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Zwischen Spar- und Flüchtlingspolitik

Jannis Papadimitriou, Athen30. Oktober 2015

In Athen mahnt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier die Umsetzung zugesagter Reformen an - und wird immer wieder an die steigenden Flüchtlingszahlen erinnert.

Frank-Walter Steinmeier mit Nikos Kotzias in Athen
Bild: picture-alliance/dpa/Y. Kolesidis

Offenbar versucht die griechische Regierung, sich im Gegenzug für ein stärkeres Engagement bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise Zugeständnisse bei der Schuldenfrage auszuhandeln. Diese Themenbereiche ließen sich nicht einfach auseinanderhalten, mahnte der griechische Außenminister Nikos Kotzias am Ende seiner gemeinsamen Pressekonferenz mit Steinmeier in Athen. Als Beispiel nannte er den Umgang mit faulen Krediten, der in Hellas für sozialen Sprengstoff sorge, da Zehntausende Hausbesitzer mit ihren Ratenzahlungen derzeit im Rückstand sind.

"Nehmen wir an, ich würde diese Menschen aus ihren Wohnungen schmeißen, weil ihre Kredite nicht mehr bedient werden. Wie soll ich denen erklären, dass ich zum gleichen Zeitpunkt 50.000 Wohnungen für Flüchtlinge bereitstelle? Da sehen Sie doch: Die beiden Themen hängen zusammen", sagte Kotzias auf bohrende Fragen von Journalisten hin.

Bereits am Vortag hatte der Athener Migrationsminister Jannis Mouzalas im TV-Sender Skai erklärt, Griechenland habe seine EU-Partner um Lockerung der Haushaltsziele unter Hinweis auf die "besonderen Belastungen der Flüchtlingskrise" gebeten. Eine Antwort liege noch nicht vor.

Mahnen und ermutigen

Sachlich, aber einfühlsam, bestand Außenminister Steinmeier seinerseits auf die Einhaltung von Reformzusagen. In einem Gespräch mit Regierungschef Alexis Tsipras habe er den Eindruck gewonnen, dass sich Griechenland an die Übereinkünfte halte und das umsetzen wolle, was auf europäischer Ebene vereinbart worden sei, sagte der deutsche Chefdiplomat. Und: "Gegenseitiges Vertrauen ist das Fundament, das wir nie dringender gebraucht haben als zu diesem Zeitpunkt" mahnte Steinmeier auf der Pressekonferenz mit Kotzias.

Das griechische Staatsfernsehen ERT berichtete von "unterschiedlichen Annäherungen": Deutschland wolle deutlich trennen zwischen dem dritten Hilfsprogramm für Hellas und der Flüchtlingsfrage, während die griechische Regierung dies ganz anders sehe.

Forderung nach einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik

Dennoch sicherte Steinmeier seinem Athener Amtskollegen Kotzias Unterstützung. Die Flüchtlingskrise sei, darüber waren sich die beiden Außenminister einig, ein gesamteuropäisches Problem, das nur durch gemeinsame Anstrengungen gelöst werden könne. Dazu gehörten die Vereinheitlichung der Verfahren und der Standards sowie eine gerechte Verteilung der Lasten, mahnte Steinmeier. Nötig sei auch "die gemeinsame Sicherung der Außengrenzen" unter Berücksichtigung der Nachbarstaaten.

Eine heikle Angelegenheit: Die griechische Regierung lehnt gemeinsame Patrouillen mit dem Nachbarland Türkei ab, da sie anscheinend einen Souveränitätsverlust fürchtet. Vermutlich deshalb fühlte sich Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos bei einem Treffen mit Steinmeier vor laufenden Kameras zu folgendem Kommentar veranlasst: "Diese Grenzen werden wir gemeinsam schützen. Aber wo die Grenzen sind und wie sie geschützt werden - diese Frage hat mit staatlicher Souveränität zu tun und das bestimmen wir".

Außenminister Kotzias berief sich vor allem auf Zweckmäßigkeitsargumente: Zwischen manchen griechischen Inseln und dem türkischen Festland gebe es keine internationalen Gewässer, wo gemeinsame Patrouillen stattfinden könnten. Viel sinnvoller sei es doch, die Flüchtlinge in der Türkei zu registrieren und direkt von dort aus auf alle europäischen Länder zu verteilen. Im Übrigen habe nicht einmal die Türkei selbst gemeinsame Patrouillen vorgeschlagen.

Unterstützung signalisierte der griechische Chefdiplomat für eine europäische Küstenwache zur Sicherung der Außengrenzen. Sein deutscher Amtskollege äußerte sich positiv dazu. Steinmeier empfahl aber auch: "Wir brauchen Vereinbarungen mit der Türkei".

Lobende Worte für Steinmeier

Die Chemie zwischen den beiden Ministern scheint jedenfalls zu stimmen. Demonstrativ lobte Kotzias seinen Gast als "Vertreter der deutschen Aufklärung im 21. Jahrhundert" und verwies dabei auf Steinmeiers Verdienste für den Friedensprozess in der Ukraine, im Iran und nicht zuletzt in Syrien.

Und Steinmeier revanchierte sich am späten Donnerstagabend bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Piräus, an der Kotzias lange Jahre als Politikprofessor mit Schwerpunkt "BRICS-Staaten" tätig war. In einer herzhaften Rede bedankte sich Steinmeier beim "lieben Nikos" für die Auszeichnung und gab den Jungakademikern ein griechisches Sprichwort mit auf den Weg: "Liebe deinen Freund mit all seinen Fehlern".

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