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Männer im Wandel

Torsten Landsberg
14. November 2020

Männer sollen Gefühle zeigen, aber trotzdem eine Schulter zum Anlehnen bieten. Aus Angst, etwas falsch zu machen, werden manche zu Schoßhunden.

Mann und Frau an Deck eines Schiffes
Begegnung auf Augenhöhe? Verständnis der Geschlechter ist möglichBild: Artokoloro/imago images

Wann ist ein Mann ein Mann? Diese zentrale Frage weist den Sänger Herbert Grönemeyer heute als Visionär aus. Sein 1984 veröffentlichtes Lied "Männer" ist aktueller denn je: Das Rollenbild des Mannes ist im Wandel, die maskuline Vorherrschaft wird bedroht von Frauen, die für die gleiche Arbeit genau so bezahlt werden wollen wie Männer; die in Machtzentralen wie DAX- und Parteivorstände drängen oder dorthin wollen. Männliche Begriffe dürfen nicht mehr stellvertretend für alle stehen, Binnen-I und Gendersternchen zerpflücken das sogenannte generische Maskulinum und also die gute, alte Sprache. Deren Regeln übrigens einmal Männer festgelegt haben.

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Zum Glück gibt es Männer, die das alles vollkommen normal und überfällig finden und diese Forderungen aktiv unterstützen. Im Bewusstsein vieler Männer ist es inzwischen auch ganz normal, sich an der Erziehung der Kinder zu beteiligen und in die Elternzeit zu gehen. Es ist noch nicht lange her, als das verpönt war. Wie ein Mann wann zu sein hat, damit er auch wirklich ein Mann ist, stellt trotzdem viele Vertreter mit XY-Chromosomen vor Probleme. Die Zahl der Hilfesuchenden bei Psychologen oder Männercoaches steigt stetig.

Der Patriarch im Zentrum: Noch heute spricht man vom Familienvater, aber nicht der FamilienmutterBild: Gerhard Leber/imago images

"Männer: außen hart und innen ganz weich"

Dazu trägt ein Spannungsverhältnis bei. Zwar hat das preußisch geprägte Patriarchat mit traditionellen Rollenmodellen weitgehend ausgedient, die Erwartungshaltung an das sogenannte starke Geschlecht ist damit aber nicht gewichen: Immer noch bietet der Mann die Schulter zum Anlehnen, ist häufig der Ernährer - auch wenn er nicht mehr mit der Keule auf Beutezug geht. Der Mann ist das Familienoberhaupt, man spricht vom Familienvater, aber nicht von der Familienmutter.

"Anfang der 1970er Jahre begann eine fundamentale Umwertung des Männerbildes", sagt der Psychologe Stephan Grünewald im DW-Gespräch. Nach zwei Weltkriegen sei dieser Wandel in Deutschland besonders stark ausgeprägt gewesen. "Hart wie Krupp-Stahl - dieses Modell sollte nicht mehr das vorherrschende Bild des Mannes sein, von dem nun Empfindsamkeit und Empathie erwartet wurden."

Gegen eine selbstreflektierte Person, die in der Lage ist, sich auch in andere einzufühlen, ist erst mal nichts zu sagen. Der moderne Mann ist folglich auch in der Lage, Schwächen einzugestehen, sogar Fehler und Niederlagen ...auch wenn das noch nicht bis nach Washington vorgedrungen ist.

Männerdilemma: Ist es höflich, einer Frau aus dem Mantel zu helfen - oder herabwürdigend?Bild: Kelly Redinger/imago images

"Männer sind so verletzlich"

In seinem Buch "Wie tickt Deutschland" schreibt Stephan Grünewald aber auch über die "Inszenierungskrise" des Mannes. "Viele Männer orientieren sich sehr stark an dem, was ihre Partnerin erwartet, und artikulieren keine eigenen Wünsche mehr. Sie glauben, dadurch Liebe zu erhalten und bewahren zu können."

Die Folge ist das Gegenteil: Grünewalds Marktforschungsinstitut Rheingold hat in Tiefeninterviews herausgefunden, dass Frauen von braver Folgsamkeit irgendwann genervt sind. "Sie beklagen, dass der Mann wie Pudding ist und für nichts steht." In einer Studie des Instituts nahm die Gruppe der "Schoßhunde" mit 27 Prozent den größten Anteil ein.

"Manche Männer tun sich schwer, ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen gegenüber der Partnerin zu artikulieren", sagt der Psychologe. "Im Idealfall ist der Mann selbstbewusst und entwickelt eine eigene Position, die er aber auch zur Disposition stellt." Solche Auseinandersetzungen auf Augenhöhe seien zwar mühsam, "sie führen aber zu Kompromissen und steigern zudem die erotische Anziehungskraft."

Besitzstand: Der Arbeitsplatz ist für viele Männer der letzte Zufluchtsort.Bild: Anna Moneymaker/Getty Images

"Männer sind etwas sonderbar"

Produktiver Streit auf der einen und ein patriarchales, vielleicht gar diktatorisches Verhältnis auf der anderen Seite - zwei Pole, die nicht nur im Privaten, sondern auch global auf der politischen Bühne zur Wahl stehen. "Wir sehen eine Rollback-Bewegung", sagt Stephan Grünewald - die Sehnsucht nach starken Führern, die hart durchgreifen. Ein Bild, das noch immer mit dem Mann verbunden wird.

Eine der letzten Bastionen des männlichen Wirkungsbereichs ist der Arbeitsplatz. "In einer unserer Studien strotzten Männer in Gesprächen über ihre Arbeitswelt vor Funktionspotenz." Beim Themenwechsel hin zum Persönlichen sei dieser Elan in eine Art Privatinsolvenz gekippt. "Der Arbeitsplatz ist noch immer Zufluchtsort vieler Männer", sagt Stephan Grünewald. Was bleibt auch sonst, wenn der feierabendliche Zwischenstopp in der Eckkneipe von der Familie nicht gewünscht wird?

Männer achten heute viel mehr auf ihr Äußeres - und gelten dann als metrosexuellBild: Cavan Images/imago images

"Männer haben Muskeln, Männer sind furchtbar stark"

Auch das äußere Erscheinungsbild hat des Mannes hat sich verändert. Na ja, zumindest gibt es mehr Durchlässigkeit und Akzeptanz, wenn es darum geht, mal etwas am Typ zu verändern. Das muss nicht gleich in lackierten Fingernägeln oder dem Tragen von High Heels enden, das dem US-Amerikaner Mark Bryan bei Instagram mehr als 200.000 Follower beschert hat.

Die Popkultur hat "dem Mann" ermöglicht, optisch neue Wege zu beschreiten. Er darf nun Pink tragen und sogar wissen, dass die von ihm gewählte Farbnuance korrekt Mauve heißt. Allerdings darf er das nicht als heterosexueller Mann tun. Um ihn in seiner modischen Katharsis von Homosexuellen zu unterscheiden, fand vor ein paar Jahren ein neuer Begriff Einzug in den Sprachgebrauch: Modebewusste Männer waren plötzlich metrosexuell.

Männer rasieren sich heute am Körper, lassen dafür aber einen wuschigen Bart stehen, den sie mit allerlei Pflegeölen fluffig halten. Die Entdeckung und Pflege des eigenen Körpers ist allerdings nicht nur eine Frage der Eitelkeit. "Die Lederhaut ist ein faschistisches Ideal: zäh wie Leder", sagt Stephan Grünewald. "Haut steht für Durchlässigkeit und Empfindsamkeit. Wer pfleglicher mit sich umgeht, ist sich seiner bewusster und öffnet sich auch auf anderen Ebenen."

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