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PolitikEuropa

Zypern: Geteilte Stimmung, geteiltes Land

Lyritsas Loukianos
29. Mai 2021

An diesem Sonntag wählt der griechische Teil Zyperns ein neues Parlament. In dem von Korruption und Corona geschüttelten Land herrscht Wechselstimmung. Aus Nikosia Lyritsas Loukianos.

Über Dächern wehen Flaggen von Griechenland, Zypern und der Türkei
Eine Insel, zwei Staaten: Die Grenze verläuft quer durch die Stadt NikosiaBild: picture-alliance/NurPhoto/D. Cupolo

Christoforos Christoforou sitzt im "Stavraetos" in einem der besseren Stadtteile Nikosias und nippt an seinem Kaffee. Hinter dem pensionierten Pharmazeuten hängen Portraits verdienter zyprischer Politiker.

So zum Beispiel vom ehemaligen Präsidenten Glafcos Clerides. In diesem Café in einer der reicheren Gegenden von Nikosia verkehren eher konservative Menschen. Der Wahlkampf bietet eine Abwechslung, da Vertreter aller Parteien vorbeischauen - täglich mindestens einer.

Auch wenn der Wahlkampf sonst nur virtuell stattfindet - in Cafés wie dem "Stavraetos" kommen die Kandidaten auch persönlich vorbei, um ihre - meist ältere - Wählerschaft zu treffen. Derzeit führt in Zypern die liberal-konservative "Dimokratikos Synagermos" die Regierung an.    

Diskutiert wird im Café über alles Mögliche - fast unvermeidbar sind dabei Themen wie die Korruptionsskandale, die die Regierung in der Vergangenheit erschüttert haben. Der "Goldene-Pass-Skandal" zum Beispiel, der ans Licht kam, weil der Sender Al Jazeera ein Video veröffentlichte, das zeigte, dass hochrangige Politiker und Beamte Kriminelle bei der Vermittlung von Pässen unterstützen.

Das sogenannte Investitionsprogramm für Einwanderung des Landes machte das möglich: Wer mehr als zwei Millionen Euro in Immobilien auf der Insel investiert, bekommt einen zyprischen Pass dazu. 

Die Veröffentlichung des Videos kostete zwei Politiker ihre Jobs, die in dem Film vorkamen - Parlamentspräsident Demetris Syllouris und Christakis Giovanni, ein Abgeordneter.

Umstrittenes Programm beendet

Die Regierung musste daraufhin das umstrittene Programm beenden und ein unabhängiges Gremium einsetzen, um alle Fälle zu untersuchen. Dabei ergab sich, dass 6779 zyprische Staatsbürgerschaften im Rahmen des Programms illegal vergeben worden waren.

Christoforos Christoforou (rechts) trifft Ministerpräsident Michalis SophocleousBild: Loukianos liritsas

Den Rentner Christoforos Christoforou im Café "Stavraetos" überrascht das nicht - Korruption habe es schließlich schon immer gegeben. Die Kritik an der derzeitigen Regierung und dem Präsidenten sei deshalb überzogen.

"Diese Regierung war es, die das Land 2013 vor dem Bankrott gerettet hat. Das scheinen viele Leute zu vergessen", sagt er. "Jeder wusste das mit den Pässen, und jeder hat mitgemacht."

Und doch ist ihm klar, dass der Skandal Einfluss auf den Wahlausgang haben wird. Er schätzt, dass sowohl die regierende, liberal-konservative "Dimokratikos Synagermos" (DISY) Sitze verlieren wird als auch die größten Oppositionsparteien.

Geteilte Stadt Nikosia

Christoforos Christoforou liegt noch ein anderes Problem auf dem Herzen - und das ist nicht neu: Das "Zypern-Problem", also die  De-facto-Teilung der Insel in die griechisch geprägte "Republik Zypern" und die so genannte "Türkische Republik Nordzypern".

Sie ist eine Folge der völkerrechtswidrigen Besetzung Nordzyperns 1974 durch die Türkei. Die Grenze verläuft mitten durch die Hauptstadt Nikosia, Stacheldraht und Absperrungen erinnern manch einen Besucher an Berlin zu Mauerzeiten.

Während die Republik Zypern zwei Drittel der Insel ausmacht und zur EU gehört, ist die kleinere "Türkische Republik" nur von der Türkei als Staat anerkannt. Zwar würde auch die nächste Wahl am Problem nichts ändern, so Christoforou, aber trotzdem zähle jede Wahl: "Wegen des Zypern-Problems müssen die Leute immer in Alarmbereitschaft bleiben."

Vertane Chancen

Savvas Apostolou, 56 Jahre alt und Kaufmann, nimmt seinen Nachmittagskaffee auch im Café ein, allerdings in einer ärmeren Gegend von Nikosia, im "Strovolos 2", einem Ort, an dem politisch eher links orientierte Gäste verkehren. Er glaubt auch, dass die Zypernfrage das drängendste Problem auf der Insel sei, hat allerdings eine andere Meinung als Christoforou.

Hätte den Annan-Plan gern verwirklicht gesehen: Savvas ApostolouBild: Loukianos liritsas

Apostolou denkt vor allem an die, wie er findet, zahlreichen Chancen auf Einheit, die von den griechischen Zyprern vergeben worden seien. Allem voran den Annan-Plan von 2004.

In diesem Jahr hatte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan vorgeschlagen, die Insel wiederzuvereinigen. In beiden Teilen gab es ein Referendum, und während der türkische Teil mehrheitlich für eine Vereinigung war, lehnte der griechische Süden dies mit mehr als 75 Prozent der Stimmen ab.

"Das haben wir jetzt davon. Damals hätten wir das Problem lösen können", so Savvas Apostolou. Er würde gerne sehen, dass nach der Wahl junge Leute das Zepter übernehmen. "Mit frischen Ideen", wie er sagt. Das "Recycling des Establishments" müsse ein Ende haben.

Demo am 27. April: Vieler Zyprer wünschen sich ein Ende der TeilungBild: Florian Schmitz/DW

Viele Leute gingen gar nicht erst zur Wahl, weil sie müde seien, die immer gleichen Gesichter zu sehen. Jetzt brauche das Land junge Leute, die etwas anderes anzubieten hätten. Leute, die nicht von Parteien abhängen.

Wechselstimmung im Land

659 Kandidaten sowie 15 politische Parteien und Gruppierungen bewerben sich für die Wahlen am 30. Mai. Demoskopen sehen eine Wechselstimmung im Land. Umfragen, die von den fünf größten TV-Sendern durchgeführt wurden, deuten darauf hin, dass vor allem die zyprischen Grünen sowie die von der Alt-Right-Bewegung geprägte Nationalpopuläre Front (ELAM) Zugewinne verbuchen könnten. Auch ganz neue Parteien könnten den Sprung ins Parlament schaffen.

Die Verfassung sieht vor, dass die Regierung in Zypern vom Präsidenten gebildet wird. Die Parlamentswahl gilt deshalb als Stimmungsbarometer dafür, wie beliebt die Regierung ist.

Ebenfalls lassen sich Trends herauslesen, welche politischen Allianzen zustandekommen könnten, wenn in zwei Jahren ein neuer Präsident gewählt wird. Am 30. Mai werden es voraussichtlich acht Parteien ins Parlament schaffen. Für Präsident Nikos Anastasiades könnte es mit diesem Vielparteienparlament schwieriger werden, die Vorhaben seiner bis 2023 gehenden Amtszeit umzusetzen.

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.

Lyritsas Loukianos Correspondent DW Greek, Cyprus
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