun verkopft und intellektuell überfrachtet. Und auch die Begeisterung des Publikums nahm ab.
Es hat wohl selten einen Kinoregisseur nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben, der für so einen fest umrissenen Zeitraum groß und angesehen war, der dann aber später kaum noch eine Rolle spielte. Greenaway wandte sich ganz bewusst ab vom herkömmlichen Kino. Wobei "herkömmlich" bei Greenaway immer schon eine relative Größe war. Auch seine Erfolgsfilme wie "Der Kontrakt des Zeichners", "Der Bauch des Architekten" oder "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber" waren alles andere als konventionell erzähltes Kino. Mit Mainstream hatte der Brite nie etwas zu schaffen.
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Greenaway vertrat das postmoderne Kino
"Greenaway ist im Grunde ein Modernist, der sich den Schafspelz der Postmoderne umgehängt hat", charakterisierte der Filmwissenschaftler Thomas Elsässer den Briten einmal. Der am 5. April 1942 in Newport, Wales, geborene Peter Greenaway war immer an den doppelten Böden des Kinos interessiert: "Mich interessiert, woraus das Vokabular des Kinos besteht. Und letztendlich interessiert mich wohl in Anbetracht der neuen technischen Möglichkeiten und der offenbaren Gebrechlichkeit der alten, wie wir das Kino neu erfinden können."
Vom Ende des Kinos raunte der Regisseur später selbst - und präsentierte im letzten Vierteljahrhundert seine Vorstellungen von Kunst, in der das Kino nur noch eine Nebenrolle einnahm. Aufwendige Installationen, Kunst und Film, Malerei und Musik, alte Kultur und neue Techniken, das wurde bunt gemixt in den nun entstehenden Gesamtkunstwerken des Konzept-Künstlers Peter Greenaway.
Die Cineasten hatten sich da schon lange abgewandt von dem philosophierenden Künstler auf dem Regiesessel. Ein internationales, sehr intellektuelles Kunstpublikum wurde zu seiner neuen Klientel.
Rückkehr zum Kino
Dass Greenaway aber doch nicht ganz vom "alten" Medium Film lassen konnte, wurde 2015 bei den Berliner Filmfestspielen sichtbar, als er seinen Spielfilm "Eisenstein in Guanajuato" präsentierte - eine Verbeugung vor einem klassischen Filmregisseur, dem großen Russen Sergej M. Eisenstein, bekannt vor allem für sein Werk "Panzerkreuzer Potemkin". Weil Greenaway in seinem Film die mutmaßliche Homosexualität Eisensteins thematisierte, hatte das staatliche russische Filmarchiv seine Unterstützung zurückgezogen. Greenaway kritisierte daraufhin auf der Berlinale den Staatspräsidenten Wladimir Putin, der Homophobie fördere.
Trotz dieser Auseinandersetzung arbeitete Greenaway im gleichen Jahr unter dem Arbeitstitel "Wolga" an einem Projekt über die Vergangenheit und Zukunft Russlands - finanziert vom russischen Oligarchen und Putin-Vertrauten Gennadi Timtschenko, der damals bereits auf US-Sanktionslisten stand. Der Film kam schließlich nicht zustande.
2016 führte Greenaway, der in den Niederlanden lebt, Regie beim Dokumentarfilm "Luther und sein Vermächtnis", der Parallelen zwischen bildlichen Darstellungen Martin Luthers und dem Überfluss der digitalen Bilderproduktion in der Gegenwart zieht.
Nun, rund um seinen 80. Geburtstag am 5. April, soll sich das Drama "Walking To Paris" In den letzten Zügen der Bearbeitung befinden - ein dokumentarischer Film über den rumänisch-französischen Bildhauer Constantin Brancusi.