Zwischen Verdummung und Gegenöffentlichkeit
6. Februar 2009Alessandro will aussteigen aus dem Dschungelcamp in Honduras, Mama Carlotta spricht ihm aus dem Fernsehstudio in Rom Mut zu: Es sind bewegende Momente in Italiens einschaltquotenstärkster Reality-Sendung.
Auf dem nächsten Kanal testen Chicco und Patrizia, ob sie überhaupt noch zueinander passen. Auf dem übernächsten Kanal singt ein Mann, natürlich Playback. Seine Stimme ist längst nicht so schön, wie es beim Singen schien. Aber um mehr als den schönen Schein geht es eh nicht in den italienischen Unterhaltungsshows. "Die Leute gucken das, weil es etwas zu gewinnen gibt. Am Ende geht es immer um irgendeinen Preis, meistens Geld", erklärt ein Italiener.
Inseln der Qualität im Blabla-Meer
Mauro und Sabina sind beide 22 Jahre alt und ganz typische Fernsehzuschauer. Ob Reality, Quiz oder Show - die Sendungen dienen vor allem als Begleitprogramm. "Wir gucken die, wenn wir darauf warten, dass das Abendessen fertig wird", sagt Mauro. "Mir gefällt diese Realityshow. Klar ist die dämlich, aber so verbringe ich einen lustigen Nachmittag", ergänzt Sabina.
Fernsehen - das ist Unterhaltung, im besten Fall noch Entertainment. Tiefschürfende Informationen erwartet Sabina gar nicht. Roberto Morrione, ehemaliger Wellenchef im staatlichen Radio und Fernsehen RAI dagegen weiß, dass es auch einige gute Sendungen gibt. "Aber das sind Inseln in einem Meer aus Blabla und sie kommen zu unmöglichen Zeiten und nur sehr unregelmäßig“, sagt Morrione.
Keine Ahnung von europäischen Themen
Dass die Italiener wenige kritische Fernsehsendungen sehen, macht sich bemerkbar: Der Durchschnittsitaliener ist nicht besonders gut informiert, schon gar nicht über europäische Themen. Als Europa über das Klimapaket verhandelte, wusste nur eine Minderheit der auf der Straße befragten Menschen, dass Italien das Treffen mit einem Veto platzen zu lassen drohte.
Grund für die Oberflächlichkeit der Berichterstattung ist aber nicht nur die Sorge, mit einem anspruchsvollen Programm die Zuschauer zu überfordern. Schuld ist auch Italiens spezielle Situation: Regierungschef Berlusconi, Besitzer immerhin dreier Fernsehkanäle, hat offenbar kein Interesse daran, seinen Zuschauern etwas Intelligenteres als den immergleichen Unterhaltungsbrei zu bieten.
Die Macht des Berlusconi
Bei seinen eigenen Sendern genügt ein Anruf Berlusconis, um kritische Berichte zu unterbinden. Beim staatlichen Fernsehsender RAI ist sein Einfluss zwar nicht so direkt, aber trotzdem spürbar: In Italien besetzen nämlich die Regierungsparteien die Führungspositionen in der RAI mit ihren Wunschkandidaten. "Wir haben ein sehr ernstes Problem mit der Pressefreiheit und der Unabhängigkeit der Medien", bestätigt der ehemalige RAI-Mitarbeiter Roberto Morrione.
Dieses Problem ist für die meisten Italiener jedoch gar kein Problem. "Er hat seine Fernsehsender gekauft bevor er das wurde, was er heute ist. Er hat investiert und es ist nur recht und billig, dass er sie behalten darf. Im Übrigen schimpfen die am meisten auf Berlusconi", sagt ein Italiener. Zwar behauptet Berlusconi das immer wieder in der Öffentlichkeit, es stimmt aber nicht.
Unterhaltung ist einfach
Kritische Stimmen gibt es vor allem im Internet, wo Journalisten sich über Blogs zur Lage des Landes äußern. Außerdem gab und gibt es immer wieder Versuche, alternatives Fernsehen zu machen. Auch der Literaturnobelpreisträger Dario Fo hat sich an einem solchen Projekt beteiligt. Der Erfolg ist jedoch mäßig, weil die meisten eben nicht fernsehen, um sich über die Probleme des Landes zu informieren, sondern um sich von diesen Problemen abzulenken. Unterhaltung kann so einfach sein.