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Zypern: Wirtschaft fordert Wiedervereinigung

Panagiotis Kouparanis
11. Dezember 2016

Griechisch-zyprische und türkisch-zyprische Unternehmer sehen in einer vereinigten Insel große Potentiale für ein Wirtschaftswachstum. Doch es könnten auch neue Probleme erwachsen.

Zypern, Reportage über die wirtschaftliche Situation des Landes - Einkaufsstraße in Nikosia
Bild: DW/P. Kouparanis

An einem Montagabend in einem mondänen Restaurant im griechisch-zyprischen Teil von Nikosia findet ein Abendessen statt. Teilnehmer sind die Präsidien der griechisch-zyprischen Industrie- und Handelskammer (IHK) und der türkisch-zyprischen Handelskammer. Für die Teilnehmer sind solche Treffen Normalität. Seit sehr vielen Jahren pflegt man enge Kontakte.

Besonderer Gast an diesem Abend ist der finnische Botschafter Timo Heino. Er hält einen Vortrag zum Thema "Re-Branding Cyprus". "Wenn es zu einer Wiedervereinigung kommt", erklärt Heino, "dann wird sich das Land wandeln, deshalb braucht es dann eine Art Re-Branding."

Timo Heino, Botschafter Finnlands auf Zypern Bild: DW/P. Kouparanis

Einen solchen Findungsprozeß, was man ist und wohin man will, habe man in Finnland vor fünf, sechs Jahren auch durchgemacht. Timo Heino macht den Unternehmern beider Volksgruppen Mut: "Es kommt darauf an herauszufinden, was die Stärken des Landes sind, um sie dann der Welt zu kommunizieren. Zypern hat genug Potential, um das zu tun, schon jetzt machen sie ja erfolgreich Werbung. Aber es ist offensichtlich, dass sich bei einer Wiedervereinigung eine Menge neuer Chancen ergeben werden."

"Ja" zur Wiedervereinigung

Davon müssen weder die griechisch-zyprischen noch die türkisch-zyprischen Unternehmer überzeugt werden. Schon 2004, als es um die Abstimmung des Annan-Plans ging, haben sie sich laut und deutlich für ein "Ja" ausgesprochen. Das war auch mehrheitlich die Meinung der türkischen Zyprer. Die griechischen Zyprer dagegen sprachen sich mit einer dreiviertel Mehrheit dagegen aus.

Der Präsident der griechisch-zyprischen IHK Pheidias Pileidis hofft, dass es jetzt anders sein wird, sollte es erneut zu einem Referendum kommen. "Die größte Investition, die das zyprische Volk machen kann, ist es, in eine Lösung und in die Wiedervereinigung zu investieren."

Pileidis gerät ins schwärmen: Unternehmer könnten sich überall auf der Insel niederlassen, die Infrastruktur erfordert große Investitionen, das gelte auch für den Wiederaufbau der ehemaligen Hotel-Hochburg Famagusta und den Wohnungsbau. Ein geeintes Zypern würde ein noch attraktiveres Ziel für Touristen werden. Und vor allem "wird sich der türkische Markt für Zypern öffnen - ein aufstrebender Markt von 80 Millionen Menschen."

Probleme mit der Türkei

Da die Türkei - anders als alle übrigen Staaten der Welt - die Republik Zypern nicht anerkennt, haben griechisch-zyprische Unternehmen keinen Zugang zu diesem Markt. Den haben aber ihre türkisch-zyprischen Kollegen. 60 Prozent der Importe kommen aus der Türkei und rund 55 Prozent der Exporte gehen dort hin.

Nach einer Wiedervereinigung der Insel würden sich Joint-Ventures von griechisch-zyprischen und türkisch-zyprischen Unternehmen anbieten, um im türkischen Markt aktiv zu werden. Das ist nicht nur die Meinung von Pheidias Pilidis sondern auch von Fikri Toros, dem Präsidenten der türkisch-zyprischen Handelskammer.

Fikri Toros, Präsident der türkisch-zyprischen Handelskammer & Feidias Pileidis, Präsident der griechisch-zyprischen Industrie- und Handelskammer Bild: DW/P. Kouparanis

Doch was für die Zukunft ein Vorteil sein könnte, ist für den Moment ein Manko. Grund für die starke Ausrichtung auf die Türkei ist die internationale Isolation Nordzyperns. Folge davon ist, dass sämtliche ausländischen Investoren vom türkischen Festland kommen und auch der Handel Nordzyperns mit dem Ausland über die Türkei läuft.

Bei einem Pro-Kopf-Einkommen von rund 11.500 Euro, 1,2 Millionen Touristen im Jahr oder auch 90.000 Hochschulstudenten aus dem In- und Ausland könne man zwar nicht sagen, dass Nordzypern "dahinsiecht", gibt Toros zu bedenken. "Zugleich aber, sind wir sehr weit davon entfernt, unser Potential auszuschöpfen." Die Möglichkeit, es zu tun, biete die Wiedervereinigung. Das EU-Recht könnte dann auf Nordzypern erweitert werden, Spannungen würden abgebaut und Unsicherheiten in Eigentumsfragen beendet werden. Dadurch könne ein positives Klima für ausländische Investoren entstehen.

Ungleichheit durch EU-Recht?

Der griechisch-zyprische Finanzminister Haris Georgiadis spricht gar von "außerordentlich positiven Perspektiven" für die Wirtschaft. Er ist sich sicher, dass es bei einer Wiedervereinigung "zu einem Wirtschaftsschub kommen wird mit riesigen Chancen für neue Investitionen und Wirtschaftsaktivitäten - nicht nur auf lokaler sondern auch auf regionaler Ebene mit der Öffnung und dem Zugang zum türkischen Markt." Infolgedessen würde das Pro-Kopf-Einkommen im Norden sich "schnell" dem im Süden angleichen, wo es doppelt so hoch ist.

Haris Georgiadis, Finanzminister der Republik ZypernBild: DW/P. Kouparanis

Voraussetzung für eine solche Entwicklung sei aber, dass das EU-Recht schnellst möglich auch im Norden angewandt werde, dass "Regeln übernommen werden, die die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen gewährleisten" und dass eine "korrekte Kontrolle und bei Bedarf auch Korrekturmaßnahmen" im Bankwesen Nordzyperns vorgenommen werden. Da vom ersten Tag der Wiedervereinigung der Euro auch im Norden offizielle Währung würde, müsse der Prozess der Angleichung an EU-Standards für die Banken bis dahin abgeschlossen sein. In anderen Bereichen könne es Übergangsfristen geben.

Notwendige Übergangsfristen

Die könnten bis zu sechs Jahre dauern, glaubt Fikri Toros. Diese Angleichungsprozesse seien auch die größte Herausforderung für die türkischen Zyprer. In diesem Zusammenhang spricht Toros von einem "Versagen der EU". Seit den 1990er Jahren und bis zum EU-Beitritt der Republik Zyperns 2004 habe die Kommission sich nur darum bemüht, den südlichen Teil an die Gemeinschaft heranzuführen. Auch während der vergangenen eineinhalb Jahre des Verhandlungsprozesses zur Wiedervereinigung der Insel habe sie es "vermieden" Nord-Zypern mit dem EU-Recht zu harmonisieren.

"Ein Abkommen mag die Teilung physisch beenden", folgert Toros, "aber sie wird eine neue Teilung auf der Insel schaffen, nämlich die EU-Recht-Teilung." Die türkischen Zyprer hätten große Angst, sie könnten weder mit dem griechisch-zyprischen Kapital noch mit europäischen Investoren konkurrieren, die bereits Interesse für Nordzypern bekunden würden. Der Präsident der türkisch-zyprischen Handelskammer hofft, dass bei einer Wiedervereinigung dem Norden eine Übergangszeit zugestanden wird, um EU-Direktiven und Standards umzusetzen. Sicher ist er sich aber nicht, dass sie auch gewährt wird.

 

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