1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Zyperns Gas befeuert US-Mittelmeer-Strategie

Diego Cupolo AR
4. Mai 2019

Um Russlands Einfluss im östlichen Mittelmeer zurückzudrängen, verstärken die USA ihr Engagement, die Gasförderung in der Region anzukurbeln. Für Zypern birgt das Chancen, aber auch Risiken. Von Diego Cupolo, Nikosia.

Gasbohrschiff
Bild: picture-alliance/dpa/AP Photo/Saipem

Ein Schatz schlummert unter dem Meeresboden und je nachdem, wie er gehoben wird, könnte er die politische Landkarte verändern: Bedeutsame Gaslagerstätten wurden in letzter Zeit im östlichen Mittelmeer entdeckt. Zuletzt fanden Anfang des Jahres Geologen der Energieriesen Exxon Mobil und Qatar Petroleum ein großes Reservoir vor Zypern. Im Hoheitsgebiet der Insel ist es schon das dritte Gasfeld. Auch vor Israel und Ägypten lagert der begehrte Brennstoff. Das östliche Mittelmeer könnte eine bedeutende Quelle für den internationalen Energiemarkt werden und Gewicht und Einfluss der Mächte in der Region verschieben.

Das ist auch US-Diplomaten nicht entgangen. Sie sehen darin eine Möglichkeit, den russischen Einfluss zurückzudrängen - auf dem Weltenergiemarkt und im östlichen Mittelmeer. Aus Washington kommen Signale, die Zusammenarbeit zwischen Israel und den EU-Mitgliedern Zypern und Griechenland im Gasbereich zu unterstützen.

AKEL-Kandidat Kızılyürek: "Wird uns bei der Lösung des Problems nicht helfen"Bild: DW/D. Cupolo

Die Vereinigten Staaten sind in letzter Zeit in der Region etwas ins Hintertreffen geraten, während Russland seine Position vor der Küste Syriens stärken konnte - was auch am mangelnden Engagement der US-Regierung lag. Nun könnten die Lagerstätten im östlichen Mittelmeer ein Hebel sein, die Entwicklung umzukehren. Mit Gas von dort ließe sich nämlich nicht nur die Region versorgen. Es könnte auch nach Europa geliefert werden, das bislang stark von Importen aus Russland abhängig ist.

Möglich machen soll das die geplante "East Med Pipeline", durch die Gas von Ägypten, Israel und Zypern über Griechenland und Italien in das Netz der EU strömen soll. "Aus Sicht der USA sind Griechenland und damit auch Zypern sowie Israel wichtige Partner, wenn es darum geht, die Stellung der Vereinigten Staaten im östlichen Mittelmeer zu festigen", sagt Zypernexperte Harry Tzimitras vom "Peace Research Institute Oslo" (PRIO).

Gestörte Beziehungen zwischen den USA und der Türkei

Im März traf US-Außenminister Mike Pompeo mit israelischen, griechischen und zypriotischen Regierungschefs zusammen, um über die regionale Energieentwicklung und gemeinsame Sicherheitsinitiativen zu diskutieren und um ein Signal der Unterstützung zu senden. Im April brachten zudem die US-Senatoren Bob Menendez und Marco Rubio eine Verordnung auf den Weg, das jahrzehntelange US-Waffenembargo gegen Zypern aufzuheben. Zudem wurde eine Kooperation ins Leben gerufen, um die Zusammenarbeit im Energiesektor zwischen den Vereinigten Staaten, Israel, Griechenland und Zypern zu fördern.

Die Türkei bleibt dabei außen vor. Die Beziehungen zwischen den Regierungen in Ankara und Washington sind seit geraumer Zeit gespannt, nicht zuletzt seitdem die Türkei über einen Kauf des russischen Raketenabwehrsystem S400 verhandelt. Aus Sicht der USA ist das eine Bedrohung für die Verteidigungsfähigkeit der NATO. Die Türkei ist seit 67 Jahren Mitglied des westlichen Militärbündnisses.

Bei der Pipeline-Planung nicht dabei zu sein, hat wiederum zu Verstimmungen in Ankara gesorgt, wo man sich von einer potenziellen Energiequelle und entsprechenden wirtschaftlichen Impulsen abgeschnitten sieht. Die US-türkischen Differenzen habe aber auch Auswirkungen auf den europäischen Einigungsprozess - schließlich ist Zypern weiterhin geteilt, in einen südlichen Teil, welcher der EU angehört, und einen nördlichen, der seit 1974 von türkischen Truppen besetzt ist.

Die Türkei in der Gasfrage zu isolieren, könne Auswirkungen auf die Wiedervereinigungsbemühungen auf der Insel haben, meint der aus Nordzypern stammende Niyazi Kızılyürek von der Universität Zypern in Nikosia und zurzeit Kandidat der linken Oppositionspartei AKEL bei der Europawahl. "Die Art und Weise, wie Israel mit der Republik Zypern in der Gas- und Energiepolitik zusammenarbeitet und dabei die Türkei ausschließt, wird uns bei der Lösung des Problems nicht helfen."

Geteilte Insel, gemeinsames Gas?

Journalist Levent: "Das macht mir Sorgen"Bild: DW/D. Cupolo

Aus Sicht von Regierungsvertretern aus Nordzypern müssen die Einnahmen aus dem geförderten Gas zwischen dem griechischen und dem türkischen Teil aufgeteilt werden, da beide Erben der Bodenschätze im Bereich der Insel seien. Der Süden knüpft das aber an die Bedingung, dass Fortschritte bei den Verhandlungen zur Wiedervereinigung erzielt werden. Eine Forderung, die im Norden als unfair eingestuft wird.

Nach Ansicht von Savaş Toksöz, Politikwissenschaftler und führendes Mitglied der nordzyprischen Volkspartei, Halkın Partisi, ist die Regierung des Nordens offen für Gespräche mit US-Gesandten in Sachen Gasausbeutung. Diese müsse jedoch ihre Interessen mit den Verbündeten in Ankara abstimmen. "Als türkische Zyprioten versuchen wir, unsere Rechte zu schützen und mit der Hilfe der Türkei zu unseren Rechten zu stehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns einer Allianz mit den USA verschließen", so Toksöz. "Die Haltung der USA gegenüber uns hängt von deren Beziehungen zur Türkei ab. Je besser die sind, desto besser ist es für uns."

Manche Experten sind der Ansicht, das Gasgeschäft könnte sogar dazu beitragen, dass griechische und türkische Zyprioten einer Lösung ihres jahrzehntealten Konflikts näherzukommen. Doch Şener Levent ist pessimistisch. Der Chefredakteur von Nordzyperns oppositionsnaher Tageszeitung "Afrika" befürchtet sogar, dass das Gasgeschäft zu weiteren Spannungen auf der Insel führt. "Wovor ich Angst habe, sind die 40.000 türkischen Soldaten in Zypern, die in der Grenzzone zwischen Nord und Süd stationiert sind." Der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, könnte sie zu Provokationen anstacheln. "Und das macht mir am meisten Sorgen", sagt der Journalist.