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Tragik und Trost: Käthe Kollwitz zum 150. Geburtstag

7. Juli 2017

Pazifistin, Klassenkämpferin und eine der bedeutendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Am 8. Juli wäre Käthe Kollwitz 150 Jahre alt geworden. Ein Rückblick auf Leben und Werk.

Deutschland Graphikerin und Bildhauerin Kaethe Kollwitz
Bild: picture-alliance/akg

Den Durchbruch bringt ihr ein revolutionärer Zyklus: 1896 bannt Käthe Kollwitz, damals 29 Jahre alt, den Aufstand der Weber auf Papier. Kurz zuvor sieht sie die Uraufführung des gleichnamigen, naturalistischen Theaterstücks von Gerhard Hauptmann auf der Freien Bühne Berlin und macht sich sogleich an die Arbeit. Sie illustriert aber nicht das Drama, mit dem Hauptmann einen für die damalige Zeit beispiellosen Erfolg hatte, sondern übersetzt es in ihre Zeit.

Ihr sechsteiliger Zyklus zum Weberaufstand bezieht sich auf eine Hungersnot unter den schlesischen Webern in den Jahren 1891/92, die zu einer gewaltigen Pressekampagne im ganzen Kaiserreich geführt hatte. Käthe Kollwitz arbeitet fünf Jahre an dem Weberzyklus. Doch macht sie sich allerdings mit ihrer Arbeit über die rebellierenden Textilarbeiter im Eulengebirge nicht wirklich beliebt, allenfalls unter Künstlern. Der Maler Max Liebermann, der sich begeistert zeigt von den ergreifenden Bildern, schlägt sie für die Medaille auf der "Großen Berliner Kunstausstellung" 1898 vor. Kaiser Wilhelm II. hatte für diese "Rinnsteinkunst" - einer Frau zumal - wenig übrig und verweigert ihr die große Auszeichnung. "Orden", soll er gesagt haben, "gibt es nur für Männer."

Blatt 4 aus dem Zyklus: "Der Weberzug"Bild: Käthe Kollwitz Museum Köln

Kunst und Politik

Geboren wird Käthe Kollwitz am 8. Juli 1867 als fünftes Kind von Katharina und Carl Schmidt in Königsberg (heute Kaliningrad). Ihr Vater entdeckt die zeichnerische Begabung der Tochter und bestärkt sie, für damalige Zeiten erstaunlich, indem er sie auf eine private Kunstschule in Königsberg schickt. An staatlichen Akademien sind Frauen damals noch nicht zugelassen. Später erhält sie Privatunterricht in Berlin und München.

Als sie sich mit ihrem Sandkastenfreund, dem Allgemeinmediziner Karl Kollwitz verheiratet, zieht sie mit ihm nach Berlin an den Prenzlauer Berg in eine Vierzimmer-Wohnung, in der auch die Arztpraxis untergebracht ist. Nicht zuletzt über ihren Gatten kommt Kollwitz mit dem Elend der armen Berliner Bevölkerung in Berührung, deren Chronistin sie wird.

Schicksal des Proletariats

In ihrem Tagebuch schreibt sie im September 1909: "Der Mann geht fort, die Frau klagt. Immer das alte Lied. Krankheit, Arbeitslosigkeit, Suff - das geht immer im Kreis. 11 Kinder hat sie gehabt. 5 leben, die großen sterben weg und es kommen immer wieder kleine." Das Elend der Kinder, das sie über die Arbeit von Karl Kollwitz aus nächster Nähe erlebt, spielt auch in ihrem zweiten großen Zyklus über den Bauernkrieg eine zentrale Rolle. Er handelt vom Kampf der Bauern, die sich im Deutschland des 16. Jahrhunderts gegen die Willkür der Herrschenden zur Wehr setzen, getrieben vom Wunsch, wie Menschen behandelt zu werden.

Käthe Kollwitz im Alter von 39 JahrenBild: Käthe Kollwitz Museum Köln

Mit ihrem grafischen Zyklus Bauernkrieg (1902/3-1908) zeichnet Käthe Kollwitz diese Revolte in sieben Stationen. Die letzte Szene zeigt die zwar besiegten und gebundenen Bauern, aber sie stehen aufrecht und stolz da. 1903 stellt sie auch eine Grafik her, die eine Mutter mit totem Sohn zeigt. Ein Thema, das sie am eigenen Leib erlebt hat. Ihre Mutter verlor das erstes Kind, aber auch in der Praxis ihres Mannes erlebt sie Leiden und Sterben zahlloser Kinder.

Schon früh entwickelt sie ihren unverkennbaren Stil und das Talent, Gefühle, Zerrissenheit und Trauer zu zeigen. Die Reduktion auf das Wesen des Schmerzens ist bis heute ihr Markenzeichen. Um den Realismus der Trauer und den Verlust abzubilden, wählt Kollwitz das eindrucksvolle Schwarz-weiß der Druckgrafik. Kein anderer Künstler hat sich jemals so in den vielfältigen Möglichkeiten dieser Technik ausprobiert wie Käthe Kollwitz. Hannolore Fischer, Direktorin des Käthe Kollwitz Museums in Köln, das die weltweit umfangreichste Sammlung mit Werken der Künstlerin besitzt, betont, dass sie damit ein Medium fand, mit dessen Hilfe sie ihre politischen Botschaften möglichst einfach und kostengünstig verbreiten konnte. 1890 entschied sich Käthe Kollwitz gegen die Farbe. "Für jedes Motiv suchte sie ihre eigene Sprache", sagt Fischer im DW-Interview. 

Kollwitz passt in keine Kunst-Schublade

Vielleicht auch deshalb passt sie Zeit ihres Lebens in keine Schublade. Denn während sich Anfang des 20. Jahrhunderts die Avantgardebewegungen zunehmend von jeglicher Gegenständlichkeit entfernten, geht sie ihren eigenen Weg. "Kein –ismus passt zu ihr", sagt die 93-jährige Enkelin Jutta Bohnke-Kollwitz im Gespräch mit der DW im Käthe Kollwitz Museum Köln anlässlich der Vorbereitungen für die Jubiläumsfeier am 150. Geburtstag. "Individualismus" sei die einzige zutreffende Bezeichnung.

Jung und naiv an die Front

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Denn Käthe Kollwitz habe keine Schüler gehabt, niemand habe ihren Stil zwischen Naturalismus und Realismus übernommen. Sie muss nicht nur besonders selbstbewusst, sondern auch charismatisch gewesen sein. "Eine suggestive Kraft ging von ihren Augen aus. Sie hatte eine besondere Art die Menschen anzusehen." Auch gelacht und gefeiert habe sie viel, erzählt die Enkelin. Auf ihren rund 100 Selbstporträts sieht man sie allerdings selten fröhlich, eher ernst und voller Trauer im Blick. 

Tod des Sohnes

Ein Tiefpunkt ist das Jahr 1914. Sohn Peter stirbt als Freiwilliger in Belgien im Ersten Weltkrieg. Käthe Kollwitz selbst ist es, die ihren Mann Karl überredet, die Einverständniserklärung zu unterzeichnen, obwohl der Vater sich eigentlich weigert. Doch die Mutter will ihrem Sohn nicht im Wege stehen und hilft ihm dabei, seinen Wunsch fürs Vaterland zu kämpfen, zu realisieren. Keine drei Wochen danach ist Peter tot.

Die Künstlerin fasst den Plan zu einem Denkmal für den gefallenen Sohn, das erst 1932 seinen Abschluss in dem Mahnmal "Die trauernden Eltern" auf einem Soldatenfriedhof südlich von Oostende finden wird. Ihr bildhauerisches Hauptwerk: zwei kniende Figuren, ganz in sich gekehrt, der Mann tief gebeugt, die Augen auf den Boden gerichtet, die Frau, steingewordene Trauer um all die Toten des Krieges. Die Gesichtszüge sind die von Käthe und Karl Kollwitz.

Enkelin von Käthe Kollwitz: Jutta Bohnke-KollwitzBild: Käthe Kollwitz Museum

Kampf gegen den Irrsinn des Krieges

Zu ihren Füßen, ein paar Meter entfernt, liegt ihr Sohn begraben. Der Irrsinn des Mordens beflügelt Käthe Kollwitz in ihrem Engagement gegen den Krieg. Sie nimmt Auftragsarbeiten an und entwirft Plakate: "Nie wieder Krieg" steht auf einem ihrer Entwürfe von 1929 für den mitteldeutschen Jugendtag in Leipzig. Die Machtergreifung Adolf Hitlers, der Zweite Weltkrieg, ihr Malverbot - all das hält Käthe Kollwitz nicht davon ab, politisch Stellung zu nehmen. Am 1945 stirbt sie in Moritzburg.

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