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Politik

Zypern: Geteilte Insel, unberechenbare Bevölkerung

Panagiotis Kouparanis
7. Dezember 2016

Auf Zypern wird wieder verhandelt. Die Führer der griechischen und türkischen Zyprer wollen eine Lösung. Doch will die Bevölkerung überhaupt eine Wiedervereinigung? Eine Reportage von Panagiotis Kouparanis.

Zypern Stimmungsbild nach der Wiedervereinigung
Bild: DW/P. Kouparanis

"Wozu soll eine Vereinigung gut sein?" fragt ein Souvenirhändler in der Nähe der Selimiye-Moschee, der früheren Sophien-Kathedrale, im türkisch-zyprischen Teil der Hauptstadt Nikosia. "Wir haben unsere Ruhe und leben in Sicherheit. Uns geht es doch gut hier." Auch jetzt im Winter ist sein Laden gut besucht. Das Sortiment kommt fast ausschließlich aus der Türkei. Wird er sich das auch nach einer Wiedervereinigung Zyperns von dort besorgen können? Überall auf Zypern trifft man auf Menschen, die sich solche praktischen Fragen stellen. Ganz besonders gilt das für das Grundeigentum. Mehr als 200.000 griechische Zyprer könnten Eigentumsrechte im (türkischen) Norden geltend machen - und bis zu 65.000 türkische Zyprer im (griechischen) Süden.  

Zeki Arcan besucht seine alte Heimatstadt fast jedes JahrBild: DW/P. Kouparanis

Zu ihnen gehört Zeki Arcan. Der pensionierte Polizist stammt ursprünglich aus einem Dorf in der Nähe der südzyprischen Stadt Paphos. Seine Familie musste den Heimatort nach der türkischen Invasion (1974) in Richtung Nord-Zypern verlassen. Seit 40 Jahren lebt sie in Morfou - oder Güzelyurt, wie die Stadt auf Türkisch heißt. Im Fall einer Wiedervereinigung würde die Region an das griechisch-zyprische Bundesland abgetreten. Trotzdem werde er bleiben, versichert Zeki Arcan. Das treffe auch auf die meisten der rund 17.000 Einwohner der Region zu, die ursprünglich aus dem Süden stammten. Fast jedes Jahr besuche er seine frühere Heimatstadt Paphos für zehn Tage, um die alten Freunde der Familie zu treffen. Aber dorthin zurückkehren werde er nicht. "Ich habe in Morfou geheiratet, meine Kinder sind hier groß geworden, sie arbeiten hier und haben selbst Familie. Im Süden wären sie Fremde." Für sein Eigentum in Paphos werde er Entschädigung beantragen.

Restaurant in Nikosia an der Demarkationslinie zwischen dem griechisch-zyprischen und dem türkisch-zyprischen TeilBild: DW/P. Kouparanis

In dieser Woche wurden die Verhandlungen auf Zypern wieder aufgenommen. Viel Zeit bleibt den griechisch-zyprischen und türkisch-zyprischen Unterhändlern nicht, um die noch offenen Fragen einer Wiedervereinigung der Insel zu verhandeln. In fünfeinhalb Wochen soll in Genf mit den drei Garantiemächten Zyperns - Griechenland, Großbritannien und der Türkei - versucht werden, zu einer Lösung zu gelangen. Athen und London haben schon grünes Licht signalisiert. Bei Ankara weiß man es nicht. Dass die Türkei die Verhandlungen aber nicht torpediert und schon einmal 2004 dem Wiedervereinigungsplan des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan zugestimmt hat, wird auf Zypern überwiegend als Zeichen für eine konstruktive Haltung gewertet.

Im Norden als Verräter denunziert, im Süden als Agent der Türkei

Niyazi Kızılyürek vermutet zweierlei Motive dafür. "Die Türkei ist international isoliert. Indem sie zu einer Zypern-Lösung beiträgt, zeigt sie, dass sie nicht Teil des Problems ist, sondern in der Lage ist, internationale Konflikte zu lösen. Außerdem will sie, dass das Gas, nach dem die Anrainerstaaten im östlichen Mittelmeer bohren lassen, über die Türkei nach Europa gelangt." Kızılyürek ist Professor für Politische Geschichte an der griechisch-zyprischen University of Cyprus und hat in Bremen studiert und promoviert. Als einer von wenigen türkischen Zyprern ist er im Süden geblieben.

Dafür wurde er in Nord-Zypern als Verräter angefeindet und in Süd-Zypern als Agent der Türkei denunziert. Seit zwei Jahren gehört er zum Beraterstab des Präsidenten Nikos Anastasiadis, der ein Verfechter der Wiedervereinigung ist. Das gilt auch für Mustafa Akinci. Beide Volksgruppenführer stammen aus Larnaka. Die gemeinsame Herkunft von Anastasiadis und Akinci aus dieser Hafenstadt half beim zurückliegenden anderthalbjährigen Verhandlungsmarathon, immer wieder Blockaden zu überwinden. Jetzt sei man auf der Zielgeraden, hört man immer wieder von Befürwortern einer Zypern-Lösung.

Doch selbst wenn es zu einem Durchbruch in Genf kommt, ist die Wiedervereinigung keinesfalls gesichert. Wie sich die Bevölkerung der Insel bei einem Referendum entscheiden würde, sei ungewiss, gibt Ahmet Sözen zu bedenken. Der Politologe ist Professor an der nord-zyprischen Eastern Mediterranean University. Seit 2008 führt er in beiden Landesteilen Umfragen durch. Zwar sei die Zustimmung für eine Wiedervereinigung unter den griechischen Zyprern gestiegen, aber bei den türkischen Zyprern sei sie gesunken. Die Chancen für ein "Ja" liegen im Moment bestenfalls bei 50 Prozent. Daraus folgert Sözen, "dass es auf beiden Seiten eine breit angelegte Kampagne geben muss, um diejenigen, die sich noch keine Meinung gebildet haben oder noch schwanken, von den Vorteilen der Wiedervereinigung zu überzeugen."

Können die Menschen wieder zusammenleben?

Im Fall einer Wiedervereinigung würde er "zu den Ersten gehören", die in ihren Heimatort zurückkehren, versichert der griechische Zyprer Harilaos Harilaou. Er ist Vize-Bürgermeister der Kommune Morfou in Nord-Zypern, obwohl er dort nicht wohnt. So sonderbar sich das anhört - bei den Kommunalwahlen am übernächsten Sonntag in Süd-Zypern werden die Vertriebenen aus Nord-Zypern das Stadtparlament und eine Art Exil-Bürgermeister ihres Herkunftsortes wählen. Diese politischen Vertreter werden sich danach nicht um die Stadtreinigung, Kanalisation oder Kindergärten kümmern. Ihre Hauptaufgabe wird darin bestehen, die Erinnerung an die alte Heimat wach zu halten, die Bräuche zu pflegen und international auf ihr Schicksal hinzuweisen.

Harilaos Harilaou ist stellvertretender Bürgermeister des griechisch-zyprischen Stadtrats von Morfou Bild: DW/P. Kouparanis

Das Haus von Harilaou in Morfou stehe noch und er besitze Grundstücke. Bei einer Vereinigung müssen sie ihm zurückgegeben werden. Ob seine Kinder auch mitkommen würden? Er hoffe es sehr. Anders als Zeki Arcan, der wieder mit griechischen Zyprern zusammenleben möchte, kann sich Harilaos Harilaou ein gemischtes Morfou nicht vorstellen. Er erinnert daran, dass die Stadt einstmals mit wenigen Ausnahmen eine griechische Bevölkerung hatte. "Wenn jetzt einige Hunderte türkische Zyprer in Morfou bleiben, ist das kein Problem", versichert Harilaou. "Das könnte aber eines werden, wenn es 2.000 - 3.000 werden und dann ebenso viele griechische Zyprer zurückkehren." Es gebe um Morfou viel Land zum Bau neuer Siedlungen für die türkischen Zyprer. Wie das finanziert werden soll, weiß auch Harilaou nicht.

Solche Bedenken spiegeln eine weit verbreitete Angst vor einem Zusammenleben - und zeigen auch, wie sehr sich beide Volksgruppen auseinandergelebt haben. Zypern ist schon seit über 42 Jahren geteilt. Wie lange wird es dauern, bis die Menschen wieder zueinander finden? Und werden sie überhaupt dazu bereit sein?

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